Gemeindeinvestitionspaket: Blümel beharrt bei Debatte im Nationalrat auf Datenschutz
SPÖ kritisiert mangelnde Transparenz
Wien (PK) – Die Weigerung von Finanzminister Gernot Blümel, die Namen jener Gemeinden bekannt zu geben, die Mittel aus der für Gemeinden zur Verfügung gestellten Investitionsmilliarde beantragt haben, hatte heute ein parlamentarisches Nachspiel. Die SPÖ verlangte im Nationalrat eine Debatte über die aus ihrer Sicht unzureichende Beantwortung einer schriftlichen Anfrage durch den Minister und forderte Blümel auf, die angefragten Daten nachzureichen. Dieser berief sich aber neuerlich auf den Datenschutz. Konzilianter zeigte sich Grün-Abgeordnete Elisabeth Götze, ihr zufolge soll die Frage nochmals geprüft werden.
Die SPÖ ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Berufung Blümels auf den Datenschutz nicht zulässig ist. "Das ist lächerlich", sagte Andreas Kollross und wies unter anderem darauf hin, dass auf der Website des Finanzministeriums eine Excel-Tabelle abrufbar ist, aus der hervorgeht, welche Summe welche Gemeinde 2017 aus Mitteln des Kommunalinvestitionsgesetzes erhalten hat. Zudem hat das Finanzministerium ihm zufolge den Vorarlberger Nachrichten sehr wohl Auskunft über aktuelle Förderungen gegeben. Da gelte der Datenschutz offenbar nicht, für Abgeordnete aber schon, zeigte sich Kollross empört und appellierte an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Blümel "die Leviten zu lesen". Zumal es nicht das erste Mal sei, dass dieser das Interpellationsrecht "mit den Füßen tritt". Auch SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger ist irritiert: Er wies darauf hin, dass die Gemeinden in ihren Rechnungsabschlüssen Förderungen des Bundes veröffentlichen müssten, "da kann es keinen Datenschutz geben".
Auch am Hilfspaket für die Gemeinden an sich übte die SPÖ massive Kritik. Es handle sich um einen "Rohrkrepierer", interpretierte Kollross die in der Anfragebeantwortung genannten Zahlen. Schließlich seien demnach nur 4% der bereitgestellten Mittel abgerufen worden. Die Gemeinden hätten in der Corona-Krise andere Probleme, als sich Investitionsprojekte zu überlegen, meinte Kollross, zumal sie 50% der Kosten selbst aufbringen müssten. Nach Meinung Stögers wäre es unbürokratischer und zweckmäßiger gewesen, jeder Gemeinde pro GemeindebürgerIn eine gewisse Summe zur Verfügung zu stellen, schließlich wüssten die BürgermeisterInnen am besten, wofür am dringendsten Geld benötigt werde.
Unbeeindruckt von der Kritik der SPÖ zeigte sich Finanzminister Gernot Blümel. "Was wir aus rechtlichen Gründen nicht sagen dürfen, können wir nicht sagen. Was wir bekannt geben dürfen, werden wir kommunizieren", hielt er fest. Laut Blümel würden nur dann keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen, wenn die Gemeinden einer Veröffentlichung von Detaildaten zustimmen. Es wäre seiner Ansicht nach aber rechtlich bedenklich, würde man die Vergabe von Zweckzuschüssen an eine Zustimmung zur Veröffentlichung knüpfen. Im Übrigen stehe es den Gemeinden frei, die erhaltenen Fördermittel selbst bekannt zu geben, meinte Blümel.
Grundsätzlich hielt der Finanzminister fest, dass sich die Bundesregierung der finanziellen Situation der Gemeinden bewusst sei. Wie alle anderen seien auch die Gemeinden Corona-bedingt mit erheblichen Einnahmenausfällen konfrontiert. Das sei auch der Grund für das Gemeindeinvestitionspaket gewesen.
Bis Anfang Oktober 90 Mio. € ausgezahlt
Ganz dürfte die Forderung der SPÖ nach mehr Transparenz aber nicht vom Tisch sein. Grün-Abgeordnete Elisabeth Götze sagte zu, sich die Sache noch einmal anzuschauen. Allerdings verwies sie auf Einschätzungen der Datenschutzbeauftragen des BMF und der Finanzprokuratur, die beide datenschutzrechtliche Bedenken geäußert hätten.
Die kritische Bewertung des Investitionspakets durch die SPÖ teilte Götze nicht. Die Gemeinden würden sich das Geld abholen, betonte sie. So seien bis Anfang Oktober bereits 90 Mio. € für 790 Projekte ausgezahlt worden. Viele Projekte seien zudem noch in der Pipeline, schließlich bräuchten gute Projekte Zeit.
Vor diesem Hintergrund begrüßten sowohl Götze als auch Manfred Hofinger (ÖVP), dass es nunmehr bis Ende nächsten Jahres möglich sein wird, Anträge auf Zweckzuschüsse zu stellen. Bis 2024 sollen die Projekte laut Hofinger dann abgerechnet werden müssen. Ihm zufolge wurden mittlerweile bereits 2.139 Anträge eingebracht und Förderungen in der Höhe von 256 Mio. € beantragt. Die Antragstellung funktioniere gut, bekräftigte er, viele Gemeinden hätten das Geld auch schon bekommen. Mit dem Investitionspaket würden nicht nur Einnahmenausfälle der Gemeinden kompensiert, sondern auch die Wirtschaft angekurbelt und Arbeitsplätze gesichert. Wenn es weitere Unterstützung braucht, werde es die auch geben, stellte Götze in Aussicht. Zur Frage der Transparenz merkte Hofinger an, auch juristische Personen hätten ein Anrecht auf Datenschutz.
FPÖ fordert weiteres Hilfspaket
Seitens der FPÖ machte Erwin Angerer geltend, dass es vielen Gemeinden angesichts der Einnahmenausfälle nicht möglich sein werde, die von ihnen bereitgestellte Infrastruktur – angefangen von Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Angebote zur Seniorenbetreuung über die Wasserversorgung bis hin zur Müllabfuhr – aufrechtzuerhalten. Wenn die Einnahmen des Staates in dem Ausmaß wie derzeit einbrechen, werde sich das nicht mehr ausgehen, meinte er. Dann werde der Bund einspringen müssen, es werde ein zusätzliches Hilfspaket brauchen.
Belustigt darüber, dass die SPÖ gerade Abgeordneten Kollross "vorschickt", um mangelnde Transparenz des Finanzministeriums zu beklagen, äußerte sich Karin Doppelbauer (NEOS). Angesichts der Tatsache, dass die Gemeinde Trumau, deren Bürgermeister Kollross ist, eine der intransparentesten Gemeinden Niederösterreichs sei, sei das "fast eine paradoxe Intervention", meinte sie. Doppelbauer bezog sich dabei auf den Umstand, dass sich Trumau, anders als die meisten niederösterreichischen Gemeinden weigere, die Gemeindegebarung "mit zwei einfachen Klicks" auf der Website www.offenerhaushalt.at offenzulegen.
An die Bundesregierung richtete Doppelbauer den Appell, endlich ihrer Verpflichtung nachzukommen und eine "wirklich transparente" Transparenzdatenbank zu schaffen. Jedes Jahr würden rund 20 Mrd. € "vollkommen intransparent vergeben", kritisierte sie und gab zu bedenken, dass Transparenz "die wichtigste Zutat" bei Korruptionsbekämpfung sei.
Großteil der bisher ausgezahlten Mittel fließt in Schulen und Kindergärten
Gemäß der Anfragebeantwortung Blümels haben 464 Gemeinden in den Monaten Juli und August 1.104 Anträge auf Zweckzuschüsse gestellt. 282 dieser Anträge waren bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung positiv abgewickelt und knapp 42 Mio. € ausbezahlt worden. Bei etlichen Anträgen waren laut Finanzministerium allerdings Verbesserungsaufträge nötig. Der mit Abstand größte Teil der bisher ausgezahlten Zweckzuschüsse wird in die Errichtung, Erweiterung, Instandhaltung und Sanierung von Kindergärten und Schulen fließen (41,93%), danach folgen Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungseinrichtungen (12,21%), die Sanierung von Gemeindestraßen (11,53%) sowie die Errichtung und Sanierung von Feuerwehren und anderen Gebäuden anerkannter Rettungsorganisationen (10,57%). (Fortsetzung Nationalrat) gs
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