Parlamentskorrespondenz Nr. 395 vom 21.04.2022

Koalition: Verhandlungen über diskriminierungsfreie Blutspende in der Schlussrunde

Zahlreiche Oppositionsanträge zu Gesundheits- und Pflegesystem im Gesundheitsausschuss vertagt

Wien (PK) — Mit Forderungen der Opposition zu Fragen des Gesundheits- und Pflegesystems befasste sich der Gesundheitsausschuss in seiner heutigen Sitzung. Alle Anträge wurden mit der Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen vertagt.

Mehrere Anträge bezogen sich auf den Umgang mit den langfristigen Gesundheitsfolgen der COVID-19-Pandemie. Die SPÖ sieht Bedarf an Rehabilitations-Kapazitäten für die Behandlung von Long-COVID-PatientInnen sowie an einer Long-COVID-Strategie insbesondere für Frauen, Kinder und Jugendliche. Die NEOS fordern, dass die Bundesregierung der Wissenschaft einen Forschungsdatensatz bezüglich der COVID-19-Hospitalisierten bereitstellt. Die NEOS setzen sich für einen Beobachterstatus Taiwans in der World Health Organization (WHO) ein, da das Land wertvolle Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie teilen könne.

Die Freiheitlichen kritisieren die COVID-19-Gesetzgebung der Bundesregierung als verfassungswidrig und fordern Entschädigungszahlungen für alle Personen, die aus ihrer Sicht aufgrund von Maßnahmen der Bundesregierung Schaden genommen haben. Ein weiteres FPÖ-Anliegen ist ein bundesweites Angebot an Übergangspflege für PatientInnen nach Spitalsaufenthalten.

Die SPÖ tritt für die Beibehaltung der derzeit bis Ende 2022 geltenden Bestimmungen ein, welche die Abgeltung wechselseitiger Ersatzansprüche zwischen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) regeln. Ein weiteres SPÖ-Anliegen ist eine Änderung der Blutspendeverordnung, die eine diskriminierungsfreie Blutspende ermöglichen soll. Von Seiten der Koalition hieß es dazu, dass ein entsprechender Verordnungsentwurf sich bereits in der letzten Runde der Abstimmungsgespräche befinde.

Die NEOS treten für eine einheitliche Finanzierung des Diabetes-Programms "Therapie aktiv" und für Schritte gegen die Fehlernährung von Kindern und Jugendlichen ein, etwa durch die Verbesserung der Qualität der Schulverpflegung.

SPÖ fordert mehr Rehabilitations-Kapazitäten für die Behandlung von Long-COVID-Patienten sowie Long-COVID-Strategie

Die Erfahrungen der COVID-19-Pandemie hätten gezeigt, dass viele PatientInnen auch lange nach der Akutphase der Erkrankung mit gesundheitlichen Einschränkungen konfrontiert seien, zeigte SPÖ-Abgeordneter Rudolf Silvan. Aus Sicht der SPÖ sei es daher erforderlich, umgehend eine Strategie zur Unterstützung der Betroffenen zu entwickeln, weshalb seine Fraktion einen Entschließungsantrag formuliert habe (1591/A(E)). Der Gesundheitsminister solle demnach die Planungsvorgaben des Rehabilitationsplanes 2020 auf Basis der bisher vorliegenden medizinischen Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie aktualisieren. Auch müsse er ausreichend finanzielle Mittel für den zusätzlichen Bedarf an Behandlungskapazitäten im stationären und ambulanten Bereich bereitstellen.

In einem weiteren Antrag zu Long-COVID fordert die SPÖ von der Bundesregierung die Erarbeitung einer zielgerichteten Strategie zur Rehabilitierung und Behandlung. Diese solle einen besonderen Schwerpunkt auf die Zielgruppen Frauen, Kinder und Jugendliche legen, erklärte SPÖ-Abgeordneter Silvan (2342/A(E)). Studien würden zeigen, dass Long-COVID-artige Symptome nicht nur weit verbreitet sind, sondern auch Frauen häufiger als Männer betreffen. Hier müsse eine bessere Datenlage geschaffen werden, um die richtigen Maßnahmen setzen zu könne, sagte Silvan.

Ralph Schallmeiner (Grüne) betonte, dass die Gesundheitspolitik sich intensiv mit der Frage beschäftige, davon hätten sich die Abgeordneten aller Fraktionen auch in einem Gespräch mit Gesundheitsminister Johannes Rauch überzeugen können. Bei der Aufbereitung der Daten sei man bereits auf einem guten Weg. Gabriela Schwarz (ÖVP) hielt der SPÖ-Kritik entgegen, es würden bereits vielfältige Anstrengungen unternommen, um das komplexe Krankheitsbild "Long-COVID" zu erforschen und die richtigen Therapien zur Verfügung zu stellen. So werde in den nächsten Wochen ein Webtool online gehen, das die zielgerichtete Behandlung von Long-COVID-PatientInnen wesentlich erleichtern werde.

NEOS: COVID-19-Forschungsdatensatz für die Wissenschaft und Beobachterstatus Taiwans in der WHO

Bereits vorhandene Daten zu den COVID-19-Hospitalisierten seien immer noch nicht für die Wissenschaft zugänglich, kritisierte NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler (850/A(E)). Hier müsse ein Forschungsdatensatz erstellt werden, der zumindest die relevanten Spitalsdaten mit den entsprechenden Informationen der Sozialversicherung verknüpfe. Außerdem sollten auch die Behandlungsmethoden sowie geeignete Kennzahlen abgespeichert werden, die einen Rückschluss auf die Wirksamkeit der eingesetzten Therapieformen ermöglichen. Der Gesundheitsminister sei hier säumig, meinte die Abgeordnete. Angela Baumgartner (ÖVP) warf ein, dass die Forderungen der NEOS sich auf sensible Gesundheitsdaten beziehen, deren Verknüpfung datenschutzrechtlich nicht so einfach möglich sei.

Die Corona-Pandemie hat laut Auffassung der NEOS deutlich gezeigt, dass es zur Überwindung einer derartigen Gesundheitskrise eine globale Zusammenarbeit aller Länder, unabhängig von politischer Ausrichtung und Gesinnung braucht, argumentierte NEOS-Abgeordnete Fiedler. Eine zentrale Rolle komme dabei der World Health Organisation (WHO) zu, die mit 194 Mitgliedern fast alle Staaten umfasse. Taiwan, das die Pandemie erfolgreich bewältigt habe, solle seine Erfahrungen mit der Welt teilen können. Österreich solle sich auf internationaler Ebene für die Wiedereinführung des Beobachterstatus für Taiwan in der WHO einsetzen, fordern die NEOS (2352/A(E)). ÖVP-Abgeordnete Schwarz sprach sich in ihrem Vertagungsantrag dafür aus, erst die Beratungen des Außenpolitischen Ausschusses abzuwarten, dem ein gleichlautender Antrag vorliege.

FPÖ fordert Entschädigungszahlungen für Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte durch Corona-Maßnahmen

Die FPÖ fordert in einen Entschließungsantrag Entschädigungszahlungen des Bundes für Personen, die "durch gesetzwidrige Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben" (2320/A(E)). Seit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 seien die ÖsterreicherInnen mit Einschränkungen ihrer Grund- und Freiheitsrechte konfrontiert, wie Lockdowns, Ausgangssperren, Demonstrationsverbote, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Zutrittsbeschränkungen, Testpflicht und die Impfpflicht, führte FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm ins Treffen. Viele Geldstrafen seien etwa aufgrund von Verordnungen verhängt worden, die später als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Eine Entschädigung dieser Personen sei jedenfalls angemessen, meinte der FPÖ-Abgeordnete.

ÖVP-Abgeordnete Gabriela Schwarz meinte, dass zweifellos nicht in allen Fällen, die die FPÖ anführe, auch eine Entschädigung juristisch machbar sei. Da ein gleichlautender Antrag aber bereits im Justizausschuss liege, trete sie dafür ein, dessen Beratungen in dieser Frage abzuwarten und die Behandlung im Gesundheitsausschuss zu vertagen.

FPÖ tritt für bundesweiten Rechtsanspruch auf Übergangspflege ein

Einen bundesweiten Anspruch auf stationäre Übergangspflege, also rehabilitative Pflege als Überbrückung nach einer Akutbehandlung im Krankenhaus, bevor ein Patient oder eine Patientin nach Hause entlassen wird, fordert die FPÖ in einem Entschließungsantrag (2318/A(E)). Laut FPÖ-Abgeordneter Rosa Ecker ist es gerade aufgrund der Tatsache, dass der Pflegenotstand bereits eingetroffen sei, unbedingt notwendig, allen Betroffenen in Österreich Zugang zu einem entsprechenden Fördermodell zu geben. Ihre Fraktion fordere daher von der Regierung, ein Übergangspflege-Förderungsgesetz auf den Weg zu bringen, das bereits mit Jahresende 2022 in Kraft treten soll. Die Finanzierung solle dabei vom Sozialversicherungsträger, bei dem die anspruchsberechtigte Person versichert ist, übernommen werden, führte Ecker aus.

Auch Verena Nussbaum (SPÖ) sprach sich für den Antrag aus, der aus ihrer Sicht ein weiterer Baustein einer Pflegereform sein könne. Auch sie sprach von einem bereits eingetretenen Pflegenotstand, da viele Pflegekräfte aufgrund der schlechten Bezahlung den Beruf wechseln würden. Bedrana Ribo (Grüne) verwies hingegen auf die Zuständigkeit der Länder, deren Entlassungsmanagement den Bedarf an stationärer Pflege abdecke. Auch Katharina Werner (NEOS) zeigte sich skeptisch gegenüber dem Vorschlag der FPÖ. Sie sehe die Gefahr, dass mehr Personen in Pflegeeinrichtungen abgeschoben werden, statt möglichst lange im häuslichen Bereich zu verbleiben, meinte sie.

Gesundheitsminister Johannes Rauch war es ein Anliegen, zu betonen, dass er zwar Lücken im Pflegesystem sehe, dass aber von einem allgemeinen Notstand nicht die Rede sein könne, da die Qualität der Pflege in Österreich insgesamt noch immer sehr hoch sei. Das sei auch dem Einsatz des Pflegepersonals zu verdanken, den er ausdrücklich hervorheben wolle.

SPÖ: AUVA soll auch in Zukunft einen Pauschalbetrag an ÖGK überweisen

Die SPÖ tritt für die Beibehaltung der noch bis Ende 2022 geltenden Bestimmungen zur Abgeltung wechselseitiger Ersatzansprüche zwischen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ein (1051/A(E)). Die AUVA solle auch über das Jahr 2022 hinaus der ÖGK einen Pauschalbetrag zur Abgeltung von Behandlungskosten für Berufskrankheiten und für Arbeitsunfälle überweisen, sagte SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum. Der Pauschalbetrag, der bis 2022 mit 209 Mio. € festgesetzt ist, müsse zudem regelmäßig an die Steigerung der Beitragseinnahmen der AUVA angepasst werden. Die SPÖ-Abgeordnete meinte, es sei nicht einzusehen, dass künftig gesonderte Vereinbarungen zwischen der AUVA und der ÖGK notwendig sein werden, da damit ein "Bürokratiemonster" geschaffen werde. Die SPÖ befürchte auch, dass die Arbeitgeberseite keinen ausreichenden Beitrag zur Behandlung von verbreiteten Erkrankungen, die nicht in der Liste der klassischen Berufskrankheiten enthalten seien, leisten werde, obwohl diese ebenfalls in einem hohen Maß auf die Arbeitswelt zurückgehen.

ÖVP-Abgeordneter Laurenz Pöttinger verwies auf derzeit laufende Verhandlungen zwischen AUVA und ÖGK, die auf einem guten Weg seien. Gesundheitsminister Rauch bekräftigte, dass sein Ressort vermittelnd wirke und um eine Lösung der aufgeworfenen Fragen bemüht sei.

NEOS für integrierte Finanzierung des Diabetes-Programms "Therapie aktiv"

Für eine integrierte Finanzierung des Diabetes-Programms "Therapie aktiv", das im Rahmen einer Evaluierung positiv beurteilt worden ist, setzen sich die NEOS ein (319/A(E)). Diabetes sei eine Volkskrankheit, doch befinde sich nur ein geringer Prozentsatz der Betroffenen in einer sogenannten strukturierten Versorgung (DMP). Die Einschreiberate am diesbezüglichen Programm "Therapie aktiv" sei mit 15% im internationalen Vergleich sehr niedrig. Ein Hauptproblem sei die fehlende Finanzierung des Programms "aus einer Hand", argumentierte Fiona Fiedler. Ihre Fraktion fordere daher einen Finanzierungstopf, in den die Landesgesundheitsfonds und Krankenkassen jene Mittel einbringen, die im Normalfall für die PatientInnen ausgegeben werden. Dadurch sollen Maßnahmen für DiabetikerInnen von nur einem Finanzierungsverantwortlichen gesteuert werden.

Für Angela Baumgartner (ÖVP) wirft der Vorschlag der NEOS Fragen auf, da er unter anderem auf ein paralleles Finanzierungssystem für das Programm hinauslaufe. FPÖ-Abgeordneter Gerhard Kaniak unterstützte die Forderungen und meinte, es gebe eine Reihe von Maßnahmen, die einfach umsetzbar seien, um die Einschreiberate in "Therapie aktiv" zu erhöhen.

SPÖ: Diskriminierungsfreie Blutspende endlich umsetzen

Seit nunmehr zwei Jahren werde eine intensivere Debatte zum Thema Diskriminierung beim Zugang zur Blutspende in Österreich geführt, stellt die SPÖ in einem Entschließungsantrag (2233/A(E)) fest. Trotz diverser politischer Absichtserklärungen würden aber Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) beispielsweise vom Roten Kreuz noch immer für zwölf statt vier Monate von der Blutspende ausgeschlossen, was klar den Vorgaben des Gesundheitsministeriums widerspreche, führte SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum aus. Nach dem Beispiel anderer Länder solle daher der Zugang zur Blutspende künftig diskriminierungsfrei gestaltet werden, indem der Zugang zur Blutspende auf Basis des individuellen Risikoverhaltens und nicht auf Basis der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität geregelt werde. Daher solle auch in Österreich umgehend ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität in der Blutspenderverordnung festgeschrieben werden. Wichtig sei dabei, dass die Verordnung klar definiere, was Risikoverhalten darstelle, sagte Nussbaum.

Josef Smolle (ÖVP) betonte, allen Fraktionen sei eine diskriminierungsfreie Regelung der Blutspende, die eine wichtige Leistung für die Allgemeinheit darstelle, ein Anliegen. Ein Entwurf, der auf das individuelle sexuelle Risikoverhalten abstelle, liege bereits vor. Er sei optimistisch, dass dieser bald "in die Schlussrunde gehe". Fiona Fiedler (NEOS) zeigte sich hingegen skeptisch, dass die vorliegenden Regelungsvorschläge tatsächlich das Ziel der Diskriminierungsfreiheit erreichen werde.

NEOS fordern Verbesserung der Qualität der Schulverpflegung

Der Nationale Aktionsplan Ernährung muss laut den NEOS zur Basis konkreter Maßnahmen gemacht werden (2367/A(E)). NEOS-Abgeordnete Katharina Werner betonte, im Sinne der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen müsse vor allem in den Schulen ein stärkerer Fokus auf die Qualität von Essen gelegt und das Projekt "gesunde Schulbuffets" bundesweit ausgerollt werden. Ihre Fraktion trete auch dafür ein, dass die bei den schulärztlichen Untersuchungen erhobenen Daten (Körpergröße, Gewicht) der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Auch SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits unterstützte die Forderungen. Martina Diesner-Wais (ÖVP) sagte, an der Umsetzung des Aktionsplans werde gearbeitet, das erfordere aber noch weitere Erhebungen und einen Datenabgleich. (Schluss Gesundheitsausschuss) sox