Parlamentskorrespondenz Nr. 336 vom 18.03.2021

EU-Unterausschuss befasst sich mit Sicherheit und Asyl

Nehammer wertet EU-Agenda zur Terrorismusbekämpfung positiv, Asylpaket teilweise problematisch

Wien (PK) – Sicherheit und Asyl standen heute auf der Agenda des Ständigen Unterausschusses in EU-Angelegenheiten. Konkret befassten sich die Abgeordneten mit der EU-Agenda zur Terrorismusbekämpfung, Neuerungen in der Europol-Verordnung sowie dem neuen Asyl- und Migrationspaket und richteten dazu Fragen an Innenminister Karl Nehammer. SPÖ und FPÖ hatten mit ihren Anträgen auf Stellungnahme zum geplanten Asylpaket keinen Erfolg.

EU-Agenda zur Terrorismusbekämpfung

Der europäische Rahmen zur Terrorismusbekämpfung soll strategisch verbessert und ausgebaut werden. Die EU-Agenda soll laut der entsprechenden Kommissionsmitteilung auf vier Säulen - Antizipation, Prävention, Schutz und Reaktion – gestellt werden und unter anderem Maßnahmen zur Sicherheitsforschung, zur Stärkung des Austauschs zwischen den Ländern und der Resilienz kritischer Infrastruktur beinhalten. Österreich wertet dies positiv, insbesondere den Informationsaustausch mit relevanten Drittstaaten über Europol. Die angestrebte internationale Zusammenarbeit mit der Westbalkan-Region sei für den Bereich Radikalisierungsprävention, die Unterbindung von Terrorismusfinanzierung und die Bekämpfung von illegaler Verbreitung von Schusswaffen maßgeblich.

Innenminister Karl Nehammer betonte, dass es bei diesem ernsthaften Thema intensive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene gebe, von der auch Österreich im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien profitiert habe. Es gebe mehrere Initiativen für eine stärkere Vernetzung. Österreich habe insbesondere beim Kampf gegen Extremismus eine Vorreiterrolle übernommen.

Martin Engelberg (ÖVP) bezeichnete es als wichtig, dass das Thema Terrorismusbekämpfung auf EU-Ebene in Angriff genommen werde, zumal es eine der zentralen Herausforderungen für die Europäische Union sei. Der gewählte Ansatz sei mit den vier Säulen "antizipieren, verhindern, schützen und regieren" holistisch, so Engelberg. Auch Nehammer zufolge handle es sich um ein umfassendes Paket. Auf die Frage von Karl Mahrer (ÖVP) nach der Kooperation mit Drittstaaten führte der Innenminister ein Abkommen mit Tunesien für die Ausbildung von GrenzschutzpolizistInnen als sehr relevant an.

Agnes Sirkka Prammer (Grüne) strich das Management von Wissen als wesentlichen Teil der Bekämpfung von Terrorismus heraus und begrüßte vor diesem Hintergrund das in der EU-Agenda vorgeschlagene EU-Wissenszentrum. Auch Stephanie Krisper (NEOS) drückte Unterstützung für die EU-Agenda aus. Im Bereich der Prävention werde momentan zu wenig getan. Sie hoffe, dass im Sinne des EU-Vorschlags auch in Österreich in Zukunft mehr in Prävention investiert werde. Reinhold Einwallner (SPÖ) äußerte dieselbe Ansicht. Er unterstütze alle vier vorgesehenen Aspekte. Der Bereich der Prävention komme in Österreich auch bei den von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen aber zu kurz. Innenminister Nehammer setzte dem entgegen, dass nicht nur strafrechtliche Maßnahmen geplant seien, sondern etwa auch ein Ausbau der Deradikalisierungsprogramme. Hannes Amesbauer (FPÖ) fand den Plan der Europäischen Union grundsätzlich gut, er komme aber verspätet. Amesbauer fragte nach einer Präzisierung, was unter dem vierten Aspekt "reagieren" zu verstehen sei. In diesem Zusammenhang begrüßte der Innenminister den Vorschlag für ein Mandat für die Aushandlung eines Kooperationsabkommen der EU mit Interpol. Zudem gehe es um Maßnahmen, um die Situation von Terrorismusopfern zu verbessern.

Nehammer zu Europol: Organisierte Kriminalität kann nur multinational bekämpft werden

Zur verbesserten Kooperation überarbeitetet werden sollen einige Artikel der Europol-Verordnung, damit die Strafverfolgung - auf dem neuesten Stand der Technik - auf künftige Gefahren besser reagieren kann. Europol soll etwa eine gestaltende Rolle im Bereich Forschung und Innovation einnehmen und künftig Daten aus seinem Kompetenzbereich in das Schengener Informationssystem (SIS) eintragen können. Die Weiterentwicklung der Europol durch die Stärkung der Kernaufgaben ist aus Sicht des Innenressorts der richtige Ansatz, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. So erfordere etwa die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität die effektive Vernetzung von kriminalpolizeilichen Informationen. Auch die geplante verbesserte Zusammenarbeit mit dem Privatsektor im Rahmen datenschutzrechtlicher Standards und die Sicherstellung der Kompetenz zur Analyse großer Datenmengen ("Big Data") für die Bekämpfung von Online-Kriminalität seien wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Nehammer bezeichnete sich als "großen Fan von Europol", weil organisierte Kriminalität keine Grenzen kenne und daher nur multinational effizient bekämpft werden könne. Die Grundlage, etwa bei der Analyse von großen Datenmengen, sei immer die DSGVO, stellte er klar.

Karl Mahrer (ÖVP) wollte wissen, ob das neue Mandat auch Fortschritte im Kampf gegen internationalen Terrorismus bringen werde. Nehammer zeigte sich überzeugt, dass es hier die Kooperation mit privaten Firmen brauche, insbesondere, wenn es darum gehe, Terrorpropaganda in sozialen Netzwerken aufzuspüren. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) unterstrich, dass die Wahrung von datenschutzrechtlichen Grundsätzen und von Grundrechten in diesem Zusammenhang sehr wichtig sei.

Auch Katharina Kucharowits (SPÖ) wollte mehr über diesen Aspekt wissen und fragte nach der Gefahr einer "Generalüberwachung". Petra Steger (FPÖ) betonte ebenfalls, dass die Privatsphäre von unbescholtenen BürgerInnen gewahrt werden müsse. Nehammer betonte, dass es derzeit keine rechtliche Grundlage für das Einsehen in Nachrichten aus verschlüsselten Diensten gebe. Es handle sich hier immer um eine Abwägung des Grundrechts auf Privatsphäre mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Neues Asyl- und Migrationspaket für Österreich in vielen Teilen problematisch

Die Europäische Kommission plant einen Neustart zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, womit etwa die Dublin-Regelung durch eine neue Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung ersetzt werden soll. Mit der Schaffung eines solchen gemeinsamen Regelwerks zur Migrationssteuerung wird das Ziel verfolgt, die Zuständigkeitsregeln für das Ersteinreisekriterium – also die Vorschriften zur Bestimmung des Landes zu straffen, das für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Zudem schlägt die Kommission einen Solidaritätsmechanismus vor, indem besonders belastete Mitgliedstaaten durch Verteilung oder die Übernahme von Rückkehrpatenschaften sowie durch andere Solidaritätsbeiträge unterstützt werden sollen, was seitens Österreichs in der vorgeschlagenen Form abgelehnt wird. Besonders der gemäß eines weiteren Verordnungsvorschlags geplante Fokus auf Umsiedlung ("Relocation") wird im Innenressort als ungeeignet wahrgenommen. Die Mitgliedstaaten sollten eher selbst über entsprechende Maßnahmen und alternative Formen der Solidarität entscheiden können, etwa durch verstärktes Engagement in den Drittstaaten.

Teil des neuen Asyl- und Migrationspakets ist ferner ein Änderungsvorschlag zur weiteren Harmonisierung der Asylverfahren und der derzeit unterschiedlichen Verfahrensregelungen in den Mitgliedstaaten. Österreich begrüßt die damit vorgesehene Stärkung des Konzepts der verpflichtenden Außengrenzverfahren, das vorgelagerte Screening-Verfahren und die stärkere Verknüpfung zwischen Asyl- und Rückkehrverfahren. Allerdings wird die Vielzahl an Ausnahmetatbeständen kritisch gesehen, die dazu führen, dass das Grenzverfahren entweder nicht zur Anwendung kommt oder jederzeit abgebrochen werden kann. Diese umfassenden Ausnahmen könnten den Mehrwert der Bestimmungen untergraben, so die Ressorteinschätzung. Generell müsse gewährleistet werden, dass die gemeinsamen Regeln eingehalten werden und den EU-Agenturen eine starke Rolle bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten sowie im Bereich Monitoring zukommt.

Österreich begrüße einige der Vorschläge, aber nicht alle, legte der Innenminister dar. Die Bekämpfung von irregulärer Migration auf den Migrationsrouten und die Hilfe vor Ort strich er als positiv heraus. Die Frage einer verpflichtenden Verteilung etwa halte er aber für nicht zweckmäßig. Weil Österreich eines der meistbelasteten Länder der EU sei, habe man intensiv Verbündete gesucht, um das Thema voranzutreiben. Die Bestrebungen der Mitgliedstaaten, sich bei den Rückführungen zu vereinen, bildeten einen wichtigen Schritt.

Intensive Diskussion zu Asyl und Migration

Der ÖVP-Abgeordnete Ernst Gödl legte ebenfalls dar, dass der geplante Pakt nicht in allen Punkten den Vorstellungen der Fraktion entspreche. Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, der verstärkte Außengrenzschutz und die Rückkehrprogramme seien jedoch positiv. Insgesamt begrüße man die Diskussion über das Thema auf EU-Ebene ausdrücklich. Michel Reimon (Grüne) zeigte sich angesichts der sehr unterschiedlichen Positionen der einzelnen Staaten skeptisch, dass der Pakt in absehbarer Zeit geschlossen werden könne. Er erkundigte sich nach Kooperationen des Innen- mit dem Außenministerium. Diese gebe es, erläuterte Innenminister Nehammer. Das einzig sinnvolle Modell, um irreguläre Migration zu verhindern, sei es schließlich, Abkommen mit den Herkunftsstaaten und sicheren Drittstaaten zu schließen.

Hannes Amesbauer und Petra Steger (beide FPÖ) äußerten sich ablehnend zum Vorschlag. Der vorgesehene "Solidaritätsmechanismus" sei nichts anderes als eine Zwangsverteilung von illegalen MigrantInnen, so Amesbauer. Steger fand es bedauerlich, dass es um die Frage der Verteilung von Flüchtlingen gehe und nicht um die Frage der Verhinderung von illegaler Migration. Nach weiteren Kritikpunkten gefragt, führte der Innenminister den vorgesehenen Krisenmechanismus als Knackpunkt an. Es sei jedoch sehr positiv, das die Kommission bereit für Gespräche sei, so Nehammer. Steger zeigte sich anderer Hinsicht. Sie brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, mit dem sie den Innenminister unter anderem auffordern wollte, sich gegen den Verordnungsvorschlag auszusprechen, jeglichen Zwang zur Aufnahme von MigrantInnen abzulehnen und für die Beibehaltung der nationalen Souveränität im Asylwesen einzusetzen. Der Antrag fand keine Zustimmung der anderen Fraktionen.

In eine gänzlich andere Richtung gingen die Forderungen der SozialdemokratInnen. Die SPÖ-Abgeordnete im Europäischen Parlament Bettina Vollath sprach sich für eine dringende Reform des Systems aus. Das jetzige sei schließlich gescheitert. Sie betrachte das Konzept der sicheren Drittstaaten sehr kritisch und befürchte eine Absenkung der Anforderungen für einen solchen sicheren Staat. Zudem dürfe das Grundrecht auf ein faires Verfahren nicht unterlaufen werden. Vollath und ihre Parteikollegin Katharina Kucharowits sowie die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper thematisierten zudem die Lage der Kinder in den Flüchtlingslagern in Griechenland und forderten den Innenminister zum Handeln auf. Diese Problematik löse sich nicht, indem man einzelne Kinder aufnehme, so Nehammer. Österreich habe sofort Hilfe vor Ort geleistet, wenngleich es beim effizienten Einsatz dieser Hilfe Luft nach oben gebe. Schnellere Verfahren würden nicht per se zu einem Qualitätsverlust führen, sagte der Minister zu Vollath. Zudem sei ein starker Grenzschutz nicht das einzig Wahre. Entscheidend wäre, wenn sich die Menschen gar nicht erst auf den Weg machten. Deshalb seien Verhandlungen mit sicheren Drittstaaten so wichtig, wie Nehammer ausführte.

Kucharowits brachte zudem einen Antrag auf Stellungnahme ein. Sie wollte den Innenminister auffordern, sich auf allen Ebenen für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten und eine Evakuierung aus den sogenannten "Elendslagern" einzusetzen. Außerdem solle er die offiziellen Frontex-Untersuchungen unterstützen, um etwaige Grundrechtsverletzungen aufzuklären, und er solle Grundrechtsverletzungen an den Grenzen, wie illegale Pushbacks, verurteilen. Im Rahmen der Verhandlungen über das Asyl- und Migrationspaket solle sich der Innenminister zudem dafür einsetzen, dass ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit einheitlichen Asylverfahren entsteht. Stephanie Krisper (NEOS) äußerte sich unterstützend. Es sei wichtig, dass sich Österreich für ein solidarisches neues System nach Dublin einsetze. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit. (Schluss EU-Unterausschuss) kar