Parlamentskorrespondenz Nr. 878 vom 09.07.2021

Bilanz des Nationalrats 2020/21: Eine Tagung unter dem Vorzeichen von COVID-19 und der Digitalisierung

Aktivitäten und Veranstaltungen abseits der Gesetzgebung

Wien (PK) – Als Haus der Demokratie ist das österreichische Parlament nicht nur der Sitz der Gesetzgebung, sondern auch ein Ort der Wissensvermittlung, der Information und des Diskurses zu demokratiepolitischen Fragen und der Pflege internationaler Beziehungen. In allen Bereichen wirkten sich im vergangenen Parlamentsjahr von Anfang September 2020 bis Anfang Juli 2021 die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie deutlich aus. Die vielfältigen Tätigkeiten des Hohen Hauses mussten entsprechend adaptiert und neue Angebote geschaffen werden. Das Internet-Angebot des Parlaments war bereits in der ersten Phase des Lockdowns stark ausgeweitet worden. Im vergangenen Parlamentsjahr wurde das digitale und audivisuelle Angebot des Hohen Hauses noch weiter ausgebaut.

Parlamentssanierung hat weitere wichtige Bauetappen erreicht

Seit Herbst 2020 wurden bei der Sanierung des historischen Parlamentsgebäudes einige wichtige Bauetappen erreicht. Meilensteine waren etwa die neu errichtete Glaskuppel mit dem Besucherrundgang, die architektonisch ein Zeichen für die Transparenz der parlamentarischen Abläufe setzen. Bei allen Arbeiten wird darauf geachtet, dass das historische Erscheinungsbild des Gebäudes möglichst nicht beeinträchtigt wird, was große Herausforderungen bedeutet. Unterdessen sind wichtige Teile der historischen Ausstattung restauriert worden, wie die großen Radluster und der Figurenschmuck. Die Fassade wird einer gründlichen Reinigung unterzogen.

Neue Wege in der Pflege internationaler parlamentarischer Beziehungen

Die Pflege des internationalen Austausches ist Teil der Tätigkeit der ParlamentarierInnen. Die Treffen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und österreichischen ParlamentarierInnen mit VertreterInnen anderer Parlamenten und internationaler Organisationen fanden pandemiebedingt zu einem überwiegenden Teil virtuell statt.

Im Herbst 2020 konnte Nationalratspräsident Sobotka in Wien mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj zusammentreffen. Erst mit Frühjahr 2021 kam der internationale Besuchsaustausch wieder in Gang. Zu den PolitikerInnen, die bei ihren Wienbesuchen auch das Hohe Haus besuchten, gehörten der Schweizer Bundespräsident Guy Parmelin, der Präsident der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments Roberto Fico, die Präsidentin der Republik Estland Kersti Kalujaid, der Präsident der Serbischen Nationalversammlung Ivica Dačić, die Premierministerin von Litauen Ingrida Šimonytė, der Präsident der Republik Korea Moon Jae-in, der Premierminister von Montenegro Zdravko Krivokapic sowie der saudische Außenministers Faisal bin Farhan bin Abdullah Al Saud. Die Lockerungen zu Ende des Parlamentsjahrs erlaubten auch Auslandsreisen des Nationalratspräsidenten nach Lissabon, Bern, Budapest, Ljubljana und Bratislava.

Nationalratspräsident Sobotka nützte in diesem Jahr die Gelegenheit zum Gedankenaustausch per Videokonferenz mit AmtskollegInnen aus Albanien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Frankreich, Großbritannien, Italien, Israel, Kanada, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn sowie des EU-Parlaments.

Mehrere virtuelle Treffen und Gespräche standen im Kontext der Fünften Weltkonferenz der Interparlamentarischen Union (IPU) der ParlamentspräsidentInnen in Wien. Aufgrund der COVID-19-Krise wurde der erste Teil der Konferenz im August 2020 virtuell abgehalten. Der zweite Teil soll vom 6. bis 8. September 2021, zeitgleich mit dem 13. Gipfel der ParlamentspräsidentInnen, im Austria Center Vienna (ACV) als physische Konferenz stattfinden.

Gedenkveranstaltungen im Parlamentsjahr 2010/21

Zum Selbstverständnis des österreichischen Parlaments als Ort gesellschaftlich relevanter Debatten gehört auch, dass es eine besondere Verantwortung in der Pflege der Erinnerungskultur wahrnimmt. Am 19. September 2020 traf Nationalratspräsident Sobotka in Globasnitz/Globasnica, Kärnten, den Präsidenten der slowenischen Nationalversammlung Igor Zorčič. Mit einer gemeinsamen Kranzniederlegung wurde der Ermordung von elf Mitgliedern der Familien Sadovnik und Kogoj am Peršmanhof durch das SS- und Polizeiregiment 13 am 25. April 1945 gedacht.

Das geplante gemeinsame, jährlich stattfindende Gedenken des Parlaments in Erinnerung an den Novemberpogromen 1938 wurde aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Der Nationalratspräsident legte am 9. November in Anwesenheit von Vizekanzler Werner Kogler, Bundesministerin Karoline Edtstadler und des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Oskar Deutsch bei der Gedenktafel in der Eingangshalle des Stadttempels in der Seitenstettengasse Blumen nieder. Sobotka vertrat auch Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen bei der Kranzniederlegung am Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz in Wien.

Am 27. Jänner 2021 begingen Nationalrat und Bundesrat gemeinsam den "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust", der den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee in Erinnerung ruft. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka beteiligte sich an einer virtuellen Podiumsdiskussion mit der Schriftstellerin Jennifer Teege, dem Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz Elie Rosen und der Zeithistorikerin der Universität Graz Barbara Stelzl-Marx, Wissenschaftlerin des Jahres 2019.

Das Parlament beteiligte sich außerdem an der weltweiten digitalen Bewusstseinskampagne #WeRemember, die gemeinsam vom World Jewish Congress und der UNESCO initiiert wurde und heuer zum fünften Mal stattfand. In diesem Zusammenhang wurde der Schriftzug #WeRemember im Zeitraum vom 25. bis zum 29. Jänner beim Parlamentseingang am Josefsplatz an die Fassade projiziert.

Gedacht wurde auch des 4. März 1933, des Tags, an dem der Nationalrat in eine Geschäftsordnungskrise schlitterte und der das Ende der parlamentarischen Demokratie in der Ersten Republik einläutete. In einer Diskussionsrunde sprachen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer und Bundesratspräsident Christian Buchmann über die Lehren aus der Ausschaltung des Parlaments in der Ersten Republik und darüber, wie krisenfest und resilient die Demokratie von heute ist.

Die Fragen einer dynamischen Gedenkkultur und von neuen Formen der Vermittlung der Geschehnisse der Shoah standen im Mittelpunkt des "Gedenktags gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus", den das Parlament am 5. Mai anlässlich des Jahrestags der Befreiung des KZ Mauthausen beging. Wie schon im Vorjahr fand die Veranstaltung bereits zum zweiten Mal nicht in der üblichen Form einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung von Nationalrat und Bundesrat statt, sondern als gemeinsame Sondersitzung der Präsidialkonferenzen des Nationalrats und des Bundesrats.

Informationen zum Parlamentsgeschehen aus erster Hand

Die Verlagerung in den virtuellen Raum betraf auch den traditionell am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober, stattfindenden Tag der offenen Tür. 2020 wurde der Tag zur Präsentation des digitalen Angebots genutzt, das vom Parlament umfassend ausgebaut wurde. Die BürgerInnen konnten das Hohe Haus im Rahmen von virtuellen Führungen erkunden.

Über die Parlamentswebsite und ein Newsletter-Abonnement informieren die Aussendungen der "Parlamentskorrespondenz" regelmäßig über die parlamentarische Arbeit und die Ereignisse im Hohen Haus. Von Mitte Juli 2020 bis Tagungsende 2021 wurden über 1.500 Beiträge der Parlamentskorrespondenz verfasst. Auch in den Sozialen Medien informierte das Parlament via Facebook, Twitter, Instagram und YouTube. Das Team zur Beantwortung von BürgerInnenanfragen ist eine weitere wichtige Auskunftsstelle. Die Anfragen an das Infoteam haben sich im vergangenen Jahr verdoppelt.

Eines der wichtigsten Tools für die Information von BürgerInnen über das parlamentarische Geschehen ist die Parlamentswebsite, die steigende Zugriffszahlen verzeichnet. Im Laufe des Jahres (zweites Halbjahr 2020 und erstes Halbjahr 2021) verzeichnete sie 6.567.600 Visits bzw. 17.851.822 Hits. Der Höhepunkt der Klickstatistik war am 2. Jänner 2021 zu verzeichnen. An diesem Tag war die Begutachtung einer COVID-19-Maßnahme so vielen BürgerInnen ein Anliegen, dass an nur einem Tag 631.683 Hits gezählt wurden. Im Vergleich dazu verzeichnen Sitzungstage des Nationalrats in Durchschnitt knapp 200.000 Hits.

Audiovisuelles Angebot wurde weiter ausgebaut

Auch multimedial hat sich im Parlament im Laufe der Tagung 2020/21 einiges getan. Im Zentrum des Videoangebots stehen weiterhin die Übertragungen aller Nationalrats- und Bundesratssitzungen. Darüber hinaus veröffentlichte das Parlament in seiner Mediathek und auf Social Media rund 90 redaktionell erstellte Videos und Livestreams. Darunter finden sich neben Erklärvideos und Kurzdokus, Streams von Gedenkveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Buchpräsentationen auch erstmals ExpertInnenhearings in Ausschüssen. Interessierte können sich alle Videos, Streams und Podcast-Folgen "On-Demand" in der Mediathek des Parlaments ansehen bzw. -hören.

Ein besonderes neues Highlight stellt die Produktion von acht Folgen des Diskussionsformats "Politik am Ring" in TV-Qualität dar. Dabei diskutieren VertreterInnen aller Parlamentsfraktionen einmal monatlich aktuelle politische Themen mit ExpertInnen und holen so die Arbeit in den Ausschüssen vor den Vorhang.

Um die Hintergründe des parlamentarischen Systems aufzuzeigen sind gut neun Stunden des Parlaments-Podcasts "Parlament erklärt" erschienen. In 29 Folgen erfahren die HörerInnen zum Beispiel, wie sie eine Partei gründen können, worauf es beim Schreiben von parlamentarischen Reden ankommt oder wie sich die Säulenhalle auf der Baustelle der Parlamentssanierung anhört.

Wichtig ist dem Parlament, sein Informationsangebot auch barrierefrei zu gestalten. So waren während der Nationalratssitzungen der Tagungsperiode 2020/21 GebärdendolmetscherInnen insgesamt 257 Stunden im Einsatz. Das Parlament hat auch begonnen, Informationen zur Arbeit des Parlaments in "Einfacher Sprache" zugänglich zu machen.

Seit Beginn der Corona-Krise bietet das Parlament unter dem Titel "Visit #OeParl" die Führungen, die üblicherweise vor Ort für BesucherInnen angeboten werden, auf YouTube virtuell an. Auf insgesamt 3.000 Stunden an Vermittlungstätigkeit beliefen sich die Führungen durch das Ausweichquartier des Parlaments und die virtuellen Angebote.

Bibliothek und Archiv bauen ihr digitales Angebot aus

Die Parlamentsbibliothek und das Parlamentsarchiv bieten wichtige Ressourcen für politische MandatarInnen, parlamentarische MitarbeiterInnen, KlubmitarbeiteInnen und die Parlamentsverwaltung. Auch hier führte die Pandemie dazu, dass der Zugriff auf Informationen in erster Linie über ein digitales Angebot erfolgte und die Projekte zur besseren elektronischen Erschließung der Bestände verstärkt vorangetrieben wurden.

Das Parlamentsarchiv hat ein Archivinformationssystem in Angriff genommen, um seine Bestände für die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Parlamentsbibliothek will demnächst das neue Bibliotheksystem "Alma" in Betrieb nehmen. Seit Beginn des Jahres 2021 steht den ParlamentarierInnen und Klubs die Fachinfowebsite zur Verfügung, die auch ein Informationsservice für JournalistInnen und die interessierte Öffentlichkeit darstellt.

Im Oktober 2020 beteiligten sich die Parlamentsbibliothek und das Parlamentsarchiv aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Bundesverfassung mit dem Fachgespräch "Hans Kelsen – ein Leben für das Recht und die Demokratie", am Literaturfestival "Österreich liest". Das Fachgespräch ist in der Mediathek des Parlaments dauerhaft abrufbar.

Demokratiewerkstatt: Rückschau auf das abgelaufene Parlamentsjahr

Die Demokratiewerkstatt vermittelt in den Workshops Kenntnisse über grundlegende Regeln der parlamentarischen Demokratie in der Praxis und wie wichtig es für junge Menschen ist, sich eine eigene Meinung zu bilden und sich an politischen Prozessen zu beteiligen.

Das abgelaufene Parlamentsjahr 2020/21 stand auch in der Demokratiewerkstatt gänzlich im Zeichen der Pandemie. Als Antwort auf die COVID-19-Maßnahmen wurden die Workshops der Demokratiewerkstatt und des Lehrlingsforums im Frühjahr 2020 um entsprechende Online-Angebote erweitert und es steht aufgrund der großen Nachfrage fest, dass diese in den Regelbetrieb der Demokratiewerkstatt übernommen werden. Durch die Ortsungebundenheit der Durchführung wird somit auch für Schulklassen, die nicht nach Wien reisen können, der digitale Besuch eines Workshops im Parlament möglich. Das bedeutet, dass mit Beginn des Schuljahres 2021/2022 Präsenz- und Online-Workshops parallel im Regelbetrieb der Demokratiewerkstatt für Schulklassen und Lehrlingsgruppen angeboten werden.

Nach vier absolvierten Werkstätten können SchülerInnen zum Demokratiewerkstatt-Profi ernannt werden. Die Profi-Ehrung ist eine Anerkennung dafür, dass sich die Jugendlichen für die Themen Parlament und Demokratie vertiefend interessieren. Da die Pandemie eine persönliche Überreichung der Urkunden dieses Mal nicht erlaubte, wurden die Schulklassen mit einem Geschenkepaket und einem Film, der auch eine Grußbotschaft des Nationalratspräsidenten übermittelte, geehrt.

Seit dem Start der Demokratiewerkstatt 2007 bis einschließlich heute haben aus ganz Österreich über 122.000 TeilnehmerInnen die Workshops der Demokratiewerkstatt besucht. Im vergangenen Schuljahr kamen 54% der Schulklassen aus den Bundesländern und 46% aus Wien. Die Demokratiewerkstatt öffnet nach der Sommerpause ihre Türen wieder ab 15. September 2021 für den regulären Betrieb. Die Teilnahme an den Workshops ist kostenlos. Die von den Kindern und Jugendlichen erarbeiteten Medienbeiträge in den Workshops sind auch auf der Parlamentswebsite für Kinder Parlamentswebsite für Kinder abrufbar.

Demokratie in Bewegung

Unter dem Titel "Demokratie in Bewegung" bietet das Hohe Haus in Kooperation mit dem Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Workshops für SchülerInnen und Lehrlinge an. Pandemiebedingt war die Zahl der Workshops 2021/21 stark eingeschränkt. Trotzdem konnte im Herbst 2020 das Format "Das Parlament kommt zu dir" an zehn österreichischen Schulen für insgesamt 776 TeilnehmerInnen stattfinden. Um die Reichweite zu erhöhen, wurden die Workshops unter dem Titel "Mensch sein". zusätzlich virtuell angeboten. Sie sollen im Rahmen des Formats "Bildung gegen Vorurteile", SchülerInnen und Lehrlinge für die Themen Antisemitismus und Rassismus sensibilisieren. Österreichweit wurden damit 1.846 TeilnehmerInnen erreicht.

Informationen zur Gesetzgebungsbilanz in der Tagung 2020/2021 des Nationalrats finden Sie in der Aussendung Nr. 877/2021. (Schluss) sox/mar