Parlamentskorrespondenz Nr. 168 vom 24.02.2022

Maßnahmenvollzug: Justizministerin Zadić lässt Reformvorschlag begutachten

Fragestunde im Nationalrat zu Justizthemen

Wien (PK) - Die Reform des heimischen Maßnahmenvollzugs bezeichnete Justizministerin Alma Zadić in der heutigen Fragestunde des Nationalrats als ihr großes Anliegen. "Wir wissen, dass hier vieles im Argen liegt". Ein Gesetzesentwurf zur Reform befinde sich bereits in Begutachtung. Die Sicherstellung der Qualität der Sachverständigengutachten in diesem Zusammenhang sei ein zentraler Punkt dabei. Die jüngsten Plagiatsvorwürfe gegen die Ministerin, die von der FPÖ thematisiert wurden, wies sie als falsch zurück.

Weitere Themen im direkten Austausch der Justizministerin mit den Abgeordneten waren unter anderem die Korruptionsbekämpfung, die Reform des Familienrechts, Personalnot in der Justizwache, das Informationsfreiheitsgesetz und der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka äußerste sich zu Beginn der Sitzung bestürzt zur Krise in der Ukraine. Die Demokratie sei das größte Gut, das ein Land haben könne, so Sobotka, das zeige sich deutlich, wenn Konflikte mit Gewalt einhergehen. Die Freundschaftsgruppe Österreich - Ukraine treffe sich heute im Parlament, um dem Land die Solidarität angesichts des Völkerrechtsbruches durch Russland auszudrücken.

Qualität der Gutachten im Fokus

Für Johannes Margreiter (NEOS) besteht eindeutiger Handlungsbedarf bei der Qualitätssicherung von Gutachten, die einer Einweisung in den Maßnahmenvollzug zugrunde liegen. Immerhin sehe man eine stark steigende Tendenz bei dieser freiheitsbeschränkenden Maßnahme. Seinen Vorschlag, die Einholung einer zweiten Gutachtermeinung zur Regel zu machen, wollte Zadić überdenken. Sie wies jedoch darauf hin, dass Gerichte bereits jetzt eine zusätzliche Sachverständigenmeinung einfordern können, falls ein Gutachten unzureichend sei. Reformen am Maßnahmenvollzug gebe es überdies auch in baulicher Hinsicht, berichtete die Justizministerin über Ausbauten wie jene an der Justizanstalt Asten.

Strafvollzug braucht mehr Personal

Erfreut zeigte sich Justizministerin Zadić, dass die Schwerarbeiterregelung nun auch für die Justizwache gilt. Vor diesem Hintergrund seien viele Pensionierungen in der Justizwache zu erwarten, weswegen ihr Haus die Bedeutung dieses Berufs "für die Sicherheit unserer Gesellschaft" in der Öffentlichkeitsarbeit, gerade in digitalen Medien, verstärkt betone. Heuer gebe es für angehende JustizwachebeamtInnen 10 Grundausbildungslehrgänge mit jeweils 22 TeilnehmerInnen, schilderte die Ministerin die aktuelle Rekrutierungslage. Vor einem drohenden Personalengpass in der Justizwache hatte Christian Lausch (FPÖ) gewarnt, als er auf die kommende Pensionierungswelle und die langen Ausbildungs- und Aufnahmeverfahren in diesem Bereich hinwies. Die Arbeitsbedingungen müssten attraktiver gestaltet werden, meinte er und fand dafür ein offenes Ohr bei der Justizministerin.

Die Corona-Pandemie habe den Strafvollzug besonders belastet, berichtete Zadić über zusätzliche Einschränkungen bei Ausgängen und Besuchen in Justizanstalten. Die Maßnahmen würden daher nur so lange aufrechterhalten, so lange sie zum Schutz aller Betroffenen notwendig seien. Die menschenrechtlich bedenklichen Auswirkungen der Pandemie auf die Justiz hatte Petra Bayr (SPÖ) angesprochen. Corinna Scharzenberger (ÖVP) erkundigte sich nach dem Umsetzungsstand der Maßnahme "Haft in der Heimat forcieren" und erfuhr von Ministerin Zadić, wie im Regierungsprogramm festgehalten, arbeite man an entsprechenden bi- und multilateralen Überstellungsabkommen. 2021 habe man bereits 191 internationale Überstellungen verzeichnet. Probleme gebe es vor allem bei jenen Ländern, denen es an menschenrechtlichen Standards in den Haftanstalten mangle. Deswegen gehe es auch darum, die menschenrechtlichen Haftbedingungen in Drittstaaten zu verbessern, verdeutlichte Zadić, sowie um die Stärkung des zwischenstaatlichen Vertrauens.

Korruptionsbekämpfung: Immunitätserlass soll Parlament bald vorliegen

Die Rahmenbedingungen der Korruptionsbekämpfung beschäftigten das Plenum ebenfalls bei der Fragestunde mit Justizministerin Zadić. Angesprochen auf den ermittlungsrechtlichen Umgang mit MittäterInnen von Abgeordneten, verwies sie auf Rückmeldungen der Staatsanwaltschaften dazu. Demnach können gegen nicht durch parlamentarische Immunität geschützte MitttäterInnen eines oder einer mit Vorwürfen belasteten Abgeordneten durchaus strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden. Ein auf dieser Grundlage ausgearbeiteter Erlass werde dem Parlament bald übermittelt. Auf politischer Ebene werde auch die Frage des Umgangs mit WhistleblowerInnen verhandelt. Selma Yildirim (SPÖ) erwähnte eben diesen neuen Immunitätserlass, den die Justizministerin 2021 angekündigt hatte, und sicherte Zadić gleichzeitig ihre Unterstützung beim Kampf gegen Korruption zu.

Zur strukturellen Absicherung der Unabhängigkeit der Justiz, angesprochen von Agnes Sirkka Prammer (Grüne), habe sie im Justizministerium die große Strafrechtssektion getrennt, umriss Zadić weitere Vorkehrungen für wirkungsvolle Korruptionsbekämpfung. Nun gebe es eine Sektion für Legistik und eine weitere für Einzelstrafsachen, in deren Zuständigkeit die Staatsanwaltschaft falle. Letztere sei "gesetzlich angehalten, die Wahrheit zu erforschen", betonte die Justizministerin, also be- wie entlastende Aspekte in ihrer Ermittlung aufzugreifen. "Finanzielle Absicherung" bezeichnete Zadić darüber hinaus als wichtigen Unabhängigkeitsfaktor, daher habe sie seit Amtsantritt Budgeterhöhungen und Aufstockungen bei Planstellen vorangetrieben. In Hinblick auf die Beschuldigtenrechte trachte sie nach einer Beschleunigung der Verfahren, etwa durch eine Reduktion der Berichtspflichten der Staatsanwaltschaft. Außerdem setze sie sich dafür ein, den Kostenersatz bei Freisprüchen zu erhöhen, sagte Zadic. Generell werde die richterliche Kontrolle der Staatsanwaltschaft gestärkt, verwies sie auf eine dazu eingerichtete Arbeitsgruppe. Eine Stärkung der Beschuldigtenrechte in Korruptionsverfahren, insbesondere hinsichtlich des Zugriffs auf deren Mobiltelefone durch die Staatsanwaltschaft, forderte Christian Stocker (ÖVP). Immerhin gehe es hier auch um die potentielle Vernichtung von Existenzen

Die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit samt Schaffung eines Rechts auf Informationsfreiheit sollte mit dem Informationsfreiheitsgesetz möglichst rasch auf den Weg gebracht werden, erfuhr Christian Drobits (SPÖ) von Ministerin Zadić. Darüber bestehe Einigkeit mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Das Justizministerium arbeite derzeit Stellungnahmen in den Gesetzesentwurf ein, allerdings müssten noch "Blockaden" gegen das Gesetzesvorhaben überwunden werden.

Unterhalt: Verfahren sollen beschleunigt werden

An der Kindschaftsrechtsreform werde im Justizministerium intensiv gearbeitet, deutete Zadić das Ziel an: "Es soll eine feministische und eine fortschrittliche Reform werden". Die Unterhaltsrechtsverfahren würden dabei beschleunigt, um für mehr Rechtssicherheit im Sinne des Kindeswohls zu sorgen. In einem umfassenden partizipativen Prozess werde die sehr sensible Materie mit Organisationen verschiedener Interessensgruppen diskutiert. Vieles in diesem Bereich sei nämlich noch nicht gesetzlich festgeschrieben, unter anderem der zivilrechtliche Anspruch des Kindes. Dazu gehöre auch die Novellierung des internationalen Privatrechts, das derzeit in politischer Abstimmung sei. Angestoßen wurde das Thema Familienrecht von Michaela Steinacker (ÖVP), die den Fokus auf die Situation der Kinder richtete, in emotionaler wie finanzieller Hinsicht. Mit Abschluss der Kindschaftsrechtsreform wird Zadić zufolge auch die Eherechtsreform im Angriff genommen, um Zwangsehen von Minderjährigen zu unterbinden.

Gewaltschutz: Staatsanwaltschaft soll Beweise besser sichern

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, aufgeworfen von Meri Disoski (Grüne), nehme sie sehr ernst, unterstrich Justizministerin Zadić. "In erster Linie ist es wichtig, diese Gewaltspirale zu durchbrechen", deswegen habe diese Regierung eines der größten Budgets für Gewaltschutzprojekte zur Verfügung gestellt. Entscheidend für den Gewaltschutz sei zudem, den Informationsfluss zwischen Opferschutzeinrichtungen, Staatsanwaltschaft und Polizei zu verbessern, führte Zadić aus. Genauso gelte es, im Bereich der häuslichen Gewalt die Verurteilungsrate zu erhöhen. Sie habe daher per Erlass die Staatsanwaltschaft angewiesen, die Qualität der Beweissicherung zu heben, unter anderem durch persönliche Einvernahmen. Weiters sei die Datenerfassung, gerade bei Femiziden im sozialen Nahraum, zu verbessern, so wie die Istanbul Konvention dies vorsehe.

Angekündigt wurde von Justizministerin Zadić zudem, das Verbot von Konversationstherapien in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium noch vor dem Sommer 2022 zu verwirklichen. Zentral für die Strafbarkeit dieser abzulehnenden Therapien, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken, sei deren genaue Definition. "Grausam und unwürdig" nannte Yannick Shetty (NEOS) den Umstand, dass sogenannte Konversionstherapien hierzulande immer noch nicht verboten sind. (Fortsetzung Nationalrat) rei

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