Parlamentskorrespondenz Nr. 306 vom 23.03.2022

Nationalrat spricht sich für Einrichtung eines neuen Forschungszentrums GeoSphere Austria aus

Einstimmiger Appell der Abgeordneten für die Wahrung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei

Wien (PK) — Ein neues nationales Kompetenzzentrum "GeoSphere Austria — Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie" wird in den kommenden Jahren aus der Zusammenführung der Geologischen Bundesanstalt (GBA) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) entstehen. Der Nationalrat sprach sich heute mit der Mehrheit von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS für ein Gesetz aus, das die Zusammenführung von GBA und ZAMG regeln wird. Die SPÖ sieht allerdings noch offene Fragen und stimmte nicht zu. Laut Wissenschaftsminister Martin Polaschek wird die neue Einrichtung wichtige Daten für die Klimaforschung und die Daseinsvorsorge bereitstellen und Spitzenforschung auf internationalem Niveau durchführen.

Die FPÖ-Forderung nach Aufhebung der COVID-19-Sondervorschriften an Hochschulen und ein NEOS-Antrag für eine Erhebung von Corona-Folgen auf Bildungschancen von Studierenden blieben in der Minderheit. Auch mit dem Antrag auf höhere Förderungen für Fachhochschulen konnte sich die FPÖ nicht durchsetzen.

Einhellige Zustimmung fand ein Antrag, in dem die Fraktionen auf die schwierige menschenrechtliche Lage in der Türkei aufmerksam machen. Basis des gemeinsamen Antrags der Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen war ein SPÖ-Entschließungsantrag mit der Forderung nach Freilassung von türkischen JournalistInnen.

Aus ZAMG und GBA wird GeoSphere Austria

Breite Zustimmung fand das Vorhaben der Bundesregierung, mit der Ausgliederung und Zusammenführung der Bundesanstalten Geologische Bundesanstalt (GBA) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eine neue Forschungseinrichtung GeoSphere Austria (GSA) aufzubauen. Im Nationalratsplenum brachten die Koalitionsparteien noch einen Abänderungsantrag ein. Er diente der redaktionellen Berichtigung von Änderungen in den Sozialversicherungsbestimmungen, die im Errichtungsgesetz zur Schaffung der GSA enthalten sind.

Petra Oberrauner (SPÖ) meinte, die Restrukturierung der Wetterdienste sei an sich eine gute Idee. Der vorliegende Vorschlag der Bundesregierung lasse aber befürchten, dass die neue Struktur vor allem zu Lasten der SteuerzahlerInnen gehen werde. Die SPÖ vermisse auch eine klare Regelung der privatwirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten und des Rechnungswesens. Melanie Erasim (SPÖ) kritisierte, die GSA habe eine unklare Aufgabenbeschreibung und werde zur Schaffung eines Datenmonopols und zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Katharina Kucharowits (SPÖ) betonte, es sei darauf zu achten, dass die neue Einrichtung ihre Daten der Forschung zur Verfügung stellen. Sie kritisierte, dass die Regierungsfraktionen im Forschungsausschuss wichtige Forderungen der Opposition vertagt hätten. Diese reichten von einer transparenteren Finanzierung, einer Wasserstoffstrategie zu einer Strategie für digitale Unabhängigkeit Österreichs und Europas.

Rudolf Taschner (ÖVP) betonte, es handle sich um einen Meilenstein in der naturwissenschaftlichen Forschungslandschaft. Österreich verfüge über eine lange Tradition der Erforschung der Geodynamik und des Klimas auf höchstem Niveau. Gerade im wichtigen Bereich der Klimatologie könne Österreich auf bedeutende Forschung hinweisen. Gerade die Landwirtschaft sei auf verlässliche Wetterdaten angewiesen, sagte Carina Reiter (ÖVP). Klimaforschung helfe, die komplexen Vorgänge der Atmosphäre zu verstehen und die Folgen des Klimawandels abzuschätzen.

FPÖ-Forschungssprecher Christian Hafenecker sagte, die Zusammenlegung der Wetterdienste sei eine alte Forderung seiner Fraktion, deren Umsetzung lange gedauert habe. Aus seiner Sicht erfolge eine Verschlankung des Verwaltungsaufwands. Die Freiheitlichen würden aber sehr genau darauf achten, dass die Zusammenlegung und die Besetzung der Führungspositionen transparent erfolgt.

Eva Blimlinger (Grüne) wies die Kritik der SPÖ zurück und meinte, offenbar habe man sich seitens der SozialdemokratInnen mit den Inhalten des Gesetzes nicht auseinandergesetzt. Hier gehe es um mehr als einen Wetterdienst, sondern um eine autonome Forschungsinstitution. Viele der Forschungsthemen, die die Opposition in ihren Anträgen anspreche, werde die neue Institution abdecken, betonte sie.

Seine Fraktion stimmte der Zusammenlegung der beiden Bundesanstalten zu, betone aber, dass der Datenzugang offen sein müsse, sagte Helmut Brandstätter (NEOS). Der Kampf gegen den Klimawandel erfordere noch weit stärkere Anstrengungen. Er hoffe, dass die neue Einrichtung hier wesentlich zur Bewusstseinsbildung beitragen werde.

Polaschek: Neue Forschungseinrichtung wird zur Bewältigung des Klimawandels beitragen

Von der GSA verspricht sich Wissenschaftsminister Martin Polaschek eine neue Einrichtung der Spitzenforschung. Diese werde die notwendigen Daten liefern, die im Kampf gegen den Klimawandel und für die Sicherung der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen notwendig sind. Damit werde eine Kompetenzstelle für einen wissensbasierten Umgang mit dem Klimawandel entstehen. Zu den aktuellen Herausforderungen gehören laut Polaschek die Raumplanung, die Auseinandersetzung mit der Rohstoffverknappung, der Schutz vor Naturgefahren und das Katastrophenmanagement. Auch die Forschung zur nachhaltigen Energieversorgung, Energiespeicherung und der Grundwasserschutz würden von der neuen Organisation profitieren.

Die GSA werde als Einrichtung öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit errichtet, führte der Minister aus. Positiv sei aus seiner Sicht, dass eine Übernahme des bestehenden Personals erfolge und es dabei keinerlei Verschlechterungen geben werde. Er habe vielmehr in den beiden Einrichtungen eine hohe Motivation und eine Aufbruchsstimmung zur Schaffung der neuen Institution wahrgenommen, betonte der Wissenschaftsminister. Die GSA werde über ein jährliches Budget von rund 40 Mio. € verfügen und als eine Forschungseinrichtung unter dem Schirm des Forschungsfinanzierungsgesetzes (FoFinaG) Leistungsvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium abschließen. Polaschek betonte, dass es durch die GSA zu keinen Mehrkosten und keinen Wettbewerbsverzerrungen kommen werde, wie die SPÖ befürchte. Vielmehr werde man die Forschung der beiden Organisationen im Sinne von Open Data und Open Science zusammenführen. Bestellungsvorgänge würden selbstverständlich transparent erfolgen, betonte Polaschek. Die neue Einrichtung werde eine schlagkräftige Einrichtung bilden, die international vernetzt im Sinne der Vorsorge tätig sein und rasch vor drohenden Naturgefahren warnen werde.

Opposition bleibt mit Anliegen zu Hochschulen in der Minderheit

Keine Mehrheit gab es für mehrere Anträge der Opposition zu Hochschulthemen. Die FPÖ forderte etwa ein Ende der COVID-19-Sondervorschriften an Hochschulen. Sie hatte beantragt, dass das 2. COVID-19-Hochschulgesetz nicht wie derzeit vorgesehen mit 30. September 2022, sondern bereits mit 28. Februar 2022, also mit Ende des Wintersemesters 2021/22, außer Kraft tritt.

Ein NEOS-Antrag für eine vertiefende Studie zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Bildungschancen von Studierenden fand ebenso keine Mehrheit. Die NEOS hatten vorgeschlagen, die Auswirkungen von Distance-Learning an Hochschulen sowie die finanziellen Folgen der Pandemie auf den Kompetenzerwerb und die Bildungschancen von Studierenden zu untersuchen.

FPÖ fordert mehr Förderungen für Fachhochschulen

Auch ein Antrag, mit dem die Freiheitlichen sich dafür einsetzten, die Fördersätze für Fachhochschulplätze um zumindest zehn Prozent zu erhöhen, blieb in der Minderheit. Die FPÖ wollte die aus ihrer Sicht "dramatische Finanzlage" der Fachhochschulen damit verbessern. Die Erhöhung der Fördersätze reiche angesichts der hohen Inflation bei Weitem nicht aus, daher sei eine jährliche automatische Anpassung notwendig, sagte Axel Kassegger (FPÖ).

Seitens der Koalition begründete Nico Marchetti (ÖVP) die Ablehnung damit, dass die Fördersätze der Fachhochschulen im Jahr 2021 bereits um 10 Prozent erhöht wurden. Eva Blimlinger (Grüne) betonte, die Forderung der Opposition nach einer Erhöhung der Zahl an FH-Studienplätzen greife zu kurz. Die Frage, wo konkret neue Studienplätze erforderlich seien, müsste vielmehr als Teil eines Fachhochschulplans im Kontext des gesamten Hochschulsystems diskutiert werden.

Der Antrag sei zwar im Detail überholt, die grundsätzliche Forderung nach einer besseren Unterstützung der Fachhochschulen bleibe jedoch aktuell, meinte auch Andrea Kuntzl (SPÖ). Ihre Fraktionskollegin Eva Maria Holzleiter forderte, auch an den Fachhochschulen die Studiengebühren abzuschaffen.

Nationalrat: Lage der Menschen- und Grundrechte in der Türkei alarmierend

Auf die immer schwierigere Situation für JournalistInnen, aber auch KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und RechtsanwältInnen in der Türkei machen die fünf Parlamentsfraktionen in einer gemeinsam gefassten Entschließung aufmerksam. Angestoßen wurde das Thema von der SPÖ, die in einem Entschließungsantrag insbesondere auf die Verhaftung der TV-Journalistin Sedef Kabas nach einer regierungskritischen Äußerung in einer Fernsehsendung im Jänner aufmerksam machte.

Mit einer Abänderung des ursprünglichen SPÖ-Antrags wiesen ÖVP, Grüne und SPÖ im außenpolitischen Ausschuss des Parlaments auf die bedenklichen Entwicklungen im Bereich der Meinungs- und Medienfreiheit in der Türkei hin. Die Abgeordneten sprechen sich dafür aus, dass Österreich sich weiterhin für eine freie Meinungsäußerung in der Türkei einsetzen soll. Österreich soll laut den Abgeordneten auch für die Freilassung türkischer JournalistInnen eintreten, die aufgrund von Verfahren, die nicht den internationalen rechtsstaatlichen Standards entsprechen, in Haft sind.

Antragstellerin Eva Maria Holzleitner (SPÖ) sagte, die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei müssten ganz klar angesprochen werden. Die Türkei falle im Ranking der Pressefreiheit immer weiter zurück. Ein aktueller EU-Bericht zur Lage der Menschen- und Grundrechte in der Türkei halte fest, dass im Zeitraum der zweieinhalb Jahre bis Jänner 2021 mindestens 353 JournalistInnen in der Türkei strafrechtlich verfolgt wurden. Auch bei der Freiheit der Meinungsäußerung gab es laut dem Bericht erhebliche Rückschritte. Gerade angesichts der Tatsache, dass derzeit andere Themen, etwa die Situation in der Ukraine, die Nachrichten beherrschen, sei es wichtig, die Lage der Medien in der Türkei nicht aus den Augen zu verlieren, sagte Harald Troch (SPÖ). Präsident Erdogan verfolge AktivistInnen und habe die unabhängige Justiz seines Landes faktisch beseitigt.

Meinungsfreiheit sei die Basis für Demokratie und eine offene Gesellschaft, sagte Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP). Angriffe auf JournalistInnen würden weltweit immer häufiger. Hier könne Diplomatie durchaus etwas bewirken. Pressefreiheit erfordere aber auch Verantwortung und die Wahrung der journalistischen Ethik, betonte Jeitler-Cincelli. Hier sehe sie auch in Österreich Probleme, sagte die Abgeordnete, etwa in Form von ungerechtfertigten medialen Vorverurteilungen und der Missachtung der Unschuldsvermutung.

Christian Hafenecker (FPÖ) sagte, die Beschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei sei dramatisch und klar zu verurteilen. Darüber solle man aber nicht vergessen, dass es auch in Österreich immer mehr Fälle von Zensur und Einschränkung von Meinungsfreiheit gebe, das zeige sich am Umgang mit dem Ukrainekrieg. Hafenecker kritisierte die Aussagen von ÖVP-Abgeordneter Jeitler-Cincelli scharf und meinte, gerade ihrer Fraktion fehle es an Glaubwürdigkeit, was den Umgang mit Medien betreffe.

Michel Reimon (Grüne) betonte, gerade angesichts des Ukrainekriegs und der Rolle der Türkei als NATO-Mitglied sei Österreich aufgerufen, als neutrales EU-Mitglied seine moralische Verpflichtung wahrzunehmen und die Lage in der Türkei anzusprechen. Das Vorgehen gegen russische Staatsmedien habe aus seiner Sicht nichts mit Zensur zu tun, sagte er in Richtung FPÖ. Regierungspropaganda und Falschinformationen könnten sich nicht auf Pressefreiheit berufen, argumentierte Reimon.

Helmut Brandstätter (NEOS) meinte grundsätzlich zur Frage der österreichischen Neutralität, gegenüber den Vorgängen in der Ukraine und russischen Aggressionsdrohungen könne Österreich sich nicht neutral verhalten. Die derzeitige Situation erfordere es, sich nicht nur mit der Lage der Pressefreiheit in der Türkei auseinanderzusetzen, sondern auch in anderen Ländern, etwa Serbien, erinnerte er. (Fortsetzung Nationalrat) sox/kar

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