Parlamentskorrespondenz Nr. 91 vom 28.01.2021

Bundesrat: Anschober macht Umsetzung der Impfstrategie von Entscheidungen auf EU-Ebene abhängig

Gesundheitsminister will mittelfristig Corona-Testangebot in jeder Gemeinde ermöglichen

Wien (PK) – Heute und morgen werde sich auf europäischer Ebene entscheiden, ob Österreich an seiner geplanten Impfstrategie festhalten könne, erklärte Gesundheitsminister Rudolf Anschober in der heutigen Fragestunde des Bundesrats. Die Behauptungen von AstraZeneca, wonach es keine vertragliche Zusicherung für bestimmte Liefermengen des Impfstoffs an die EU gebe bzw. zu spät bestellt wurde, sei ganz entschieden zurückzuweisen. Auch wenn nun die erste Runde der in der Phase 1 vorgesehenen Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen weitgehend abgeschlossen werden konnte, hänge die weitere Vorgangsweise von der Zulassung des dritten Impfstoffs ab.

Weiters informierte der Minister darüber, dass die Ergebnisse der im Vorjahr implementierten Task-Force Pflege in den nächsten Tagen vorliegen sollen. Ein besonderes Anliegen sei ihm auch die Verbesserung der psychosozialen Versorgung, da es aufgrund des Fehlens kassenfinanzierter, klinisch-psychologischer Behandlungsmöglichkeiten in der Vergangenheit zu Versorgungslücken gekommen sei. Außerdem soll ein Beraterstab im Gesundheitsministerium etabliert werden, der sich insbesondere mit den negativen Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit befassen soll.

Anschober: Erste Impfrunde in den Alten- und Pflegeheimen weitgehend abgeschlossen

Von der kurz bevorstehenden Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde über die Zulassung des dritten Impfstoffs in der EU werde sehr viel abhängen, bekräftigte Anschober gegenüber Bundesrat Ingo Appé (SPÖ/K). Die von der Firma AstraZeneca angekündigte Reduktion der im August 2020 vertraglich zugesicherten Liefermengen für das erste und zweite Quartal stelle ganz Europa vor große Herausforderungen und habe zu massiven Unsicherheiten in Bezug auf die nationale Impfstrategie geführt. Man habe daher drei verschiedene Varianten für den Impfplan ausgearbeitet, wobei von unterschiedlichen Szenarien (Vollgenehmigung, Teilgenehmigung, Nicht-Einhaltung der Liefermengen) ausgegangen werde. Auf Basis der aktuell von den Herstellern angekündigten Mengen stünden Österreich bis Ende März 2021 knapp zwei Millionen Dosen zu Verfügung, womit knapp eine Million Menschen geimpft werden könnten. Es gebe jedenfalls ausreichend Kapazitäten, um die Verteilung des Impfstoffes sicherzustellen, wobei eine genaue Arbeitsteilung zwischen Bund und den Ländern festgeschrieben wurde.

In der Phase 1 werde vor allem in Alten- und Pflegeheimen, wo die erste Runde weitestgehend abgeschlossen sei, sowie im Gesundheitsbereich mit hohem Ansteckungsrisiko geimpft. Danach sollen sofort die über 80-Jährigen an die Reihe kommen, damit sie noch im ersten Quartal ausreichend vor COVID-19 geschützt sind. Ganz klar sei auch, dass gerade in einer Zeit der Knappheit Menschen mit gesundheitlichen Risiken höchste Priorität haben, versicherte Anschober Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP/N). Sehr weit fortgeschritten bei den Impfungen sei man auch bereits bei jenen 36.000 Personen, die direkt in COVID-Stationen oder in deren Umfeld arbeiten.

Das Gesundheitsministerium habe frühzeitig eine ausreichende Bevorratung des bis dato einzigen in der EU für die Behandlung von COVID-19-PatientInnen zugelassenen Medikaments Remdesivir sichergestellt und eine bedarfsgerechte Verteilung auf die Bundesländer organisiert, teilte Anschober Bundesrätin Michaela Schartel (FPÖ/St) mit. Gleichzeitig werde über die zuständige Fachabteilung der AGES eine laufende Bewertung der entsprechenden Angebote durchgeführt und ein kontinuierlicher Fachdialog mit den VertreterInnen der intensivmedizinischen Abteilungen sowie SpezialistInnen in diesem Bereich geführt. Generell setze sich die Regierung in der Frage der Arzneimittelversorgung dafür ein, dass österreichische Produktionen aufrechterhalten werden. Im Sommer 2020 wurde etwa ein Projekt zur Stärkung des Pharmastandortes Österreich initiiert. Auf europäischer Ebene arbeite man zudem gerade an einer neuen Arzneimittelstrategie, teilte der Ressortchef Bundesrätin Judith Ringer (ÖVP/O) mit.

Viel erwartet sich Anschober von dem von Bundesrat Adi Gross (Grüne/V) angesprochenen elektronischen Impfpass, weil er zu mehr Transparenz und Überblick über die Impfsituation beitragen werde. Seit Anfang Februar 2020 habe man dieses Projekt deutlich beschleunigt und für die niedergelassenen ÄrztInnen die entsprechende Software bereitgestellt. Bis Ende März sollen 100% der Impfungen im E-Impfpass registriert werden.

Anschober will mittelfristig in jeder Gemeinde ein Testangebot ermöglichen

Beim Themenkomplex Testen hob Gesundheitsminister Anschober in Beantwortung einer Frage von Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) erfreut hervor, dass es mittlerweile ein breites Angebot an Methoden gebe. Ein großer Fortschritt seien etwa die leicht anwendbaren Selbsttests, die nun an den Schulen verteilt werden und auch gut von Kindern benutzt werden können. Weiters werden in Abstimmung mit den Ländern die Teststraßen intensiv ausgebaut und die bundesweiten Screening-Programme um weitere Berufsgruppen ergänzt. Finanziell unterstützt werden zudem die Testungen vor Ort, also auf Betriebsebene, informierte er. Mittelfristig soll möglichst in jeder Gemeinde ein Testangebot geschaffen werden, lautet das erklärte Ziel des Ministers. Was den Bereich der mobilen Pflege anbelangt, so seien auch die MitarbeiterInnen dieses Bereichs von den seit Juni angebotenen Screening-Programmen umfasst.

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ/T) gegenüber führte Anschober aus, dass bezüglich der Beendigung des Lockdowns nicht nur die Zahl der Inzidenzen entscheidend sei, sondern immer das gesamte Lagebild bewertet werden müsse. Dazu gehöre etwa auch die Analyse der verschiedenen Mutationen des Erregers sowie dessen Ausbreitung in den einzelnen Regionen. Bei den Infektionszahlen wolle man unter den Wert von 1.000 pro Tag kommen; auch der Reproduktionsfaktor müsse deutlich unter 1 bleiben. Bereits am Montag gab es eine erste Diskussionsrunde mit ExpertInnen und VertreterInnen der Oppositionsparteien über die aktuelle Situation, merkte der Minister an, die Gespräche auf den verschiedenen Ebenen werden aber laufend fortgesetzt. 

Wichtige Fortschritte bei der Pflegereform und Qualitätszertifikate für Altenheime 

Gesundheitsminister Anschober stimmte mit Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP/B) darin überein, dass die Frage der Qualitätszertifizierung für Alten- und Pflegeheime in Österreich nicht losgelöst von der COVID-Pandemie betrachtet werden könne. Im Rahmen der Erarbeitung dieser Leitlinie werden neben der Prüfung von 30 konkreten Feldern, der Evaluierung der individuellen Bedürfnisse der BewohnerInnen  auch die Rahmenbedingungen für die MitarbeiterInnen in den Fokus gestellt. Dabei gehe es nicht nur um Strukturqualität (z.B. Personalschlüssel), sondern auch um Prozessqualität. Ebenso wie bei der Pflegereform gelte für ihn grundsätzlich das Prinzip, dass die jeweiligen Standards auf Augenhöhe gemeinsam mit den Bundesländern, Städten und Gemeinden Standards erarbeitet und realisiert werden sollen. Im Rahmen der dafür eingesetzten Task-Force wurden nicht nur sämtliche Themen des Regierungsprogramms erörtert, sondern auch weitere Maßnahmen unter Berücksichtigung der aktuellen Herausforderungen entwickelt, die im Sinne der Betroffenen zu einer Stärkung und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung beitragen sollen, informierte er die Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP/O). Ein Endbericht soll bereits in den nächsten Tagen präsentiert werden.

Aufgrund der schwierigen Personalsituation werde die Rekrutierung von zusätzlichen MitarbeiterInnen einen zentralen Eckpfeiler der Pflegereform darstellen, was mit den Arbeitsbedingungen und der Frage einer fairen Bezahlung im engen Zusammenhang stehe. Ein primäres Anliegen sei weiters die bessere Absicherung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen, wie etwa durch den Ausbau der wohnortnahen Beratung, die Optimierung des Case-Managements, die Einführung von einen oder mehreren pflegefreien Tagen oder die schrittweise Ausrollung von sogenannten Community Nurses. Bei der 24-Stunden-Betreuung setze man zudem auf Qualitätssicherung und auf ein Modell, das eine Betreuung in Österreich selbst ermöglichen soll. Ein weiteres Augenmerk lege man auf die "Young Carers", also Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die chronisch kranke Familienmitglieder betreuen. Laut aktuellen Studien gehe man von rund 42.000 Betroffenen aus, wobei das durchschnittliche Alter 12,5 Jahre betrage.

Ausbau der psychosozialen Versorgung wichtiger Arbeitsschwerpunkt des Ressorts

Zu zahlreichen Fragen bezüglich der psychosozialen Versorgung stellte Minister Anschober fest, gerade die aktuelle Krise habe deutlich gezeigt, dass diesem Bereich in Hinkunft ein noch größerer Stellenwert beigemessen werden müsse. Derzeit sei man mit der Gesundheitskasse in einem intensiven Dialog darüber, wie die Qualität der Leistungen weiter verbessert werden könne und wieviel Budget es dafür brauche. Weiteres benötige man neben legistischen Maßnahmen, um die klinisch-psychologischen Angebote als Pflichtleistung zu etablieren, auch eine Bereinigung bei den unterschiedlichen Tarifen sowie eine schrittweise Reform des Psychotherapiegesetzes, führte Anschober gegenüber den Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) und Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) aus. Was die Neugestaltung der Ausbildung angeht, so sei es das Ziel, bis spätestens Ende 2022 ein Psychotherapiestudium mit einem Bachelor- und Master-Abschluss zu etablieren.

Weitere Fragen zum Nationalen Aktionsplan Behinderung und zur Gesundheitsförderung

Gesundheitsminister Rudolf Anschober ging zudem auf den neuen Nationalen Aktionsplan Behinderung ein, den er als zentrales strategisches Schüsselelement bezeichnete, um in den verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Handlungsfeldern Fortschritte zu erzielen. Im Dezember habe es dazu einen Ministerratsbeschluss gegeben, der für ihn ein klares Commitment der gesamten Bundesregierung darstelle, bestätigte er gegenüber Bundesrätin Heike Eder (ÖVP/V). Der Schwerpunkt seines Hauses liege in der Partizipation, also der Einbeziehung von Menschen mit Behinderung und den diversen Organisationen in die Ausarbeitung konkreter Maßnahmen. Während der Pandemie habe man insbesondere die integrativen Betriebe, die rund 2.600 Personen beschäftigen, besonders unterstützt; dies soll auch in den nächsten Monaten fortgesetzt werden. Außerdem wurde ein spezielles Förderpaket zur Arbeitsplatzsicherung im Ausmaß von rund 8 Mio. € geschnürt. Im Jahr 2021 soll es zu einer weiteren Aufstockung der Projektförderungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung kommen, kündigte Anschober an. Außerdem soll die Berücksichtigung der Barrierefreiheit viel stärker als bisher als Voraussetzung für die Vergabe von öffentlichen Mitteln gelten.

Im Bereich der Gesundheitsförderung, zu der Bundesrat Martin Preineder (ÖVP/N) eine Frage stellte, werde man die von seinem Ressort unter Einbeziehung von Gesundheit Österreich und dem Fonds Gesundes Österreich entwickelte neue Initiative in Angriff nehmen. Als Schwerpunkte führte Anschober unter anderem den Bereich psychische Gesundheit, die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit, die Generationengesundheit und die Förderung des Public-Health-Sektors an. (Fortsetzung Bundesrat) sue

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