Parlamentskorrespondenz Nr. 1041 vom 30.09.2021

Budgetausschuss: Rechnungshofpräsidentin Kraker präsentiert pandemiegeprägten Bundesrechnungsabschluss 2020

Opposition kritisiert Intransparenz bei der COFAG und fordert mehr "Licht ins Dunkel"

Wien (PK) – Da das Finanzjahr 2020 erwartungsgemäß ganz im Zeichen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID–19–Pandemie stand, waren die wirtschaftliche Entwicklung und die daraus resultierenden Haushaltsergebnisse bei der Budgeterstellung schwer abschätzbar. Dies schlug sich unter anderem im noch deutlicheren Anstieg des Defizits auf 22,48 Mrd. € (Finanzierungshaushalt) sowie bei den Staatsschulden nieder, deren BIP-Anteil sich von 70,5% auf 83,9% erhöhte. Auf gesamtstaatlicher Ebene erzielte Österreich im Jahr 2020 ein öffentliches Defizit von 8,9% des BIP; 2019 gab es noch einen Überschuss von 0,6% des BIP. Dies geht aus dem heute im Budgetausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen genehmigten Bundesrechnungsabschluss (BRA) hervor, der wie üblich vom Rechnungshof vorgelegt worden war (III-321 d.B.). Die Zustimmung verweigerten die VertreterInnen der Opposition, die abermals die mangelnde Transparenz bei der Auszahlung der Mittel durch die staatliche Finanzierungsagentur COFAG monierten, die zudem jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen sei. In dieser Causa hatten SPÖ, FPÖ und NEOS im Vorfeld bereits gemeinsam eine Drittelbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.

Aufgrund des drastischen Konjunktureinbruchs im Vorjahr sei es zu einem Rückgang des realen BIP um 6,6% und zu einer Erhöhung der Arbeitslosenrate auf 9,9% gekommen, führte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker als weitere Eckwerte des Wirtschaftsjahres 2020 an, das entscheidend von der Pandemie geprägt war. Die über den COVID-19-Krisenbewältigungsfonds finanzierten Maßnahmen summierten sich auf 8,5 Mrd. €, Steuererleichterungen schlugen sich in Form von Mindereinzahlungen im Ausmaß von 6,4 Mrd. € zu Buche. Darüber hinaus wurden 5,5 Mrd. € an Corona-Kurzarbeitsbeihilfen ausbezahlt. Aufgrund der mehrmaligen Änderungen der Budgetstruktur innerhalb eines kurzen Zeitraums waren Vergleiche der Gebarung auf Untergliederungsebene im Zeitverlauf nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich, zeigten die RechnungshofprüferInnen kritisch auf und verwiesen dabei auf die im Bundeshaushaltsgesetz 2013 festgelegten Grundsätze der Budgetklarheit bzw. Transparenz.  

Es handle sich dabei um keine "ästhetische Darstellung", räumte Finanzminister Gernot Blümel ein. Diese Problematik habe jedoch auch schon bei früheren Regierungskonstellationen bestanden. Bei der COFAG sei er überzeugt davon, dass alles in Ordnung sei. Nun sei die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abzuwarten. Generell könne sich die wirtschaftliche Bilanz aus seiner Sicht sehen lassen, zumal die aktuellen Wachstumsprognosen wahrscheinlich noch nach oben revidiert werden müssen. Noch wenig in die Karten blicken ließ sich der Ressortchef bezüglich der Wiedererreichung des Maastricht-Ziels von 3% in Bezug auf das öffentliche Defizit; diese Frage werde in den bald startenden Budgetverhandlungen ausführlich diskutiert werden, kündigte er an.

Bundesrechnungsabschluss in Corona-Zeiten: Ein Viertel der Auszahlungen ohne Einbindung des Nationalrats

Seit März 2020 setzte der Bund vor dem Hintergrund der COVID–19–Pandemie finanzielle Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen, konstatierte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Der mit 28 Mrd. € dotierte Krisenbewältigungsfonds – ein beim Finanzministerium angesiedelter unselbstständiger Verwaltungsfonds – sei dabei das zentrale Instrument gewesen, um den Ressorts die budgetären Mittel für COVID–19–Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Gelder wurden in Form von Mittelverwendungsüberschreitungen abgerufen. Aufgrund der im Bundesfinanzgesetz 2020 eingeräumten Überschreitungsermächtigungen konnte der Finanzminister gemeinsam mit dem Vizekanzler über mehr als ein Viertel der budgetierten Auszahlungen ohne Einbindung des Nationalrats verfügen, ist dem BRA zu entnehmen.

Insgesamt wurden 2020 rund 31,8 Mrd. € an COVID–19–Maßnahmen genehmigt, davon gelangten 14,5 Mrd. € zur Auszahlung bzw. stellten Mindereinzahlungen in der Höhe von 6,4 Mrd. € für den Bundeshaushalt dar, berichtete Kraker. Die im Krisenbewältigungsfonds vorgesehenen Mittel im Ausmaß von 20 Mrd. € wurden nur zu 57% von den Ressorts abgerufen. Von diesen 11,42 Mrd. € gelangten schließlich 8,47 Mrd. € zur Auszahlung, was einem Anteil von 37,7% am negativen Saldo entspricht. Daneben kam es zu Auszahlungen aus der variablen Gebarung für arbeitsmarktpolitische Leistungen, wie etwa die Corona–Kurzarbeit in der Höhe von 5,49 Mrd. €. Die gewährten Steuererleichterungen führten wiederum zu Mindereinzahlungen in der Höhe von 6,4 Mrd. €. Zur Stärkung der Unternehmensliquidität wurden auch COVID–19–Haftungen in Höhe von 10,38 Mrd. € vorgesehen, wovon bis Ende 2020 6,52 Mrd. € ausgeschöpft wurden. Die Haftungen wurden über bereits bestehende Abwicklungsstellen des Bundes, wie die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft, die Österreichische Hotel– und Tourismusbank (ÖHT) und die Österreichische Kontrollbank sowie über die neu gegründete COVID–19-Finanzierungsagentur (COFAG), abgewickelt.

Näher ins Detail ging Kraker auch bei den Daten zur Vermögensrechnung, der genauen Zusammensetzung des Nettofinanzierungsbedarfs - 93% davon seien auf COVID-19-Maßnahmen zurückzuführen - sowie bei der Entwicklung der Mittelverwendungsüberschreitungen (+36,44 Mrd. € gegenüber dem Vorjahr), den Haushaltsrücklagen und den Vorbelastungen. Die bereinigten Finanzschulden des Bundes beliefen sich per Ende 2020 auf 237,97 Mrd. € oder 63,4% des BIP. Diese Steigerung von +14% sei somit höher gewesen als die Summe der Zunahmen in den letzten acht Jahren zusammen, zeigte Kraker auf.

Rege Debatte über Nachvollziehbarkeit der Corona-Maßnahmen

Von einer sehr guten Zusammenstellung aller relevanten Daten und Eckpunkte sprach Abgeordneter Andreas Hanger (ÖVP), der sich nach den Empfehlungen des Rechnungshofs bezüglich einer nachhaltig wirksamen haushaltspolitischen Strategie erkundigte. 

Es brauche endlich mehr "Licht ins Dunkel" der "Blackbox COFAG", appellierte SPÖ-Redner Christoph Matznetter, zumal die Budgethoheit des Parlaments durch dieses Konstrukt vollkommen unterlaufen werde. Es sei auch die Überprüfbarkeit komplett ausgeschaltet, da den AntragstellerInnen keine Bescheide ausgestellt würden. Es gebe zudem Gerüchte, wonach die COFAG noch über liquide Mittel von über einer halben Milliarde Euro verfüge, merkte Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) an. Er richtete an den Finanzminister zudem die Frage, wann er wieder zum Maastricht-Ziel von 3% in Bezug auf das öffentliche Defizit zurückkehren wolle. Auch sein Fraktionskollege Alois Stöger (SPÖ) machte geltend, dass die über die COFAG ausbezahlten Hilfen in keinster Weise nachvollziehbar seien. Überdies fragte er, warum ein Mehraufwand bei der Sozialversicherung der Selbstständigen verbucht wurde, obwohl die Kasse ein sehr hohes Wertpapiervermögen aufweise.

Abgeordnete Karin Doppelbauer (NEOS) stellte neuerlich die Vorgangsweise bei der Erstellung des Bundesrechnungsabschlusses grundsätzlich in Frage. Auch in der Privatwirtschaft sei es nicht möglich, dass die Controllingabteilung darüber Auskunft gebe, wie das Jahr gelaufen sei. Ein großes Anliegen war ihr auch die Überprüfung der Wirksamkeit der Wirtschaftshilfen; ihre Fraktion habe dazu einen Antrag eingebracht. Den vom Rechnungshof gemachten Vorschlag, aufgrund des niedrigen Marktzinsumfeldes öffentliche Investitionen insbesondere im Bildungsbereich zu forcieren, könne sie nur mit Nachdruck unterstützen. Abgeordneter Gerald Loacker machte geltend, dass auch die Eventualverbindlichkeiten im Pensionsbereich dargestellt werden müssten.

Abgeordnete Elisabeth Götze (Grüne) unterstützte die Bestrebungen in Richtung transparente Darstellung von Treuhandvermögen und verwies dabei auch auf die COFAG. Jakob Schwarz (Grüne) sprach den möglichen Kauf von Zertifikaten wegen Nichteinhaltung von Klimazielen an.

Abgeordneter Hubert Fuchs (FPÖ) befasste sich mit den vom Rechnungshof festgestellten Mängeln bei den Ordnungsmäßigkeits- und Belegprüfungen und wollte wissen, welche Untergliederungen besonders betroffen seien. Außerdem gab er zu bedenken, dass die Rückstellungen mit 3,25% abgezinst werden; dies sei relativ hoch.

Kraker tritt für nachhaltige Reformschritte im Sinne eines stabilen öffentlichen Sektors ein

Gerade in Krisen brauche es einen stabilen öffentlichen Sektor, stellte Präsidentin Kraker gegenüber Abgeordnetem Hanger (ÖVP) fest. Damit die einzelnen Gebietskörperschaften gut zusammenarbeiten können, brauche es aus Sicht des Rechnungshofs aber Reformschritte. Dazu gehörten u.a. ein Bekenntnis zu einer transparenten Budgetierung im Sinne des Haushaltsrechts und seiner Weiterentwicklung, eine zeitnahe Evaluierung der gesetzten Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, die Beurteilung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, zukunftsgerichtete Reformen im Sinne der Generationengerechtigkeit, insbesondere bei Pflege, Pensionen und in der Bildung, gesamthafte neue Verwaltungsansätze und Effizienzsteigerungen durch Digitalisierung sowie konsequente Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele. Dem Abgeordneten Jakob Schwarz (Grüne) teilte Kraker mit, dass es einen eigenen Bericht zum Thema "Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020" gebe. Nähere Informationen über den Bereich Pensionsverpflichtungen finde man in einem Anhang, merkte sie gegenüber Abgeordnetem Loacker (NEOS) an.

Evaluierungen der Wirtschaftshilfen seien zwar nicht Teil des Bundesrechnungsabschlusses, sie würden jedoch kontinuierlich von ihrem Haus vorgenommen. Derzeit seien etwa Prüfungen der Kurzarbeitsmaßnahmen sowie der COFAG im Laufen. Zum Härtefallfonds liege bereits ein Bericht vor. Bei der COFAG werde man sich z.B. mit Fragen der Compliance, der Abwicklung der Förderungen und der Einordnung in die Haushaltsgestaltung beschäftigen.

Blümel: COVID-19-Maßnahmen haben gegriffen und Wirtschaftserholung ermöglicht

Finanzminister Blümel wertete die positiven Wirtschaftsprognosen als Bestätigung dafür, dass die von der Regierung in der Krise in die Wege geleiteten Unterstützungsmaßnahmen gegriffen haben. Wie es nach der Pandemie mit den temporär ausgesetzten Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auf europäische Ebene weitergehen werde, sei eine spannende Frage. Aus österreichischer Sicht hätten sich diese aber in den letzten Jahren bewährt. So sollte etwa das langfristige Ziel der Absenkung der Staatsschulden nicht aus den Augen verloren werde. Noch nichts Konkretes konnte Blümel zur geplanten Haushaltsrechtsform sagen, die aus der Corona-Krise gewonnenen Erfahrungen sollten jedenfalls einbezogen werden. In Richtung der Abgeordneten Doppelbauer (NEOS) bestätigte Blümel, dass die COFAG-Hilfen in die Transparenzdatenbank eingespeist werden sollen. Was das von SPÖ-Mandatar Krainer angesprochene Ausfallsrisiko beim ESM betrifft, so schätzte dies ein Experte des Finanzministeriums als extrem gering ein. Auch im Fall von Griechenland sah er keine Probleme, zumal die EZB griechische Staatsanleihen aufgenommen habe und der Liquiditätspuffer in Griechenland selbst sehr hoch sei.

Berger verweist auf Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Reform des Bundesrechnungsabschlusses

Helmut Berger, der Leiter des Parlamentarischen Budgetdienstes, stellte gegenüber NEOS-Vertreterin Karin Doppelbauer fest, dass die Erstellung des Bundesrechnungsabschlusses in Österreich "eher ungewöhnlich" sei. Dies habe auch eine Vergleichsanalyse mit anderen Ländern ergeben, die im Jahr 2016 aufgrund einer konkreten Anfrage von seiner Abteilung durchgeführt wurde. Eine daraufhin eingesetzte Arbeitsgruppe, in der auch ExpertInnen aus dem Rechnungshof und dem Finanzministerium vertreten waren, habe einen Zwischenbericht erstellt, der relativ rasch umsetzbare Lösungen enthalten hätte. Es obliege nun der Politik, darüber zu entscheiden, ob etwas geändert werde. Was den von Abgeordnetem Schwarz (Grüne) angesprochenen Emissionshandel anbelangt, so gebe es derzeit eine sehr breite Diskussion über dieses Thema, und zwar auch in der Privatwirtschaft. Diese sollte seiner Meinung nach genau beobachtet werden. Noch gebe es aber die Möglichkeit, Strafzahlungen abzuwenden, gab er zu bedenken. (Fortsetzung Budgetausschuss) sue

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.