Parlamentskorrespondenz Nr. 351 vom 05.04.2022

SPÖ fordert in Dringlichem Antrag Maßnahmen gegen die Teuerung

Sondersitzung des Nationalrats anlässlich hoher Preissteigerung

Wien (PK) – Die SPÖ nutzte die heutige Sondersitzung des Nationalrats für einen Dringlichen Antrag anlässlich der hohen Teuerung. Sie forderte vom Bundeskanzler ein Sofortmaßnahmenpaket, das unter anderem eine Senkung der Steuern auf Arbeit sowie auf Treibstoffe, Strom und Gas vorsieht. Weitere Forderungen sind eine Rücknahme der Erhöhung der Richtwertmieten, eine vorgezogene Pensionserhöhung, ein höheres Arbeitslosengeld sowie eine Abschöpfung der Krisengewinne von Energiekonzernen. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner warf der Regierung vor, die Mittelschicht im Stich zu lassen und zu wenig wirksame Maßnahmen zu setzen.

Die Bundesregierung habe bereits Entlastungen im Volumen von rund 4 Mrd. € umgesetzt, entgegnete Bundeskanzler Karl Nehammer. Um die Menschen weiter zu unterstützen und eine Inflationsspirale zu vermeiden, brauche es kreative Lösungen. Auch die VertreterInnen der Regierungsparteien verwiesen auf die bisherigen und aus ihrer Sicht treffsicheren Maßnahmen. Bei Bedarf seien weitere Entlastungsschritte möglich. Für die FPÖ hat man seitens der Bundesregierung und der Länder noch nicht "an allen Schrauben" zur Entlastung gedreht. Sie fordert etwa eine Mineralölsteuersenkung sowie einen Preisdeckel für Lebensmittel. Die NEOS sprechen sich neben der Abschaffung der kalten Progression für zielgerichtete und temporäre Maßnahmen aus, wie etwa eine Steuersenkung auf Strom und Gas. Bei der Abstimmung blieb der Dringliche Antrag der SPÖ in der Minderheit.

Vor der Debatte fand eine Schweigeminute für die Opfer des Massakers in Butscha statt. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka verurteilte das Kriegsverbrechen, das durch nichts zu entschuldigen oder zu relativieren sei. Nehammer forderte Aufklärung und eine Befassung der internationalen Strafjustiz. Einem Importverbot für russisches Gas als mögliche weitere Sanktion erteilte er eine Absage.

Rendi-Wagner will Fünf-Punkte-Agenda für leistbares Leben

Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) forderte eine Fünf-Punkte-Agenda für ein leistbares Leben in Österreich. Sie berichtete von Ängsten der Menschen, sich das Leben nicht mehr leisten zu können. Die Inflation sei so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Inmitten dieser Rekordinflation habe die Regierung entschieden, die Erhöhung der Richtwertmieten nicht auszusetzen. Für Rendi-Wagner ist das ein "Sündenfall" und ein schwerer Fehler aus sozialpolitischer und aus wirtschaftspolitischer Sicht. Auch dass die Spritpreise nicht reguliert wurden, kritisierte sie. Mit Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln gerate zuletzt die Mittelschicht immer stärker unter Druck. Genau diese Menschen lasse die Regierung im Stich, so Rendi-Wagner. Maßnahmen wie Einmalgutscheine sind für sie "zu wenig, zu spät, zu zögerlich, hilflos und planlos".

Scharfe Kritik übte sie auch an Finanzminister Magnus Brunner, der in einem Interview gefordert hatte, dass sich die Gewerkschaften bei den Lohnverhandlungen in Zurückhaltung üben sollten, die Löhne also nicht stark steigen sollten. Für die SPÖ-Klubobfrau ist diese Forderung "erbärmlich und unerträglich". Von den Grünen vermisste Rendi-Wagner Aktionen gegen die Teuerung. Wenn diese noch ein politisches Gewicht in der Koalition hätten, sollten sie es nun in die Waagschale werfen, meinte sie.

In ihrem Antrag fordern die SozialdemokratInnen anlässlich der Schnellschätzung der Statistik Austria, nach der die Preissteigerung für März 2022 bei 6,8% liegt, Maßnahmen gegen die Teuerung. Zur Erhöhung der Einkommen brauche es etwa eine Senkung der Steuerung auf Arbeit um 1.000 € im Jahr, ein gerechtes Pendlerpauschale, eine vorgezogene Pensionserhöhung, ein Arbeitslosengeld von 70% des Letzteinkommens sowie eine Valorisierung der Studienförderung. Um Preissteigerungen zu dämpfen, will die SPÖ eine Rücknahme der Erhöhung der Richtwertmieten und eine Senkung der Mehrwertsteuer sowie Preisdeckeln bei Treibstoffen, Strom und Gas durchsetzen. Mehr Verteilungsgerechtigkeit soll durch eine Erhöhung der Mindestpensionen, einer Abschöpfung der Krisengewinne von Energiekonzernen und eine Rücknahme der Körperschaftsteuersenkung erreicht werden. Im Bereich Energiepolitik fordern die SozialdemokratInnen, dass Verordnungen zur Umsetzung des Erneuerbaren-Ausbaugesetzes erlassen werden, ein Zeitplan für alternative Gasquellen und Ausstiegsszenarien vorgelegt werden und Haushalte beim Ausstieg aus Erdgas unterstützt werden.

Nehammer für kreative Lösungen gegen die Teuerung

Die steigenden Preise seien für die Regierung ein sehr ernst zu nehmendes Problem, sagte Kanzler Nehammer. Deshalb seien bereits mehrere Pakete im Volumen von insgesamt rund 4 Mrd. € geschnürt worden, um die sozialen Folgen abzufedern. Weil das Geld, das für diese Hilfen benötigt wird, auch erwirtschaftet werden muss, sei es besonders wichtig, die arbeitenden Menschen zu unterstützen, betonte Nehammer, der anhand mehrerer Beispiele die Entlastung vorrechnete. Er führte unter anderem den Energiekostenausgleich, die ökosoziale Steuerreform und das Aussetzen von Ökostrompauschale und –beitrag als bereits umgesetzte Maßnahmen an. Das werde wahrscheinlich nicht das letzte sein, was die Regierung zur Abfederung der Teuerung tue. Das gefährlichste, was jetzt passieren könne, sei eine Inflationsspirale, weshalb der Finanzminister gefordert habe, maßvoll mit Lohnerhöhungen umzugehen. Es brauche andere, kreative Lösungen, so Nehammer. Auftrag und Verpflichtung der Bundesregierung sei es, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, zu spüren, wo Hilfen notwendig seien und dort zu unterstützen.

SPÖ: Die Koalition hat die aktuelle Situation verschlafen

"Es gibt in diesem Land Menschen, die am Ende des Monats entscheiden müssen, ob sie einkaufen gehen oder einheizen", da die Bundesregierung die aktuelle Situation "verschlafen" habe, kritisierte Jörg Leichtfried (SPÖ). Vor allem PensionistInnen und PendlerInnen seien von der Teuerung besonders betroffen. Monatelang habe die SPÖ versucht, ÖVP und Grüne zum Handeln zu bewegen, "doch die Bundesregierung tut nichts", so der SPÖ-Mandatar weiter. Dies zeige sich auch daran, dass sich derzeit nur drei Gesetzesanträge in der parlamentarischen Begutachtung befinden würden. So eine Situation habe es noch nie gegeben.

Rainer Wimmer (SPÖ) warf der Bundesregierung vor, die belastende Situation der BürgerInnen nicht ernst zu nehmen und lediglich Almosen zu verteilen. Dies habe sich zuletzt bei der Mieterhöhung bestätigt, bei der sich die Koalition auf die Seite der Hauseigentümer gestellt habe und die MieterInnen im Stich lasse. Die Mieterhöhung von 6% sei die höchste seit es dem derzeitigen Mietrechtssystem, ergänzte Ruth Becher (SPÖ). Die Grünen als Teil der Koalition hätten damit ihr soziales Gewissen "an der Garderobe abgegeben". Eva Maria Holzleitner (SPÖ) sprach eine "prekäre Lage" von Pensionistinnen, Alleinerziehenden und teilzeitbeschäftigten Frauen an, die in ihren Augen die Heldinnen der Krise darstellten. Ihr Fraktionskollege Kai Jan Krainer bemerkte, dass mehr als die Hälfte des von der Koalition versprochenen Entlastungsvolumens derzeit nur angekündigt und von einer Beschlussfassung noch weit entfernt sei.

ÖVP: Die Bundesregierung hat treffsicher gehandelt

"Diese Bundesregierung hat ihre soziale Verantwortung wahrgenommen und treffsicher gehandelt", entgegnete ÖVP-Klubobmann August Wöginger der SPÖ-Kritik. In einem ersten Paket habe man Menschen mit niedrigem Einkommen entlastet, daran anschließend habe man vor allem PendlerInnen und die Wirtschaft unterstützt. Dank der Beschlüsse der Bundesregierung würden etwa MindestpensionistInnen im Burgenland um über 1.300 € entlastet werden. Zudem würden die SozialdemokratInnen Dinge fordern, die etwa auch im SPÖ-geführten Wien nicht umgesetzt würden. Wöginger bezeichnete den Bürgermeister der Bundeshauptstadt als "Obergebühreneintreiber der Republik", da Wien die stärksten Abgabenerhöhungen eingeführt habe.

Die SPÖ versuche den Eindruck zu vermitteln, dass die Teuerung auf Österreich beschränkt sei, kritisierten die ÖVP-Abgeordneten Tanja Graf und Johannes Schmuckenschlager den Dringlichen Antrag. Tatsächlich sei ganz Europa von der geopolitischen Krise und ihren Auswirkungen betroffen. Besonders schwer werde diese Entwicklung aber in Afrika spürbar werden, wo ebenfalls Hilfe geleistet werden müsse. Die bereits beschlossenen Entlastungen seien keine Almosen, wie die SPÖ behaupte, sondern notwendige, substantielle Unterstützungen für die Menschen, so Tanja Graf. Auch die Steuersenkung auf Arbeit sei mit der ökosozialen Steuerreform bereits auf den Weg gebracht.

FPÖ: Es wird nicht an allen Schrauben zur Entlastung gedreht

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sprach davon, dass nicht "an allen Schrauben" zur Entlastung der Bevölkerung gedreht werde. Dies betreffe sowohl die Bundesregierung sowie die Bundesländer. Kickl nahm dabei auch die SPÖ-geführten Bundesländer in die Verantwortung. Um die Menschen rasch und unbürokratisch zu entlasten, brauche es eine Senkung der Steuern auf Energie, eine Reduktion der Mineralölsteuer- und Mehrwertsteuer sowie einen Preisdeckel für Lebensmittel. Was die Sanktionen gegen Russland betrifft, so seien diese nicht zu Ende gedacht und "ein Schuss ins eigene Knie".

Es bringe nichts, "mit Milliarden um sich zu werfen", wie es die Regierung pflege – es komme darauf an, was den einzelnen konkret zum Leben bleibe, kritisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) die Argumentation der Regierungsfraktionen. Sie erkenne im Dringlichen Antrag der SPÖ durchaus sinnvolle Forderungen, bemängelte jedoch das "ideologische Klimbim" darin, das eine Zustimmung ihrer Fraktion verunmögliche. Sowohl Belakowitsch als auch Erwin Angerer (FPÖ) zeigte Unverständnis darüber, dass aus ihrer Sicht zu wenig gegen die hohen Energiekosten unternommen würde, obwohl der Staat bei vielen Energiekonzernen der Haupteigentümer sei. Die aktuelle Teuerung sei nicht lediglich dem Krieg in der Ukraine, sondern einem generell mangelhaften Krisenmanagement - insbesondere was die Pandemie betrifft – geschuldet, ergänzte Peter Wurm (FPÖ).

Grüne: Bei Bedarf weitere Maßnahmen möglich

Lange Zeit habe man von Seiten Österreichs "Putin den roten Teppich ausgelegt", durch die Preissteigerungen spüre man nun die Folgen des Ukraine-Krieges, so Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. Die Bundesregierung habe aber bereits gehandelt und bis dato 4 Mrd. € an Entlastung in die Wege geleitet. Dazu zähle etwa der Teuerungs- und Energiekostenausgleich sowie die vorgezogenen Entlastungsmaßnahmen für geringe und mittlere Einkommen im Rahmen der Steuerreform. Damit habe man auch im internationalen Vergleich rasch gehandelt und stelle bisherige Unterstützungspakete von Vorgängerregierungen in den Schatten. Es seien aber auch die Bundesländer und Gemeinden aufgerufen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Zudem werde man bei Bedarf weitere Maßnahmen treffen, versicherte Maurer.

Von einem Zusammentreffen von drei veritablen, globalen Krisen sprach Markus Koza von den Grünen. Die Vorstellung, dass Österreich die Auswirkungen der Pandemie, der Klimakrise und des Krieges in der Ukraine alleine stemmen könne, bezeichnete er als reine Illusion. Gleichzeitig sei es natürlich die Aufgabe der Politik, besonders verletzliche Gruppen nun bestmöglich zu unterstützen, was durch die Maßnahmen der Regierung auch geschehe. Hauptverantwortlich für die Teuerung sah Lukas Hammer (Grüne) die steigenden Öl- und Gaspreise. Die richtige Lehre aus der Krise sei es deshalb, langfristig die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden und sich nicht nur in "Symptombekämpfung" zu ergehen.

NEOS: Es geht um zielgerichtete und temporäre Hilfe

Die NEOS würden seit Monaten auf die Preissteigerungen hinweisen, jetzt kämen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges noch hinzu, so NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Österreich selbst habe jedoch keinen Einfluss darauf, weshalb es nun darum gehe, jene Menschen zielgerichtet und temporär zu unterstützen, die davon am meisten betroffen seien. Meinl-Reisinger wiederholte dabei einmal mehr die NEOS-Forderung nach der Abschaffung der kalten Progression. Zudem brauche es eine Steuersenkung auf Strom und Gas, eine Reduktion der Lohnnebenkosten sowie Gebührensenkungen auf Bundes- und Landesebene. Was manche Vorschläge der SPÖ betrifft, gebe es dazu "ein klares Nein" der NEOS, da es sich dabei um planwirtschaftliche Zugänge handle.

Die SPÖ habe im Dringlichen Antrag ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, das niemand in Regierungsverantwortung umsetzen würde – auch die Sozialdemokratie nicht. Es handle sich nämlich um ein "Wünsch-dir-was-Paket" und "Brachialpopulismus" ohne nachhaltige Vorschläge, so NEOS-Mandatar Gerald Loacker. Karin Doppelbauer (NEOS) schloss sich Loacker an und warf den SozialdemokratInnen vor, nicht an einer wirklich Lösung interessiert zu sein. Die Inflation sei nicht über Nacht derartig angestiegen, sondern weise schon länger eine problematische Entwicklung auf, der keine substantiellen Maßnahmen entgegengesetzt würden.

Die fraktionslose Abgeordnete Pia Philippa Strache ging auf den Einfluss des Krieges in der Ukraine, die europäische Wirtschaft und den Alltag der BürgerInnen ein. Dieser bringe eine ökonomische Neuordnung und damit zahlreiche Belastungen mit sich, welche die Politik spürbar abfedern müsse.

Anträge der Opposition

Im Rahmen der Sondersitzung brachten die Oppositionsparteien mehrere Entschließungsanträge ein. Für die NEOS machte sich Karin Doppelbauer erneut für eine Inflationsanpassung der Einkommenssteuer-Tarifstufen stark und wollte mit dem Entschließungsantrag auch die Lohnnebenkosten senken. Gerald Loacker (NEOS) forderte eine Behaltefrist für die Kapitalertragssteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten.

In eine andere Richtung ging Erwin Angerer (FPÖ) mit der Forderung nach einem Kinderbetreuungs-Zweckzuschussgesetz zur Umsetzung eines bundesweiten Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik. Fraktionskollege Peter Wurm zeigte ein Entlastungspaket mit zwölf Punkten gegen die aktuellen Preissteigerungen auf. Darin finden sich Steuersenkungen auf Diesel und Benzin ebenso wie die Forderung nach einer Erhöhung des Pendlerpauschales. Weitere Eckpunkte stellen die Abschaffung der CO2-Steuer sowie die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom dar. Sämtliche Anträge der Opposition blieben in der Minderheit. (Schluss Nationalrat) kar/med/wit/gla

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.