Parlamentskorrespondenz Nr. 1406 vom 11.12.2020

Nationalrat: Mehr Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufe berechtigt, Corona-Tests und -Impfungen vorzunehmen

Erweiterte Befugnisse der Polizei bei Kontrolle der Corona-Auflagen, über 65-jährige erhalten FFP2-Masken per Post

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung hat der Nationalrat beschlossen, dass unter ärztlicher Aufsicht und Schulung künftig ein größerer Kreis des Gesundheits- und Sozialbetreuungspersonals Corona-Abstriche vornehmen kann. Zudem können RettungssanitäterInnen unter bestimmten Voraussetzungen für Corona-Impfungen eingesetzt werden. Weiters erhält die Polizei auf Ersuchen der Bezirksverwaltungsbehörden erweiterte Befugnisse bei der Kontrolle von Corona-Auflagen. Die Oppositionsparteien übten heftige Kritik an der im Vorfeld angedachten Erweiterung der Polizeibefugnisse auf den privaten Wohnraum. ÖVP und Grüne stellten den Schutz der eigenen vier Wände mit einem Abänderungsantrag klar. Durch einen weiteren Beschluss des Nationalrats erhalten Personen ab 65 Jahren nun zehn FFP2-Schutzmasken gratis per Post. Zwei Entschließungsanträge von SPÖ und FPÖ erhielten nicht die Stimmenmehrheit. Die SozialdemokratInnen forderten mehr Daten-Transparenz und die Kontrolle der Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen. Die FPÖ setzte sich für ein gesetzliches Verbot von "Zwangsimpfungen" und "Zwangstestungen" ein.

Personenkreis zur Durchführung von Corona-Tests- und -Impfungen wird ausgeweitet

Ein mehrheitlich beschlossener Initiativantrag von ÖVP und Grünen, mit dem das Epidemiegesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten und das Sanitätergesetz geändert wird, soll der verstärkten Corona-Teststrategie sowie der Impfstrategie der Bundesregierung Rechnung tragen. Die Angehörigen jener Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufe, die nicht ohnedies auf Grund ihres Berufsrechts bzw. ihrer Tätigkeitsberechtigung über eine entsprechende Befugnis verfügen, werden zur Abstrichnahme aus Nase und Rachen nach ärztlicher Anordnung, Aufsicht und Schulung ermächtigt. In Vorbereitung auf die Corona-Impfstrategie werden darüber hinaus RettungssanitäterInnen befugt, in "strukturierten Einrichtungen" wie Teststraßen Corona-Impfungen durchzuführen, sofern sie über mindestens 2.000 Stunden Berufserfahrung in den letzten fünf Jahren verfügen. Voraussetzung sind entsprechende Schulungen und eine ärztliche Aufsicht. Außerdem dürfen nur Erwachsene geimpft werden.

Ein von den Koalitionsparteien im Laufe der Debatte eingebrachter und mehrheitlich angenommener Abänderungsantrag sieht die Erhebung und Aufbewahrung von Kontaktdaten etwa für Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe oder für Kultur- und Freizeiteinrichtungen zur Verfolgung von Infektionsketten vor.

Zudem wurde ein eingebrachter NEOS-Entschließungsantrag, der regelmäßige Corona-Testungen in Alters-, Pflegeheimen, bei mobiler Pflege und bei Lehrpersonal einfordert, nicht angenommen.

Um zu gewährleisten, dass möglichst viele Menschen rasch geimpft werden können, brauche es eine große Anzahl von geschultem Impfpersonal, hielt Alexandra Tanda seitens der ÖVP fest. Die nun beschlossene Erweiterung des Personenkreises sei deshalb eine wichtige, aber bis Ende 2021 begrenzte Maßnahme. So könnten nun erfahrene SantitäterInnen nach einer ärztlichen Schulung in bestimmten Impfstraßen eingesetzt werden. Damit ist laut Tanda auch weiterhin eine qualitätsgesicherte Impfung in großem Umfang möglich.

Die Ausweitung auf SanitäterInnen sei zu begrüßen, so Dietmar Keck (SPÖ). Er verstehe aber nicht, warum weiterhin keine ApothekerInnen die Abstriche für Corona-Tests vornehmen dürften. Die mit dem Abänderungsantrag geplante Erhebung von Kontaktdaten sah Keck jedoch äußerst kritisch. Die Erhebung sei einerseits sehr aufwendig, andererseits erinnere ihn dies an die Methoden eines Polizeistaates.

Erweiterte Polizeibefugnisse zur Kontrolle von Corona-Auflagen

Neben den Bezirksverwaltungsbehörden wird künftig die Polizei die Einhaltung von Corona-Auflagen in "Betriebsstätten, Arbeitsorten, Verkehrsmitteln und bestimmten Orten" kontrollieren dürfen. Die dafür nötigen Änderungen im COVID-19-Maßnahmengesetz wurden mehrheitlich angenommen. ÖVP und Grüne brachten einen im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Epidemiegesetz stehenden Gesetzesantrag ein. Darin ist festgeschrieben, dass die Kontrolltätigkeit durch "Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" nur auf Ersuchen der Bezirksverwaltungsbehörden stattfinden kann. Mit einem ebenfalls mehrheitlich angenommenen Abänderungsantrag der Regierungsparteien, stellten ÖVP und Grüne fest, dass die Polizeibefugnisse nicht für den privaten Wohnraum gelten sollen. Zudem erhielt ein von der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag, der "die Beseitigung der realitätsfremden 50-Meter-Abstandshaltung von Betriebsstätten zur Konsumation von dort erworbenen Getränken und Speisen" einfordert, nicht die erforderliche Mehrheit.

Diese Kontrollmöglichkeit der Corona-Auflagen durch die Polizei stieß im Plenum auf heftige Kritik der Opposition. Vor allem ein im Vorfeld der Nationalratssitzung lancierter und schließlich zurückgezogener Abänderungsantrag der Regierungsparteien hätte die Kontrollen in Privatwohnungen ermöglicht, so die VertreterInnen von SPÖ, FPÖ und NEOS.

"Die Polizei darf nicht in den eigenen Wohnraum kommen", betonte Verena Nussbaum (SPÖ). Dies würde einen Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte bedeuten, da werde die SPÖ nicht zustimmen.

"Gott sei Dank hat die Regierung auf den Druck der Opposition reagiert, damit die Polizei nicht Nachschau in privaten Wohnräumen halten kann", hielt Gerhard Kaniak (FPÖ) fest. Die FPÖ werde sich immer gegen die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte einsetzen. Seine Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch sah das ähnlich. Nur auf Druck der Öffentlichkeit sei dieses Vorhaben zurückgezogen worden. "Wir erleben die Entwicklung hin zu einem Polizeistaat, das ist Metternich aber auch DDR 2.0 unter dem Deckmantel der Demokratie á la Kurz und Anschober", schloss Belakowitsch ihre Kritik an den Regierungsparteien.

In dasselbe Horn stieß NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Auch er ortete Entwicklungen hin zu einem Polizeistaat, "den wir sonst nur aus autoritären Staaten kennen". Er wies in diesem Zusammenhang auf den Ostererlass des Gesundheitsministers hin, der auch die Polizei zur Nachschau in den privaten Wohnraum befugt hätte. Sieben Monate später hätte es nun wieder einen Gesetzesantrag geben sollen, der dies ermöglicht hätte. Scherak fragte sich, "was man Anschober hier noch glauben soll" und unterstellte ÖVP und Grünen Kalkül hinter ihrem Vorgehen.

Ralph Schallmeiner (Grüne) versuchte, seitens der Regierungsparteien zu beruhigen. Es habe zwar den von der Opposition kritisierten Entwurf gegeben, es sei aber nicht beabsichtigt gewesen, die Polizeibefugnisse auf den privaten Wohnraum auszudehnen. Man habe dies auch umgehend bereinigt, so Schallmeiner weiter. Der nun eingebrachte Abänderungsantrag würde den Schutz des privaten Wohnraums sicherstellen.

Personen ab 65 Jahren erhalten FFP2-Schutzmasken

Zum Schutz der älteren Bevölkerung vor dem Coronavirus sollen alle Personen über 65 Jahre zehn FFP2-Schutzmasken gratis per Post erhalten. Ein entsprechender Initiativantrag der Regierungsparteien wurde im Nationalrat mehrheitlich beschlossen. Wesentliches Ziel dieser Maßnahme ist es, die besonders vulnerable Gruppe der Personen ab 65 Jahren in die Lage zu versetzen, sich bis zur voraussichtlichen Verfügbarkeit einer COVID-19-Impfung adäquat zu schützen. Ein in der Debatte eingebrachter SPÖ-Entschließungsantrag, der den Kostenersatz für die Gemeinden in Bezug auf die Massentests einfordert, fand keine Mehrheit im Plenum.

Die kostenlose Abgabe von Masken sei zwar grundsätzlich eine sinnvolle Maßnahme, hielt Verena Nussbaum seitens der SPÖ fest. Sie frage sich jedoch, warum dies über 8 Monate gedauert habe. Außerdem kritisierte Nussbaum, dass etwa Risikogruppen oder Menschen mit Behinderung keine FFP2-Masken erhalten würden. Ihr Fraktionskollege Dietmar Keck bemängelte das "Gießkannenprinzip" bei der Ausgabe der Masken. Hier gebe es keine soziale Staffelung, auch wohlhabende Personen würden die Masken erhalten.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) fragte sich, wer die Kosten für die Beschaffung der Masken trage und ob es eine "ordentliche Ausschreibung" dafür gegeben habe. Dass erst jetzt Masken seitens der Regierung zur Verfügung gestellt würden sei "keine Heldentat", sondern ein "Armutszeugnis", kritisierte FPÖ-Mandatar Gerhard Kaniak. Die Abgabe von zehn Masken sei "ein Tropfen auf den heißen Stein", die Regierung hätte schon längst ein gutes Abgabesystem in Apotheken und Arztpraxen etablieren können, so Kaniak.

Anders sahen das Elisabeth Pfurtscheller und Martina Diesner-Wais (beide ÖVP). Das Bereitstellen von Masken sei ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des Corona-Virus. Da vor allem die Altersgruppe der über 65-Jährigen besonders geschützt gehöre, hätten nun diese Personen die Möglichkeit, sich etwa beim Einkauf gut zu schützen. Pfurtscheller rief die Bevölkerung zum Tragen der Masken sowie zur Teilnahme an den Massentests auf. "In 10 bis 15 Minuten ist alles erledigt und es tut auch nicht weh." Mit der Teilnahme an den Testungen leiste man einen Beitrag zum eigenen Schutz  und zum Schutz anderer Menschen. Außerdem könne auf diese Weise ein Weihnachtsfest mit der Familie gewährleistet werden.

"Was Sie da machen, ist gefährlich", hielt Gerald Loacker (NEOS) zu Elisabeth Pfurtschellers Aussage fest, wonach man durch die Teilnahme an den Massentests ein sicheres Weihnachtsfest haben könne. Weihnachten sei erst in zwei Wochen, bis dahin könne man sich noch vielfach anstecken. Zudem bemängelte Loacker, dass die Masken zu überteuerten Preisen angekauft worden seien und ohne soziale Staffelung für alle Menschen über 65 Jahren bereitgestellt würden.

SPÖ fordert Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen

Die SPÖ beklagt Versäumnisse der Bundesregierung in der Bekämpfung der Corona-Pandemie, obwohl ExpertInnen vor der Verbreitung des Virus im Herbst und Winter gewarnt hätten. Deshalb müsse die Zeit des zweiten Lockdowns endlich dafür genützt werden, um auf eine langfristig wirksame Corona-Strategie umzustellen. Diese Strategie umfasst laut dem mehrheitlich abgelehnten SPÖ-Entschließungantrag die Installierung einer unabhängigen und damit weisungsfreien ExpertInnengruppe, die die geltenden Maßnahmen laufend evaluiert und dem Nationalrat wöchentlich berichtet. Dringend erforderlich sei es auch, die Datengrundlagen transparent aufzubereiten, damit für jeden ganz klar die Zusammenhänge zwischen den Fakten und den gesetzten Maßnahmen nachvollziehbar werden, ist dem Entschließungsantrag zu entnehmen.

FPÖ-Initiative gegen Corona-Zwangstestungen und –Zwangsimpfungen

Ebenfalls mehrheitlich abgelehnt wurde eine FPÖ-Initiative, die ein gesetzliches Verbot von "Zwangsimpfungen" und "Zwangstestungen" fordert. Auch für einzelne Berufsgruppen, Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen soll es demnach keine Impfpflicht geben dürfen. Im Impfschadengesetz will die FPÖ etwaige Schäden durch Corona-Impfungen ausdrücklich berücksichtigen. Begründet wird die Initiative von der FPÖ mit der Befürchtung, dass es auf Basis der geplanten Massentestungen zu Sanktionen für nicht getestete Menschen kommen könnte, wie etwa Quarantäneanordnungen. (Fortsetzung Nationalrat) med

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.