Parlamentskorrespondenz Nr. 288 vom 17.03.2022

Innenausschuss: Zugang zur Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Opfern wird erweitert

Außerdem sollen Schutzzonen rund um Krankenhäuser Behinderungen der Gesundheitsversorgung durch COVID-19-MaßnahmengegnerInnen verhindern

Wien (PK) – Grünes Licht gaben die Abgeordneten heute im Innenausschuss für Erweiterungen des Staatsbürgerschafts- und des Sicherheitspolizeigesetzes. Damit sollen die Regelungen zum Erwerb der Staatsbürgerschaft für die Nachkommen von NS-Verfolgten sowie für junge Menschen erweitert werden. Zudem befürworteten die MandatarInnen die Möglichkeit zur Einrichtung von Schutzzonen rund um wesentliche Gesundheitseinrichtungen. So sollen Behinderungen der Gesundheitsversorgung durch COVID-19-MaßnahmengegnerInnen verhindert werden.

Eine SPÖ-Forderung nach verstärkten Prüfungen der Vertrauenswürdigkeit beim Staatsschutz wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen ebenso vertagt wie ein NEOS-Antrag für eine Darstellung von Femiziden in der Kriminalstatistik. Außerdem nahmen die Abgeordneten mehrere Berichte zur Verwendung der Mittel des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds im Innenressort zur Kenntnis.

Erweiterungen zum Erwerb der Staatsbürgerschaft für NS-Verfolgte und deren Nachkommen

In Österreich gelten im Staatsbürgerschaftsrecht Sondererwerbsbestände für die Verfolgten des Nationalsozialismus sowie deren Angehörigen. Damit können jene Staatsangehörige von Nachfolgestaaten der ehemaligen Monarchie, die sich aufgrund von erlittenen oder befürchteten NS-Verfolgungen ins Ausland begeben haben, die Staatsbürgerschaft unter erleichterten Bedingungen erwerben. 2019 wurde zusätzlich ein Sondererwerbsbestand für deren Nachkommen eingeführt. Damit können auch jene die Staatsbürgerschaft unter erleichterten Bedingungen erwerben, bei denen anzunehmen ist, dass sie ohne das erlittene Unrecht ihrer Vorfahren heute im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft wären. Nach dem Inkrafttreten des Sondererwerbstatbestandes haben sich allerdings im Vollzug Fälle gezeigt, die durch die geltenden Regelungen nicht erfasst wurden.

Vor diesem Hintergrund wurde Ende 2021 ein Initiativantrag zur Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (2146/A ) eingebracht, der aufgrund eines einstimmigen Beschlusses im Innenausschuss einer Ausschussbegutachtung unterzogen wurde. In diesem Zuge zeigten sich weitere erforderliche Änderungen, die heute im Innenausschuss mittels eines gesamtändernden Abänderungsantrages eingebracht und berücksichtigt wurden.

Künftig sollen die Sondererwerbstatbestände für einen breiteren Kreis an Personen gelten. So sollen jene Fälle erfasst werden, bei denen die Vorfahren von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen des Eintretens für die demokratische Republik Österreich ermordet oder ins Ausland deportiert wurden. Auch sollen die Regelungen gelten, wenn die Vorfahren Selbstmord begangen haben, um Verfolgungshandlungen zu entgehen. Ebenso werden Fälle erfasst, bei denen Personen eine andere Staatszugehörigkeit durch Eheschließung erworben haben. Auch soll der Sondererwerbstatbestand für jene ehemaligen ÖsterreicherInnen gelten, denen es aufgrund zu befürchtender Verfolgung verwehrt war, zwischen der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 in das Bundesgebiet zurückzukehren oder erstmalig einzureisen, um hier ihren Hauptwohnsitz zu begründen. Verfolgte Staatsangehörige von Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder Staatenlose werden von den Regelungen erfasst, wenn diese zum relevanten Zeitpunkt ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt haben.

Die Sondererwerbstatbestände sollen jedoch nicht gelten, wenn die Nachkommen, im Bewusstsein die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen, eine fremde erworben haben. Selbiges gilt für Fremde, die die Staatsbürgerschaft etwa durch den Militärdienst für einen anderen Staat verloren oder auf diese verzichtet haben. Zum Erwerb der Staatsbürgerschaft müssen Betroffene mittels schriftlicher Anzeige das Vorliegen der Voraussetzungen bei der zuständigen Behörde angeben. Der Antrag wurde in der Fassung des Abänderungsantrags einstimmig angenommen.

Österreich habe international Anerkennung für diesen wichtigen rechtlichen Schritt erhalten, betonte Martin Engelberg (ÖVP). Die Staatsbürgerschaft sei eine wichtige Geste für die NS-Opfer und ihre Nachkommen, die sehr oft noch sehr verbunden mit Österreich seien. Hannes Amesbauer (FPÖ) hob die konstruktiven Gespräche zu den Regelungen zwischen den Parteien hervor. Erst die Umsetzung der Regelungen habe ihre Lücken in der Praxis aufgezeigt, begrüßte auch Sabine Schatz (SPÖ) die Erweiterung des Staatsbürgerschaftsrechts.

Zusätzlich beschlossen ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne in diesem Zusammenhang auch einen im Ausschuss eingebrachten gemeinsamen Entschließungsantrag. Darin forderten sie die Bundesregierung auf, die Mehrkosten, die durch den Vollzug dieser neuen Bestimmungen entstehen, bei den Verhandlungen über den Finanzausgleich für die Jahre ab 2024 zu berücksichtigen. Die Staatsbürgerschaftsanzeigen würden zentral von der Wiener Magistratsabteilung 35 abgewickelt, erklärte Sabine Schatz (SPÖ) und forderte, dass Wien dementsprechend Unterstützung für diese Aufgabe erhalten sollte. Der Entschließungsantrag sollte weiter gefasst werden, begründete Stephanie Krisper (NEOS) ihre Ablehnung des Antrags und hinterfragte, ob Betroffene mit den vorhandenen Ressourcen zeitnah eine Entscheidung der Behörde erhalten könnten.

Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes ermöglicht Staatsbürgerschaft innerhalb von drei Jahren nach Volljährigkeit

Mit einem gemeinsamen Initiativantrag von ÖVP und Grünen soll eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes vollzogen werden (2222/A). Damit soll Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn sie diese spätestens drei Jahre (bisher zwei Jahre) nach dem Eintritt der Volljährigkeit beantragen. Damit kommt Österreich dem Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit nach, heißt es in der Begründung. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS mehrheitlich angenommen. Die Fristerweiterung sei eine gewaltige Verbesserung für Betroffene, hob Agnes Sirkka Prammer (Grüne) in der Debatte hervor. In letzter Zeit habe sich gezeigt, wie wichtig eine Staatsbürgerschaft und der damit verbundene Schutz sei.

Sicherheitspolizeigesetz: Schutzzonen für wesentliche Gesundheitseinrichtungen

Rund um wesentliche Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser sollen die Sicherheitsbehörden künftig eine Schutzzone erlassen können. Mit dieser heute durch einen Abänderungsantrag im Innenausschuss eingebrachten Regelung möchten die Regierungsparteien der Radikalisierung gegen die Corona-Maßnahmen entgegen wirken. COVID-19-MaßnahmengegnerInnen hätten in den vergangenen Monaten den Betrieb von Gesundheitseinrichtungen und letztlich die Gesundheit von PatientInnen gefährdet, wird im Antrag angeführt. Damit dies künftig verhindert werden kann, soll es den Sicherheitsbehörden möglich sein, einen bestimmten Ort, an dem eine Störung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu befürchten ist, mit Verordnung zur Schutzzone zu erklären. Die Schutzzone gilt dann für das Schutzobjekt sowie in einem Umkreis von bis zu 150 Metern. Die Sicherheitsorgane erhalten mit der Einrichtung von Schutzzonen zudem die Möglichkeit eines Betretungsverbots und Wegweiserechts gegen bestimmte Personen. Die Regelungen sollen vorerst befristet bis Ende 2022 eingeführt werden.

Der ursprüngliche Antrag der Regierungsparteien zielt auf die sprachliche Anpassung des Sicherheitspolizeigesetzes ab (2223/A). Damit soll im Gesetz künftig nicht mehr von "Männern und Frauen", sondern von "allen Geschlechtern" die Rede sein. Der Antrag wurde in der Fassung des Abänderungsantrages mit den Stimmen von ÖVP und Grünen mehrheitlich beschlossen.

Mit dem Antrag komme man einer Entschließung des Nationalrats von vergangenem Dezember nach, erklärte Andreas Minnich (ÖVP). Er diene zum Schutz all jener, die anderen helfen würden, war sich Minnich mit Georg Bürstmayr (Grüne) einig. Mit dem Antrag komme man nicht der Entschließung nach, meinte hingegen Reinhold Einwallner (SPÖ),) da darin keine Schutzzonen gefordert wurden. Diese würden zudem das Versammlungsrecht einschränken und damit wären auch Demonstrationen des Krankenhauspersonals vor Ort nicht mehr möglich. Der Antrag sei ein massiver Eingriff in die Versammlungsfreiheit, stimmte Hannes Amesbauer (FPÖ) zu und verurteilte die Behinderung von Rettungsfahrzeugen und Drohungen gegenüber des Gesundheitspersonals. Versammlungen rund um Krankenhäuser könnten durch die Regelungen des Antrags nicht untersagt werden, entgegnete Georg Bürstmayr (Grüne). Die Schutzzonen könnten nur bei konkreten Verdachtslagen eingerichtet werden, die Regelung sei bis Jahresende befristet und werde danach evaluiert.

SPÖ: Verstärkte Vertrauenswürdigkeitsprüfungen beim Staatsschutz

Um eine klare Abgrenzung von extremistischem Gedankengut bei MitarbeiterInnen der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst besser zu gewährleisten und mehr personelle Sicherheit und Objektivität sicherzustellen, legt die SPÖ einen Initiativantrag vor (2287/A). Demnach sollen die Vertrauenswürdigkeitsprüfungen alle drei Jahre wiederholt werden. Ebenso soll dies bei Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit sowie bei der Bestellung eines Bediensteten in eine höhere Funktion erneut erfolgen. Reinhold Einwallner (SPÖ) begründete den Antrag mit der in Kritik geratenen Besetzung der Leitung eines Landesverfassungsschutzes vor wenigen Wochen. Die Regelungen der BVT-Reform seien von allen Parteien getroffen worden und seien noch sehr jung, man solle diese daher nicht gleich wegen eines Anlassfalls ändern, meinten hingegen Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Georg Bürstmayr (Grüne). Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

NEOS fordern gesonderte Auswertung von Femiziden in Kriminalstatistik

In Österreich würden weder konkrete Daten zu Femiziden erhoben, noch geschlechtsspezifische Motive von Gewalttaten erfasst, bemängeln die NEOS in einem Entschließungsantrag (2263/A(E)). Damit fehle die empirische Grundlage für eine evidenzbasierte Gewaltschutzpolitik. Die NEOS fordern daher, Femizide in der polizeilichen Kriminalstatistik gesondert auszuwerten. Zudem sollen bei Morden nicht wie bisher nur das Geschlecht, sondern auch die Beziehung zwischen Opfern und Tätern sowie etwaige geschlechtsspezifische frauenfeindliche Motive erfasst werden.

Man brauche eine Datengrundlage für den Kampf gegen Femizide, forderte Stephanie Krisper (NEOS). Der Antrag sei ein sehr wichtiges Zeichen, entsprechende Zahlen seien wichtig, pflichtete Sabine Schatz (SPÖ) bei. Volle Unterstützung in der Bekämpfung von Frauenmorden, sagte Corinna Schwarzenberger (ÖVP) zu, begründete ihren Vertagungsantrag aber damit, dass es zur systematischen Erhebung einer international anerkannten Definition von Femiziden brauche. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Berichte zum COVID-19-Krisenbewältigungsfonds: Corona-Schutz der Exekutive 2021

Insgesamt 15,9 Mio. € standen dem Innenministerium 2021 zur Verfügung, um für PolizistInnen sowie Bedienstete im Innenressort und im Fremdenwesen Schutzvorkehrungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zu treffen. Auch Menschen, die sich in Bundesbetreuungseinrichtungen aufhalten, sind Teil der Zielgruppe der BMI-Schutzmaßnahmen. Ende 2021 kamen PolizistInnen auch an bestimmten Grenzübergängen Österreichs zum Einsatz. An finanziellen Auswirkungen weist das Ministerium für den Zeitraum Jänner bis September 2021 6,5 Mio. € (Inneres) bzw. 134.664,86 € (Fremdenwesen) aus (III-456 d.B.). In den weiteren Monaten des Vorjahres erhöhten sich die Ausgaben im Bereich Inneres um 118.814,16 € (Oktober, III-487 d.B.), 277.396,19 € (November, III-510 d.B.) und 2,3 Mio. € (Dezember, III-546 d.B.). Im Bereich Fremdenwesen erhöhte sich der Mitteleinsatz lediglich im Dezember 2021 um 4.731 €. Für das laufende Jahr sind laut Jänner 2022-Bericht (III-578 d.B.) keine Mittel aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für das Innenressort budgetiert. Die Berichte wurden mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Innenausschuss) pst