Parlamentskorrespondenz Nr. 839 vom 05.07.2021

Forschungsausschuss debattiert über die Forschungsausgaben und Innovationskraft Österreichs

Anträge der Opposition zur FTI-Strategie vertagt oder abgelehnt

Wien (PK) – Der Forschungs- und Technologiebericht 2021 bot dem Forschungsausschuss heute Gelegenheit, Zwischenbilanz über die Anstrengungen Österreichs, in die Gruppe der Innovation Leader vorzustoßen, zu ziehen. Österreichs Forschungsausgaben sind laut dem Bericht auch in der Krise 2020 hoch geblieben, nicht zuletzt dank der Anstrengungen der öffentlichen Hand. Weiterhin besteht laut den ExpertInnen für Österreich die Herausforderung, den Mitteleinsatz entsprechend in innovative Anwendungen und Produkte umzusetzen. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und wird auch im Nationalratsplenum behandelt.

Im Zusammenhang mit der FTI-Strategie behandelte der Ausschuss auch Forderungen der Opposition. Vertagt wurde der SPÖ-Antrag zur freien Wahl der Endgeräte beim Internetzugang. Die Forderung nach Schaffung eines Kursangebots zur Förderung von digitaler Medienkompetenz fand keine Mehrheit. Abgelehnt wurden auch die NEOS-Forderung, die FTI-Strategie um einen Bildungsschwerpunkt zu ergänzen und bei der Förderung von Forschungsprojekten zumindest 25% an Overhead-Kosten einzuberechnen.

Auch in der Krise hohe Forschungsquote in Österreich

Der jährliche Forschungs- und Technologiebericht gibt einen Überblick über die Lage und Bedürfnisse von Forschung, Technologie und Innovation in Österreich. Der Forschungsausschuss befasste sich heute mit dem Bericht für 2021, der von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gemeinsam vorgelegt wurde. Seine Schwerpunkte sind die COVID-19-Forschung sowie die klimarelevante Forschung in Österreich (III-329 d.B.). Die Präsentation des Berichts im Ausschuss erfolgte durch die Mitglieder des AutorInnenkollektivs Brigitte Ecker vom Forschungsinstitut Wirtschaftspolitisches Zentrum Research (WPZ) und Klaus Schuch vom Zentrum für Soziale Innovationen (ZSI).

Aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage durch die COVID-19-Pandemie wurde für 2021 noch keine Globalschätzung der F&E-Ausgaben abgegeben, teilte Ecker den Abgeordneten mit. Für 2020 betrugen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) in Österreich insgesamt 12,14 Mrd. € und lagen damit trotz COVID-19-Krise nur 1,6% unter dem Wert von 2019 (12,34 Mrd. €). Die geschätzte Forschungsquote (Anteil der Bruttoinlandsausgaben für F&E gemessen am Bruttoinlandsprodukt) betrug damit 2020 3,23%, was einen Anstieg gegenüber 2019 (3,10%) bedeutet. Wesentlich ist laut Ecker, dass diese Forschungsausgaben auch sehr deutlich wirken. 28% des österreichischen Wirtschaftswachstums können klar auf die Wirkungen des Innovationssystems zurückgeführt werden, unterstrich die Expertin.

Der Vorstoß ins Feld der Innovationsspitze sei Österreich bisher noch nicht gelungen, man halte aber seit einiger Zeit einen führenden Platz in der Verfolgergruppe, den Strong Innovators, hielt Ecker fest. Gemessen an Parametern wie der internationalen Patentanmeldungen oder der Zitationsrate liegt Österreich in einem guten oberen Mittelfeld. Bei globalen Innovationsrankings, welche im Rahmen der neuen FTI-Strategie 2030 als zentrale Messinstrumente herangezogen werden, hat Österreich deutlich aufholen können und belegt nun Plätze im vorderen Mittelfeld (Platz 19 im Global Innovation Index und Platz 8 beim European Innovation Scoreboard, EIS).

Instrumente der Steuerung der Anstrengungen im FTI-Bereich sind die Ende 2020 verabschiedete Strategie der Bundesregierung für Forschung, Technologie und Innovation 2030 (FTI-Strategie 2030) sowie das Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG), mittels welchem die Bundesregierung im Drei-Jahres-Abstand einen Pakt für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Pakt) beschließt. Der vorliegende Forschungs- und Technologiebericht 2021 kommt der Vorgabe des Pakts nach einem regelmäßigen Monitoring nach und bewertet die Performance der zehn wichtigsten Forschungs- und Forschungsfördereinrichtungen, die Teil des FTI-Pakts sind. Das Monitoring werde in den nächsten Jahren noch weiterentwickelt, kündigte Ecker an.

Klaus Schuch präsentierte die Schwerpunkte der Forschungsanstrengungen des vergangenen Jahres. Zu bemerken sei, dass der Anteil der Unternehmen an den Forschungsausgaben aufgrund des veränderten Umfelds in der Pandemie leicht zurückgegangen sei. Sie hatten mit 41,4% weiter den größten Anteil der F&E-Ausgaben. 33,5% trage die Finanzierung der öffentlichen Hand bei. Aus dem Ausland sei 16,5% der Finanzierung gekommen. Der Anteil aus der Forschungsprämie lag bei 8,6%. Die COVID-19-Pandemie habe die internationale Forschungs- und Technologiepolitik vor eine große Herausforderung gestellt und ForscherInnen über Disziplinen und Ländergrenzen hinweg mobilisiert. Die Fördergeber hätten im Allgemeinen rasch reagiert. Von den fünf größten Fördergebern wurden 114 Projekte in 25 Schwerpunkten mit einem Gesamtvolumen von 80,4 Mio. € gefördert, führte der Experte aus.

Die klimarelevante Forschung habe mit der Einrichtung des Klima- und Energiefonds deutlich Auftrieb erhalten, konstatierte Schuch. Somit wurden seit seiner Gründung 2007 144.000 Projekte mit mehr als 1,5 Mrd. € gefördert. Die Schwerpunkte liegen dabei in "Mitigation" und "Adaption. Die Forschung in diesem Bereich ist laut Schuch sowohl in der FTI Strategie 2030 wie im FTI-Pakt 2021-2023 verankert. Klare Erfolge habe Österreich zudem bei der Einwerbung von Mittel aus dem unterdessen abgeschlossenen achten Europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 erzielt, betonte der Experte. Mit der Gesamtsumme der Bewilligungen bei 1,78 Mrd. € und einer Erfolgsquote von 17,6% auf Ebene der Beteiligungen lag Österreich an dritter Stelle unter den EU-Mitgliedstaaten.

Abgeordnete sehen positive Entwicklungen, aber auch offene Fragen

Maria Theresia Niss (ÖVP) sprach von einem grundsätzlich ermutigenden Bericht, der aufzeige, wie wichtig eine stabile öffentliche Forschungsfinanzierung ist. Der Anteil der Forschungsprämie, die allen offenstehe, auch den für Österreich besonders relevanten KMU, zeige, dass sie ein wichtiges Instrument der Forschungsfinanzierung sei. ÖVP-Mandatar Peter Weidinger ergänzte, die Wirtschaft sei gerade im Bereich der Klima- und Umweltforschung Teil der Lösung. Die Formulierung der FTI-Strategie sah er als wichtigen Meilenstein der weiteren Anstrengungen Österreichs, an die Spitze der innovativen Staaten zu kommen.

Eva Blimlinger (Grüne) meinte, die Tatsache, dass der Anteil der Unternehmen an der Finanzierung von Forschung und Entwicklung gesunken sei, zeige auf, dass man diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit schenken müsse. Um die tatsächliche Wirkung der Forschungsprämie abschätzen zu können, wäre allerdings eine Evaluierung unbedingt notwendig, meinte die Abgeordnete. Der Begriff der Innovation sollte zudem weiter gefasst werden und auch künstlerische Innovationen abbilden, meinte Blimlinger.

SPÖ-Abgeordnete Petra Oberrauner merkte an, Österreich stagniere seit einigen Jahren im guten Mittelfeld. Der FTI-Rat weise auf einige Schwächen des österreichischen Innovationssystems hin und gebe klare Empfehlungen ab. Oberrauner drängte auf die rasche Einrichtung des geplanten Forschungsfonds Zukunft Österreich, die trotz des Auslaufens der Dotierung der aktuellen Forschungsförderungsfonds noch immer offen sei. Planungs- und Finanzierungssicherheit seien für Fördergeber- und Fördernehmer wichtig.

Die stabile F&E-Finanzierung der öffentlichen Hand bietet für Gerhard Deimek (FPÖ) eine gute Grundlage der Entwicklung des Innovationssystems. Allerdings müsse man überlegen, wie die Innovationsfreude der Unternehmen auch in der Krise aufrechterhalten werden könne. Das Ranking zeige, dass Österreich weitere Anstrengungen machen müsse, um zur Spitzengruppe der Innovation Leader aufzuschließen. Der Mitteleinsatz schlage sich zudem nicht immer in entsprechenden Ergebnissen nieder.

Martina Künsberg Sarre (NEOS) zeigte sich ebenfalls nicht gänzlich zufrieden mit dem Verhältnis der eingesetzten Mittel zum erzielten Ergebnis, mit dem Österreich nach wie vor nur im Mittelfeld liegt. Sie meinte ebenfalls, eine Einigung über die Ausstattung des Fonds Zukunft Österreich sei überfällig.

MinisterInnen sehen Verbesserungen der österreichischen Position

Für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bestehen trotz guter Ausgangslage noch eine Reihe von Herausforderungen, etwa bei Digitalisierung und der Breitband-Infrastruktur sowie beim Klimaschutz. In der Klima- und Umweltforschung müsse ein Forschungsschwerpunkt quer über alle Fördergeber hinweg gebildet werden, meinte die Ministerin. Einiges sei aber bereits geschehen, sagte Gewessler unter Verwies auf die FTI-Initiative "Kreislaufwirtschaft". Österreich verfüge zudem in einigen Bereichen, wie Biomasse oder Gebäudetechnik, über hochinnovative Unternehmen.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck betonte den Schulterschluss von öffentlicher Hand und Unternehmen, der Österreich bei der Forschungsfinanzierung auszeichne. Aus ihrer Sicht hat sich die Forschungsprämie hier bewährt und zu einem eindeutigen Standortvorteil entwickelt. Wichtig sei, dass diese technologieoffen angelegt sei, was bedeute, dass die Unternehmen selbst entscheiden, in welchen Bereichen sie Grundlagenforschung für notwendig halten. Die Pandemie habe aufgezeigt, wie wichtig etwa die Life Sciences seien. Im Digitalisierungsbereich sei Österreich trotz kleiner Schwächen insgesamt gut aufgestellt, merkte sie zu Kritik an. Internationale Rankings würden Länder mit sehr verschiedenen Voraussetzungen vergleichen, wenn es um Digitalisierung und Internetnutzung gehe, gab Schramböck zu bedenken.

Eine Kontextualisierung der Aussagen internationaler Rankings, vor allem des EIS, ist auch Wissenschaftsminister Heinz Faßmann ein Anliegen. Seiner Meinung nach bilden die dort angewandten Messkriterien nicht alle Aspekte der Innovationskraft eines Landes ab. Was das kritisierte Stagnieren Österreichs im Mittelfeld betreffe, so sei auch hier eine differenzierte Sicht notwendig. Österreich habe in einigen Bereichen Plätze gutgemacht. Der Erfolg der Teilnahme an den EU-Forschungsprogrammen zeige, dass die Strategie Österreichs, nur mit sehr gut vorbereiteten Projektanträgen anzutreten, richtig sei und beibehalten werden sollte. Was den Fonds Zukunft Österreich betreffe, so könne er bestätigen, dass intensiv dazu verhandelt werde.

SPÖ fordert freie Endgerätewahl beim Internetzugang

SPÖ-Abgeordnete Petra Oberrauner kritisiert, dass in Österreich noch immer das Modem bzw. der Router als Teil des Providernetzwerkes gesehen wird. Das Telekommunikationsgesetz solle festlegen, dass die Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze den EndnutzerInnen bei der Nutzung von Telekommunikationsendeinrichtungen das Gerät zu Anschluss und Nutzung nicht zwingend vorschreiben dürfen (1730/A(E)). Carina Reiter (ÖVP) und Süleyman Zorba (Grüne) wiesen darauf hin, dass eine Gesetzesnovelle, die eine solche Wahlmöglichkeit der NutzerInnen vorsehe, bereits in Begutachtung ist. Der Antrag wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

SPÖ: Kursangebot für digitale Medienkompetenz schaffen

SPÖ-Abgeordnete Nurten Yılmaz sprach sich für den Antrag ihrer Fraktion mit der Forderung nach einem flächendeckenden, niederschwelligen und barrierefreien Kursangebot zum Thema "Digitale Medienkompetenz" aus (1637/A(E)). In der Bevölkerung gebe es noch Bedarf an digitalen Kenntnissen, das habe die Pandemie deutlich gemacht. Süleyman Zorba (Grüne) und Corinna Scharzenberger (ÖVP) verwiesen, ebenso wie Wirtschaftsministerin Schramböck, auf ein bereits breites Angebot an Kursen zu digitaler Kompetenz, das laufend erweitert werde. Der Antrag wurde nur von den Oppositionsfraktionen unterstützt und blieb damit in der Minderheit.

NEOS fordern vom Bund stärkere Übernahme von Overhead-Kosten von Forschungsprojekten

Laut NEOS-Abgeordneter Martina Künsberg Sarre werden bei FWF-Forschungsprojekten nur 8% der Fördersumme als Overhead-Kosten aufgeschlagen. In den Forschungsrahmenprogrammen der EU sei längst ein Overhead von 25% üblich. Die Forderung ihrer Fraktion, dass die für die FTI-Strategie zuständigen MinisterInnen in den Finanzierungsvereinbarungen zu Forschungsprojekten eine 25%-Finanzierung von Gemein- bzw. Overhead-Kosten vorsehen sollten, (1608/A(E)), wurde von Maximilian Köllner (SPÖ) und Gerhard Deimek (FPÖ) unterstützt. Josef Smolle (ÖVP) und Eva Blimlinger (Grüne) konnten den Vorteil einer solchen Regelung nicht erkennen. Der Antrag fand mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und NEOS keine Mehrheit.

NEOS für deutlichen Bildungsfokus der FTI-Strategie 2030

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung weise darauf hin, dass die FTI-Strategie 2030 einen stärken Schwerpunkt auf dem Bildungsbereich legen müsse, sagte NEOS-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. Die BundesministerInnen, die die FTI-Strategie verantworten, sollten daher den Bereich Bildung als zentrale Säule in den Zielsetzungen und Maßnahmen der FTI-Strategie 2030 verankern und in den FTI-Pakten mit den großen Forschungseinrichtungen zu berücksichtigen (1719/A(E)). Der Antrag wurde nur von den NEOS unterstützt und damit mehrheitlich abgelehnt. (Schluss Forschungsausschuss) sox