Parlamentskorrespondenz Nr. 601 vom 09.06.2020

Erste Aussprache mit Ministerin Raab im Gleichbehandlungsausschuss

Bericht betreffend EU-Jahresvorschau 2020 einstimmig zur Kenntnis genommen

Wien (PK) – Der Gleichbehandlungsausschuss ist heute zum ersten Mal nach seiner Konstituierung in dieser Gesetzgebungsperiode zusammengekommen. Die Abgeordneten nutzten die Gelegenheit der ersten aktuellen Aussprache mit Bundesministerin Susanne Raab für eine Reihe an aktuellen Fragen.

Raab sprach eingangs das Budget für Frauen- und Gleichstellungsangelegenheiten an, das erstmals seit zehn Jahren auf 12,15 Mio. € erhöht wurde. Dieses Geld werde einerseits in Raabs Schwerpunkt, den Gewaltschutz, andererseits in die Förderung von Frauen- und Mädchenberatungsstellen investiert. Sie thematisierte die Situation von Frauen während der Corona-Krise. Es habe zwar einen leichten Anstieg von häuslicher Gewalt gegeben, in den Betretungsverboten und Wegweisungen konnte aber kein signifikanter Anstieg festgestellt werden. Man habe von Anfang an alles getan, um gegen einen Anstieg von häuslicher Gewalt anzukämpfen. Die Frauenhelpline wurde finanziell gestärkt, Onlineberatung ausgebaut. Um möglichst viele Frauen mit den Angeboten zu erreichen, wurde in Kooperation mit dem Handelsverband Informationsmaterial in Supermärkten aufgelegt. Die erleichterte Möglichkeit für einen staatlichen Unterhaltsvorschuss nannte sie als weitere Maßnahme.

Auch abseits der Krise sei es ihr ein Anliegen, die gesellschaftliche, rechtliche und ökonomische Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen voranzutreiben, so Raab. Ihr Credo sei ein selbstbestimmtes Leben, jede Frau solle ihre Lebensform frei wählen können. Sie sprach sich für bedarfsgerechte Kinderbetreuung und Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen sowie bewusstseinsbildende Maßnahmen für Mädchen aus.

Fragen zu Pensionssplitting, Kopftuchverbot und Gewaltschutz

Die Abgeordneten erkundigten sich nach Maßnahmen zu den unterschiedlichsten Lebensbereichen von Frauen. So wollte Kira Grünberg (ÖVP) wissen, was für Frauen mit Behinderung, die oft von Mehrfachdiskriminierung betroffen seien, unternommen werde. Norbert Sieber (ÖVP) fragte nach dem aktuellen Stand beim automatischen Pensionssplitting, auf das sich die Koalition festgelegt hat. Faika El-Nagashi (Grüne) thematisierte, ebenso wie Yannick Shetty (NEOS) das Kopftuchverbot für Mädchen in der Volksschule, das vom Europarat als problematisch eingestuft wurde. Sie wollte wissen, wie der Empfehlung, das Gesetz zu überarbeiten, nachgekommen wird.

Nach unterstützenden Maßnahmen für zugewanderte Frauen erkundigte sich Nurten Yılmaz (SPÖ). Von Sabine Schatz (SPÖ) und Rosa Ecker (FPÖ) wurde Frauenministerin Raab zum Thema Gewaltschutz befragt. ExpertInnen würden davor warnen, dass ein durch die Corona-Krise bedingter Ansturm auf die Frauenhäuser zeitversetzt kommen werde, so Schatz. Speziell thematisierten die Abgeordneten die europaweite Ausschreibung für Frauenhäuser in Salzburg. Ecker befürchtete mit dieser Ausschreibung einen Machtkampf im Bereich der Frauenhäuser, ein funktionierendes System werde zerschlagen, sagte sie. Sie erwarte sich ein konstruktives Einschreiten der Ministerin.

Raab will sich für automatisches Pensionssplitting einsetzen

Auf Frauen mit Behinderung würden alle Frauenorganisationen eingehen, sagte Raab zu Grünberg. Weil es aber auch spezialisierte Angebote brauche, werden außerdem fünf Projekte mit insgesamt rund 100.000 € gefördert, die sich konkret an diese Zielgruppe richten. Zudem werde die Schaffung von barrierefreien Räumlichkeiten in den Beratungseinrichtungen unterstützt. Raab werde sich für ein automatisches Pensionssplitting einsetzen, sagte sie in Richtung des Abgeordneten Sieber. Wenn eine Frau und ein Mann gemeinsam ein Kind in die Welt setzen, gebe es eine gemeinsame Verantwortung. Der arbeitende Elternteil müsse dem Elternteil, der sich um die Kinderbetreuung kümmert, Pensionszeiten abgeben, sagte die Ministerin. Sie arbeite gemeinsam mit dem Gesundheitsminister an einem Vorschlag, der auch unterschiedliche Lebensrealitäten wie etwa Patchworkfamilien abdecken soll.

Hinsichtlich des von El-Nagashi und Shetty thematisierten Kopftuchverbots antwortete die Ministerin, dass unterschiedliche Grundrechte aufeinanderprallen würden, etwa Religionsfreiheit, elterliches Erziehungsrecht, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Grundrecht der freien Entfaltung eines Kindes. Die Abwägung dieser Grundrechte werde in Österreich vom Verfassungsgerichtshof vorgenommen, nicht von einem europäischen Komitee. Sie selbst stehe hinter dem Kopftuchverbot.

Bei der Unterstützung von Migrantinnen gebe es verschiedene Hebel, sagte Raab zu Yılmaz. Es sei wichtig, dass Deutschkurse in Verbindung mit Kinderbetreuung angeboten werden. In den Integrationszentren des Bundes werden auch frauenspezifische Wertekurse, etwa zu Frauengesundheit und Arbeitsmarktintegration, angeboten. In Bezug auf häusliche Gewalt während der Corona-Ausgangsbeschränkungen zeige sich in fast allen Ländern dieselbe Entwicklung: Es gebe einen Anstieg des Beratungsbedarfs, aber noch keinen faktischen Anstieg der Zahl an Betretungsverboten. Es gebe in Österreich ausreichend Kapazitäten, so Raab. Zur europaweiten Ausschreibung der Frauenhäuser in Salzburg, die Schatz und Ecker thematisiert hatten, habe sie mit der zuständigen Salzburger Landesrätin gesprochen. Diese habe ihr das Gefühl vermittelt, dass die gute Struktur der Frauenhäuser in Salzburg erhalten bleiben soll. Raab wolle das politische Handeln nicht vorverurteilen, sondern werde das Vorhaben weiter beobachten und am Ende bewerten.

Gender-Pay-Gap und aktuelle Herausforderungen durch die Corona-Krise

In der zweiten Fragerunde waren Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen Thema mehrerer Fragen. Verena Nussbaum (SPÖ) und Meri Disoski (Grüne) erkundigten sich nach Maßnahmen, um den Gender-Pay-Gap zu schließen. Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) empfand es in diesem Zusammenhang auch als wichtig, Mädchen für naturwissenschaftliche und technische Berufe zu begeistern.

Im Zusammenhang mit der Corona-Krise wollte Philip Kucher (SPÖ) wissen, was sich im Bereich der Frauengesundheit ändern wird. Meri Disoski fragte, mit welchen Maßnahmen der oftmalige Applaus für Frauen in systemerhaltenden Berufen monetarisiert wird. Edith Mühlberghuber (FPÖ) thematisierte den staatlichen Unterhaltsvorschuss und erkundigte sich nach einer Reform. Romana Deckenbacher (ÖVP) bat um Auskunft zur Gleichbehandlungskommission bzw. zur Bundes-Gleichbehandlungskommission und Auswirkungen von COVID-19 auf diese Arbeit.

Henrike Brandstötter (NEOS) thematisierte ein aktuelles Ereignis in Tirol, wo der Landeshauptmannstellvertreter eine WWF-Aktivistin als "widerwärtiges Luder" bezeichnet hatte. Sie forderte die Ministerin um ihre Stellungnahme auf und fragte, ob ein Rücktritt fällig sei.

Raab: Zukunftsthema Frauengesundheit

Um die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern zu verringern, müsse man an unterschiedlichen Schrauben drehen, so Ministerin Raab. Es gehe darum, Rollenbilder aufzubrechen und Mädchen in naturwissenschaftliche und technische Berufe zu bringen. Einkommenstransparenz sei ebenso zentral, hier gebe es gute Projekte, etwa den Online-Gehaltsrechner. Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei sie mit Arbeitsministerin Aschbacher im Austausch. Das Ziel sei, dass mehr Männer in der Kinderbetreuung Verantwortung übernehmen.

Frauengesundheit sei ein absolutes Zukunftsthema, sagte die Ministerin zu Kucher. Viele Aspekte der Gender-Medizin kämen jetzt erst ins Bewusstsein, nicht nur, aber auch durch die Corona-Krise. Sie werde mit Gesundheitsminister Anschober weiter an diesem Thema arbeiten, so Raab. Sie wolle die Dynamik der Corona-Krise in Bezug auf Frauen in systemerhaltenden Berufen nutzen, um Verbesserungen zu erwirken, wenngleich Gehaltsverhandlungen Angelegenheiten der Sozialpartnerschaft seien. Generell wolle man niedrige Einkommen entlasten, sagte Raab in Richtung der Abgeordneten Disoski. Für eine Reform des Kindesunterhalts, die Mühlberghuber angesprochen hatte, sei sie im Austausch mit Justizministerin Zadić. Es gebe im Regierungsprogramm ein Bekenntnis für eine Modernisierung, Vereinfachung und Rechtssicherung im Kindesunterhaltsrecht. Die Gleichbehandlungskommission und die Bundes-Gleichbehandlungskommission haben durch die Corona-Krise keinen Anstieg der Zahl an Beschwerden verzeichnet, statt mündlicher Verhandlungen gebe es derzeit schriftliche Verfahren, sagte Raab zu Deckenbacher.

Zur Frage von Henrike Brandstötter sagte die Ministerin, die Aussage des Tiroler Landeshauptmannstellvertreters sei zu 100 Prozent zu verurteilen, es handle sich um eine sexistische Aussage. Sexismus habe in Österreich keinen Platz. Deshalb sei die erfolgte Entschuldigung absolut notwendig gewesen.

EU-Vorhabensbericht 2020 der Ministerin für Frauen und Integration

Ebenfalls auf der Tagesordnung stand die Vorschau über die Arbeitsprogramme der Kommission und des Rates für 2020 in den Bereichen Frauen und Integration, die Bundesministerin Raab dem Parlament zugeleitet hatte. Demnach habe die EU-Kommission eine europäische Strategie zur Geschlechtergleichstellung für das 1. Quartal 2020 und eine Strategie zur LGBTI-Gleichstellung im 4. Quartal 2020 geplant. Zudem sollen im 4. Quartal Vorschläge für bindende Maßnahmen zur Lohntransparenz vorgelegt werden. Darüber hinaus kündigte die Kommission die Erarbeitung eines Aktionsplans zur Integration und Inklusion an. Der Bericht wurde noch vor der aktuellen Corona-Krise erstellt.

Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) erkundigte sich nach dem aktuellen Stand der Vorhaben auf EU-Ebene, insbesondere zu einer für das 4. Quartal angekündigten LGBTI-Strategie. Außerdem thematisierte sie die ausgewogene Vertretung von Frauen in Verwaltungs- bzw. Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen und fragte, wie die Ministerin dies in Österreich vorantreiben wolle. Martina Diesner-Weiß (ÖVP) und Meri Disoski (Grüne) fragten ebenso wie Heinisch-Hosek nach dem aktuellen Stand betreffend den Beitritt zur Instanbul-Konvention, die sich der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt widmet.

Gleichstellungsagenden der Europäischen Kommission von Corona-Krise unbeeinflusst

Susanne Raab zeigte sich erfreut darüber, dass die Vorhaben der Europäischen Kommission im Bereich der Gleichstellung durch die Corona-Krise nicht betroffen seien und es auch zu keinen zeitlichen Verzögerungen komme. Das sei auch bei der für das 4. Quartal angekündigten LGBTI-Strategie der Fall.

In der Bekämpfung von häuslicher Gewalt sei ein Beitritt der EU zur Instanbul-Konvention prioritär. Die EU habe die Konvention zwar im Juni 2017 unterzeichnet, aber noch nicht abgeschlossen. Rechtliche und politische Probleme in einigen Mitgliedsstaaten stünden dem entgegen. Ein Beitritt werde von der Europäischen Kommission weiterhin angestrebt, parallel werden aber Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich der Kommission angekündigt, mit denen die Ziele der Istanbul-Konvention ebenso erreicht werden können, sollte der Beitritt weiter blockiert werden. Raab verwies in der Zuständigkeit auf das Außenministerium.

In Bezug auf die Frauenquote in Aufsichtsräten könne der Richtlinienvorschlag, der eine Quote von 40 % vorsieht, aus österreichischer Sicht mitgetragen werden, sagte Raab. Diese Vorgaben würden hierzulande ohnehin übererfüllt.

Der Bericht wurde im Gleichbehandlungsausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. (Schluss) kar