Parlamentskorrespondenz Nr. 1073 vom 06.10.2021

Landwirtschaftsausschuss hält ExpertInnenhearing zur neuen GAP-Periode ab

Köstinger: Nationaler GAP-Strategieplan soll Planungssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe bringen

Wien (PK) – Im Zentrum des heutigen Landwirtschaftsausschusses stand ein öffentliches ExpertInnenhearing zum Thema "Umsetzung der neuen europäischen GAP-Regelungen in Österreich". Die VerhandlerInnen auf EU-Ebene hatten sich vor dem Sommer auf die Eckpunkte der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2023 bis 2027 geeinigt. Bis dahin gilt weiterhin eine 2020 vereinbarte Übergangsregelung, die im Wesentlichen nach den Regeln der Periode 2014 bis 2020 fortgeführt werden kann. Zentrales Element der GAP-Reform sind die bis Ende des Jahres vorzulegenden nationalen Strategiepläne der einzelnen Mitgliedsstaaten. Darin soll festgehalten werden, wie jeder Mitgliedstaat die GAP-Instrumente einsetzen wird, um die spezifischen Ziele der GAP sowie die Ziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen. Insgesamt stehen bis 2027 rund 387 Mrd. € für die europäische Landwirtschaft bereit. Damit werden inklusive nationaler Aufzahlungen jährlich rund 1,8 Mrd € in die österreichische Landwirtschaft fließen.

Einstimmig von den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis genommen wurden die Monatsberichte für Mai, Juni und Juli 2021 von Landwirtschaftsministerin Köstinger über die Ausgaben des coronabedingten Härtefallfonds in der Land- und Forstwirtschaft inklusive der Privatzimmervermietung.

Köstinger: ÖPUL weiterhin "Herzstück der österreichischen Agrarpolitik"

Von zentraler Bedeutung sei es, durch die Erstellung des nationalen GAP-Strategieplans Planungssicherheit für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe herzustellen, betonte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in ihrem Eingangsstatement. Man wolle zudem die im Rahmen des Stakeholderdialogs eingebrachten Anregungen so weit wie möglich einarbeiten, um die bestmögliche Unterstützung der verschiedenen Betriebsformen zu gewährleisten. Laut Köstinger soll weiterhin das Agrarumweltprogramm ÖPUL das "Herzstück der österreichischen Agrarpolitik" bilden. Im Rahmen des nationalen GAP-Strategieplans würden etwa die Umweltmaßnahmen der Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Zudem werde der Fokus auf die kleinen und mittleren Betriebe sowie auf die Verankerung der Tierwohlstrategie gelegt. Auch die Kinderbetreuung im ländlichen Raum werde eine wichtige Rolle spielen, so die Landwirtschaftsministerin.

Bauer: Betriebe brauchen Rechts-, Planungs- und Finanzierungssicherheit

Die Aufgabe des nationalen GAP-Strategieplans sei, "die Vielfalt von Betrieben in einer Vielfalt von Regionen" in Österreich zu erhalten und weiterzuentwickeln, erklärte Experte Karl Bauer (Landwirtschaftskammer). Auch für Bauer ist die Rechts-, Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Betriebe zentral, weshalb die Erstellung des Strategieplans bis Ende des Jahres abzuschließen sei. Dabei sei die Praktikabilität der Maßnahmen, die zur Entlastung der landwirtschaftlichen Betriebe führen solle, besonders wichtig. Laut dem Experten der Landwirtschaftskammer brauche es aber auch höhere Abgeltungen, etwa im Bereich des Tierwohls oder der Umweltleistungen, da zu erwarten sei, dass der wirtschaftliche Druck auf die Betriebe weiter steigen werde. Zur Erfüllung der nationalen Strategiepläne sollten freiwillige Angebote neben verpflichtenden Maßnahmen im Vordergrund stehen.

Reisenberger: Nationaler Strategieplan muss Ziele des Europäischen Grünen Deals unterstützen

Die Klimakrise und der Rückgang der Biodiversität seien die größten Probleme für die Landwirtschaft und eine Bedrohung für die Welternährung, hielt Brigitte Reisenberger (Global 2000) fest. Die EU-Kommission habe das erkannt und deshalb den Europäischen Grünen Deal vorgelegt. Dessen Erfolg hänge stark von der GAP ab, das treffe auch auf Österreich zu. Was den nationalen Strategieplan betrifft, kenne sie bis dato nur die letzten April vom Landwirtschaftsministerium übermittelten Entwürfe, kritisierte Reisenberger. Mit diesen Maßnahmen seien zumindest sechs der acht Ziele des Grünen Deals nicht zu erreichen. Es brauche grundlegende Veränderungen, wie etwa den Umstieg in eine art- und standortgerechte Tierhaltung sowie Maßnahmen gegen das "Höfesterben". Dazu zähle vor allem die doppelte Fördersumme für die ersten 20 Hektar. Reisenberger appellierte an die ParlamentarierInnen, keinem Strategieplan zuzustimmen, mit dem die Ziele des Europäischen Grünen Deals nicht erreicht werden können.

Steinbichler: Unterschiedliche Arbeitsbelastung der Betriebsformen spielt bei der GAP keine Rolle

Der als Experte geladene ehemalige Abgeordnete Leopold Steinbichler hielt vorab fest, dass er als Bauer und Viehzüchter die Probleme aus der Praxis kenne. Auch Steinbichler bemängelte, vorab keine Informationen über die nationalen GAP-Pläne erhalten zu haben. Was die erste Säule der GAP betrifft, sei diese nach dem EU-Beitritt Österreichs zur Abgeltung der Verluste der Bauern und Bäuerinnen eingeführt worden. Seither habe es jedoch keine Inflationsanpassung gegeben. Zudem würden in der zweiten Säule viele Projekte finanziert werden, die keine Auswirkungen auf die Landwirte haben würden. Generell werde mit der GAP "alles über einen Haufen geschert", die tatsächliche Arbeitsbelastung der unterschiedlichen Betriebsformen spiele dabei keine Rolle, mahnte Steinbichler. Der ehemalige Mandatar rechnete zudem mit der "Klientelpolitik" der ÖVP ab. Diese habe sich vom "ehemaligen starken Anwalt des ländlichen Raums" zum "Bürokratiehelfer" gewandelt.

Lindenthal: Biolandbau ist Vorreiter für nachhaltige Landwirtschaft

Thomas Lindenthal (Universität für Bodenkultur Wien) konzentrierte sich in seinem Beitrag auf die Nachhaltigkeitsaspekte für die Landwirtschaft aus Sicht der Wissenschaft. Die größten nationalen wie auch globalen Herausforderungen würden dabei unter anderem im Klimawandel, in der Gefährdung der Biodiversität, in der Bodenverdichtung sowie in der Wasser- und Ressourcenverknappung liegen. Als Reaktion darauf hätten die Vereinten Nationen die Nachhaltigkeitsziele für 2030 definiert. Lindenthal betonte, dass hier der Fokus nicht nur auf der ökologischen Dimension liegen dürfe. Auch die ökonomischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit müssten mitgedacht werden. Der Experte nannte in diesem Kontext die Vorreiterrolle des Biolandbaus. Um zu einer nachhaltigen Gestaltung der europäischen Agrarpolitik zu kommen, brauche es neben den Anpassungen an den Klimawandel und der Förderung von Biodiversität eine Kombination aus systemischer Basisfinanzierung sowie zusätzlich wählbarer Einzelmaßnahmen für die Betriebe. Zudem spielten die Ausweitung der Förderung kleinbäuerlicher Betriebe und Maßnahmen zur artgerechten Tierhaltung eine wichtige Rolle.

Grabmann: Stärkung der biologischen Landwirtschaft ist elementar

Die GAP sei das wichtigste politische Instrument für die Zukunft der Bauern und Bäuerinnen, erklärte die Bundesobfrau von Bio Austria Gertraud Grabmann. Wie Lindenthal unterstrich auch Grabmann die große Bedeutung, die ökologischen, ökonomischen sowie sozialen Aspekte für eine nachhaltige Landwirtschaft "unter einen Hut zu bringen". Österreich sei hier im internationalen Vergleich "ganz vorne", denn rund 23% der Höfe würden mit dem "Erfolgsmodell" der biologischen Landwirtschaft wirtschaften. Was den nationalen GAP-Strategieplan betrifft, betonte Grabmann, dass es ein Agrarumweltprogramm brauche, das die Herausforderungen der Landwirtschaft sowie auch der Gesellschaft adressiere. Elementar sei hierbei die Stärkung der biologischen Landwirtschaft im Rahmen von ÖPUL.

Härtefallfonds für Land- und Forstwirtschaft: Insgesamt rund 90,9 Mio. € bis Ende Juli ausbezahlt

Die Monatsberichte für Mai, Juni und Juli 2021 (III-360 d.B.), (III-385 d.B.) und (III-407 d.B.), die Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger über die Ausgaben des coronabedingten Härtefallfonds in der Land- und Forstwirtschaft inklusive der Privatzimmervermietung vorgelegt hat, wurden vom Landwirtschaftsausschuss diskutiert und einstimmig zur Kenntnis genommen.

Laut den Berichten sind die durch die Corona-Krise entstandenen Härtefälle bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und bei der Privatzimmervermietung zum einen durch Zuschüsse zur Abgeltung der Einkunftsverluste, zum anderen durch den Comeback-Bonus abgefedert worden. In der Auszahlungsphase 2 habe man zusätzlich die Betriebszweige Privatzimmervermietung, Almausschank und Betriebe, die landwirtschaftliche Produkte direkt an die Gastronomie im Wege des spezialisierten Großhandels vermarkten, aufgenommen. Bis zum Stichtag 31. Juli 2021 wurden in Summe 90,9 Mio. € an insgesamt 11.980 Begünstigte ausbezahlt. Davon entfielen rund 48,1 Mio. € an die Land- und Forstwirtschaft und rund 42,9 Mio. € an die Privatzimmervermietung bzw. touristische Vermietung, heißt es in den Berichten. (Fortsetzung Landwirtschaftsausschuss) med

HINWEIS: Das heutige ExpertInnenhearing des Landwirtschaftsausschusses ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.