Bundesrat: Screening-Programme und Videokonferenzen im Verwaltungsverfahren müssen noch warten
Länderkammer erhebt Einspruch gegen zwei weitere Beschlüsse des Nationalrats
Wien (PK) – Das Bundesratsplenum folgte heute mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ auch mehrheitlich in zwei weiteren Punkten den Empfehlungen seiner Ausschüsse, gegen Beschlüsse des Nationalrats Einspruch zu erheben. Das betraf einerseits das 16. COVID-19-Gesetz, mit dem Ziel, durch Screening-Programme eine zweite Infektionswelle während und nach der schrittweisen Lockerung der Maßnahmen möglichst klein zu halten. Andererseits fand das 12. COVID-19-Gesetz keine Mehrheit in der Länderkammer. Es hat insbesondere Vorgaben für Behörden in Bezug auf die Durchführung von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren in der derzeitigen Ausnahmesituation zum Inhalt. Die beiden Oppositionsparteien äußerten im Zusammenhang mit den betreffenden Gesetzen die Befürchtung, dass dadurch Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden könnten. Außerdem kritisierten sie, dass es dazu kein Begutachtungsverfahren gegeben habe.
Screening-Programme: Opposition befürchtet Angriff auf Grundrechte
Das 16. COVID-19-Gesetz bereitet den Weg für ein Screening-Programm, mit dem die nötige Datenbasis für die laufende Überprüfung der Maßnahmen geschaffen wird. Mittels einer Proben-ID bzw. eindeutiger Personenzuordnung sollen Informationen in einem Screening-Register erfasst und die Bezirksverwaltungsbehörden direkt über positive Ergebnisse informiert werden. Überdies enthält das Gesetz Bestimmungen über die Abhaltung von Veranstaltungen. Anstelle eines Totalverbots größerer Menschenansammlungen gibt es Auflagen.
Freiheits-, Bürger- und Grundrechte würden durch diese Änderungen des Epidemiegesetzes angegriffen, begründete Stefan Schennach (SPÖ/W) die Ablehnung der SozialdemokratInnen. Die SPÖ habe es sich nicht leicht gemacht, sagte er, sie habe aber in das Handeln der Regierung kein Vertrauen mehr. Denn während die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Freiheitsbeschränkungen von einer "Zumutung für die Demokratie" gesprochen habe, habe Bundeskanzler Sebastian Kurz geäußerte grundrechtliche Bedenken mit "Spitzfindigkeiten" abgetan. Schennach befürchtet auch, dass die App irgendwann verpflichtend wird und vermisst auch die nötige Klarheit der Bestimmungen, was zu Graubereichen führe. Auch fehlen ihm zufolge Kriterien, wie die zuständigen Behörden ihr Ermessen auszuüben haben.
Wie Schennach warf auch FPÖ-Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ/T) der Regierung Angstmache vor. Er verwendete in diesem Zusammenhang sogar das Wort "niederträchtig". Mit dem Schreckensszenario bekämpfe die Regierung nicht das Virus, sondern die Wirtschaft, zeigte er sich überzeugt, dass die von der Regierung gesetzten Maßnahmen "überschießend und unqualifiziert" seien. Der Wirtschaft fehle auch die Planungssicherheit. Seiner Meinung nach will die Regierung Österreich in einen totalitären Staat umbauen, sie setze auf maximale Inszenierung, aber auf minimale Transparenz. Sie habe Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig geschädigt, so Steiner. Die FPÖ stehe daher für einen "rot-weiß-roten Schulterschluss" mit der Bevölkerung ein, sagte er.
ÖVP und Grüne: Das Screening-Programm hilft, schrittweise wieder zur Normalität zu gelangen
Demgegenüber warnte Karlheinz Kornhäusl (ÖVP/St) vor einer zweiten Krankheitswelle. Da hätten wir nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern vor allem auch eine Wirtschaftskrise, mahnte er ein weiteres vorsichtiges Vorgehen ein. In diesem Sinne unterstützte er die Begleitmaßnahmen, wie sie unter anderem auch im gegenständlichen Gesetz verankert sind. Das Screening-Programm helfe, schrittweise wieder zur Normalität zu gelangen, meinte er. Es diene als Messinstrument zur Analyse der Ausbreitung der Krankheit und stelle ein rasches Kontaktmanagement dar. Die Daten seien außerdem anonymisiert und die Teilnahme sei freiwillig, unterstrich er die Grundrechtskonformität aus seiner Sicht, die auch von Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ) geteilt wurde.
Mit dem Screening bekomme man einen besseren und effizienteren Überblick über die Verbreitung des Virus, hielt sie fest. Das Screening-Programm biete eine wichtige und präzise vorausschauende Prognose, was für die Exit-Strategie nötig ist. Auch sie betonte, dass die Teilnahme freiwillig sei und die Datensammlung und –verarbeitung der Datenschutzverordnung entspreche. Die Befristung der Maßnahme ist für sie ein weiterer wesentlicher Punkt in Hinblick auf die Einhaltung der Grundrechte.
Hauschildt-Buschberger und Kornhäusl verteidigten auch die Lösung in Bezug auf Veranstaltungen. Hier gehe es nicht um Einschränkungen, sondern um die Sicherung der Grundrechte. Der Besuch von Veranstaltungen werde unter bestimmten Voraussetzungen möglich, sagte Kornhäusl, mit dem Screening-Programm könne man differenziert vorgehen, ergänzte die grüne Bundesrätin. Beide wiesen auch darauf hin, dass namhafte ExpertInnen dem Gesetzestext die Verfassungskonformität attestiert haben.
Anschober: Wir brauchen klare Regelungen für das Screening-Programm
Auch Bundesminister Rudolf Anschober warb für die Gesetzesvorlage und erteilte jenen eine Absage, die meinen, die bisher getroffenen Maßnahmen seien überschießend. Manche Länder zeigten, wohin es führe, wenn man nicht konsequent vorgeht, mahnte er und stellte fest, die Bundesregierung mache sich die Entscheidungen nicht leicht. Der Gesundheitsschutz habe aber Priorität, die Bekämpfung einer Pandemie sei ein Wettlauf mit der Zeit. Niemand könne zu 100 Prozent davon überzeugt sein, das Richtige getan zu haben, die Ergebnisse in Österreich würden ihn aber darin bestärken, die richtigen Schritte rechtzeitig gesetzt zu haben. Der Gesundheitsminister würdigte in diesem Zusammenhang aber auch die Solidarität und Disziplin innerhalb der Bevölkerung.
Man befinde sich nun in der zweiten und schwierigsten Phase, nämlich das Virus zu kontrollieren, gleichzeitig aber schrittweise die Einschränkungen zu lockern, sagte Anschober. Das gelinge nur mit der Containment 2.0-Strategie, weshalb es klare Regelungen für das Screening-Programm brauche.
Der Minister zeigte jedoch Verständnis für grundrechtliche Sorgen, vor allem auch für den Vorwurf, keine Begutachtung für das Gesetz durchgeführt zu haben. Gleichzeitig verwies er aber auf die gebotene Eile, und eine Begutachtung würde eine zu lange Verzögerung mit sich bringen, gab er zu bedenken. Man sei aber auf die Einwände der Opposition eingegangen und habe auch entsprechende Änderungen vorgenommen, betonte er. Allgemein hielt Anschober fest, für ihn sei es klar, dass man in Zukunft wieder ausführlicher miteinander werde reden müssen.
Allgemein besorgt über die sozialen Auswirkungen der Maßnahmen zeigte sich Günter Kovacs (SPÖ/B), der vorrechnete, um wieviel mehr Gelder die deutsche Regierung zur sozialen Absicherung zur Verfügung stellt. Das wirke sich auch auf die Arbeitslosenzahlen aus, die in unserem Nachbarland vergleichsweise geringer sind. Darauf angesprochen, meinte Minister Rudolf Anschober in seiner Wortmeldung, man brauche einen europäischen Wiederaufbau, wobei er den "Green New Deal" als eine der zentralen Antworten betrachtet. Der Minister ist überzeugt, dass eine starke EU notwendig ist und man in Österreich ein Konjunkturprogramm gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeiten müsse.
Verwaltungsverfahren: Widerspricht Videotechnologie dem Grundsatz der Unmittelbarkeit?
Eckpunkte des 12. COVID-19-Gesetz es sind ein verstärkter Einsatz von Videotechnologie bei Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren sowie mehr Zeit für die von Drittstaatsangehörigen abzulegende Integrationsprüfung. Unter anderem geht es dabei um Einschränkungen des mündlichen Verkehrs zwischen Behörde, Parteien und anderen Beteiligten, den forcierten Einsatz von Videotechnologie auch bei mündlichen Verhandlungen und Vernehmungen sowie um Verhaltensmaßregeln in jenen Fällen, wo die physische Anwesenheit von Personen erforderlich ist, etwa bei Lokalaugenscheinen. Zudem sollen spezielle Bestimmungen gewährleisten, dass auch die Rechte von Personen, die über keine technischen Einrichtungen zur Teilnahme an audiovisuellen Verhandlungen verfügen, gewahrt bleiben. Zudem soll es auch AMA-Gremien ermöglicht werden, Beschlüsse im Umlaufweg bzw. per Videokonferenz zu fassen.
Auch hier äußerten SPÖ und FPÖ grundrechtliche Bedenken. Elisabeth Grimling (SPÖ/W) und Michael Schilchegger (FPÖ/OÖ) attestierten dem Gesetz zwar gute Absicht, herausgekommen sei jedoch ein "gesetzgeberisches Unding", das unlesbar sei. Es enthalte viele Ungereimtheiten, sagte Grimling. Videokonferenzen im Verwaltungsverfahren würden zudem dem Grundsatz der Unmittelbarkeit widersprechen.
Dem gegenüber argumentierte Klara Neurauter (ÖVP/T), damit werde ein großer Rückstau bei den Verwaltungsgerichten vermieden. Man habe bei der Ausarbeitung des Gesetzes auch den Verfassungsdienst miteinbezogen. Grün-Mandatar Adi Gross (Grüne/V) wies in seiner Rede auf die Erleichterungen für anerkannte Flüchtlinge und Zuwanderer bei den Integrationskursen hin.
Ebenso unterstrich Ministerin Karoline Edtstadler die Notwendigkeit und das rasche Inkrafttreten dieses Gesetzes. Um die neue Normalität zu ermöglichen, seien auch rasch neue Gesetze nötig, sagte sie. Es sei notwendig, Vorkehrungen zu treffen, dass der Rechtsstaat arbeiten kann und handlungsfähig ist, dass aber gleichzeitig die Gesundheit geschützt wird. Und das biete diese Vorlage, wobei man die Anregungen der Opposition, vor allem der SPÖ, eingearbeitet habe.
Blutabnahme durch SanitäterInnen wird bis März 2021 ermöglicht
Auf allgemeine Zustimmung stieß hingegen das 13. COVID-19-Gesetz , wodurch Blutabnahmen zur Bestimmung von SARS-CoV-2-Antikörpern bis März 2021 auch von SanitäterInnen durchgeführt werden dürfen.
Bundesrat unterstützt einhellig Maßnahmen zur Abfederung sozialer und wirtschaftlicher Folgen der Corona-Krise
Ohne Gegenstimme passierte ebenfalls das 6. COVID-19-Gesetz den Bundesrat. Es bringt eine Reihe von Maßnahmen zur Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. (Fortsetzung Bundesrat) jan