Parlamentskorrespondenz Nr. 492 vom 12.05.2022

Gewessler: Energiewende braucht nationalen Kraftakt

Bekenntnis zum Umbau des heimischen Energiesystems im Bundesrat

Wien (PK) – Sämtliche Fraktionen sprachen sich zu Beginn der heutigen Bundesratssitzung für mehr Anstrengungen zur Umsetzung der Energiewende aus. In der Aktuellen Stunde mit Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler zum Thema "Nationaler Kraftakt Energiewende" kritisierten allerdings die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS an den Regierungsmaßnahmen zum Ausbau erneuerbarer Energieformen, dass die Bevölkerung dabei nicht ausreichend mitgenommen und durch die Teuerung bei Energiepreisen finanziell noch mehr belastet werde. Die FPÖ vermisste zudem eine deutliche Positionierung der Regierung gegen die Wiederbelebung von Atomkraft in der EU und überreichte der Ministerin eine entsprechende Petition an die EU-Kommission. ÖVP und Grüne hingegen appellierten für einen nationalen Schulterschluss mit den Oppositionsparteien bei Maßnahmen wie dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wobei die Volkspartei deutlich für eine Beschleunigung entsprechender Genehmigungsverfahren eintrat.

Energiewende: Ministerin Gewessler appelliert an gemeinsame Verantwortung

"Die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu beenden, erfordert einen nationalen Kraftakt zur Energiewende", sagte die Bundesministerin. "Wir müssen es geplant, vernünftig und so schnell wie möglich tun". Ihr Ziel, Österreich bis 2027 unabhängig von den jahrelang erneuerten Verträgen mit dem russischen Energielieferanten Gazprom zu machen, sei "bis 2027 zu stemmen, wenn alle im Land Verantwortung übernehmen". In diesem Sinne will sie durch den verstärkten Ausbau erneuerbarer Energieträger den Gasverbrauch im Land massiv reduzieren, die eigene Produktion – etwa bei Biomethan und Erdgasförderung in Österreich – erhöhen und den Gaseinkauf aus Drittstaaten diversifizieren. Neben einer Erhöhung der Gaslieferungen aus Norwegen setzt Gewessler dabei auch auf eine Beteiligung am gemeinsamen Gaseinkauf der EU.

Die Energieministerin gab allerdings zu bedenken, dass aus realwirtschaftlichen Gründen eine Abkehr von russischem Gas für Österreich nicht "von heute auf morgen" möglich sei, auch wenn man für das Szenario eines plötzlichen Lieferstopps mit Notfallplänen zur Absicherung kritischer Infrastrukturen vorgesorgt habe. Der brutale russische Angriffskrieg in der Ukraine zeige, wie erpressbar Österreich sich durch die Abhängigkeit von russischem Erdgas gemacht habe. Immerhin würde ein Aussetzen der Gaslieferungen zu massiven Einschränkungen in der Industrieproduktion und damit zu mehr Arbeitslosigkeit führen, warnte Gewessler. Zur kurzfristigen Sicherung der Energieversorgung seien in Rekordzeit Gasreserven aufgebaut worden.

Grüne: Regierung beendet Abhängigkeit von russischem Gas

"Die Welt wird in Flammen gesetzt, indem Energie als geopolitische Waffe gebraucht wird", stellte Adi Gross (Grüne/Vbg) anhand der Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Konsequenzen des hohen Verbrauchs und der starken Abhängigkeit von Gas und Öl dar. Hierzulande sei jahrzehntelang eine weitsichtige Klimapolitik zugunsten niedriger Gaspreise verschoben worden, so seine Erklärung der starken Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern. Die aktuelle Regierung habe jedoch mit ihrem Plan zur Transformation des Energiesystems Maßnahmen wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sowie die Umstellung des Verkehrssystems auf den Weg gebracht, bald komme auch das Erneuerbaren Wärmegesetz zur endgültigen Abkehr von Heizkesseln. Letztlich, so Gross, müsse die Energiewende als "gemeinsamer nationaler Staatsakt" verstanden werden, an dem Regierungs- und Oppositionsparteien in ganz Österreich arbeiten. Eine dezentrale Energieversorgung mache Österreich nicht nur unabhängiger, sondern schaffe auch Investitionen und Arbeitsplätze.

ÖVP: Haushalte und Wirtschaft bei Energiekrise nicht gegeneinander ausspielen

Florian Krumböck (ÖVP/NÖ) betonte ebenfalls die Notwendigkeit einer Energiewende, angetrieben vom Krieg Russlands gegen die Ukraine. Fraglos brauche Österreich mehr erneuerbare Energien und leistungsfähigere Netze, sodass bei leistbaren Preisen unabhängig von Drittstaaten Energiesicherheit gewährleistet werde. Von Bundesministerin Gewessler erwartet der ÖVP-Bundesrat mehr Klarheit einer Energielenkung im Falle einer Energiekrise, die nicht nur Haushalte, sondern auch die Wirtschaft und Landwirtschaft, etwa bei der Lebensmittelproduktion, stark treffen würde. In Richtung Opposition richtete er den Appell, nicht aus parteipolitischen Gründen Haushalte gegen Unternehmen auszuspielen. Trotz Wirtschaftswachstums habe Österreich seinen Energieverbrauch in den letzten Jahren konstant gehalten beziehungsweise gekoppelt an den Ausbau der erneuerbaren Energieformen leicht gesenkt, plädierte Krumböck für Zuversicht in Hinblick auf die Energiewende. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz könne man in den nächsten zehn Jahren 27 Terrawattstunden aus erneuerbaren Energieträgern produzieren.

SPÖ fordert festes Bekenntnis zum Erneuerbaren-Ausbau

Abhängigkeiten im Energiesektor seien hausgemacht, räumte Günther Novak (SPÖ/K) ein und er bekräftigte, es bedürfe großer gemeinsamer Anstrengungen, die verfügbaren Potentiale wie Photovoltaik und Windkraft zu nutzen. Blockaden bei diesem Ausbau der erneuerbaren Energie ortete er wiederum innerhalb der Koalition, etwa hinsichtlich der Frage von Genehmigungsverfahren. Dabei bewirke ein Ausbau der erneuerbaren Energieträger einen wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung in Österreich, so der Sozialdemokrat mit Verweis auf Investitionen und Arbeitsplätze. Zunächst seien jedoch rasche Maßnahmen zu setzen, um besonders kleinen Einkommen angesichts der steigenden Teuerung Entlastungen zu geben. Derzeit würden nur die Energiekonzerne von der Krise profitieren, meinte Novak. Maßnahmen zur Abfederung der Kostensteigerungen für die Bevölkerung vermisste er genauso wie nachhaltige Konzepte der Regierung, beispielweise beim Wasserstoff.

FPÖ: Energiepolitik der Regierung treibt Menschen in die Armut

Das Stichwort Wasserstoff griff Michael Bernard (FPÖ/NÖ) in seiner Rede auf, in der er ein Versagen der Regierung hinsichtlich der Energiepolitik anprangerte. Wasserstofftankstellen gebe es immer noch nicht, obwohl sie unter der ÖVP-FPÖ-Regierung bereits vorbereitet worden seien. Die Stromproduktion durch Wasserkraft gehöre zudem ausgebaut und diesbezügliche Ansätze würden im Regierungsprogramm fehlen, kritisierte er. Viele Familien wüssten nicht mehr, ob sie bei Energie oder Lebensmitteln sparen sollten, hielt Bernard der Klimaschutzministerin vor, sie treibe den kompletten österreichischen Mittelstand durch ihre Maßnahmen zur Energiebepreisung in die Armut. Der große Gewinner der Preissteigerungen sei der Finanzminister, zürnte der Freiheitliche, die Gutscheine der Regierung zum Teuerungsausgleich nannte er "Zynismus". Stellung bezog er außerdem gegen ein Mittragen des Ölembargos gegen Russland durch Österreich, da erneut die heimischen Verbraucher:innen darunter leiden würden.

NEOS: Steuern und Abgaben bei Energie senken

Vergangene Regierungen hätten Österreich proaktiv immer abhängiger von russischen Erdgas gemacht, rügte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Der Ausbau erneuerbarer Energieträger sei jahrelang aus "fadenscheinigen Gründen" von ÖVP, SPÖ und FPÖ blockiert worden. Weiterhin gebe es in den Bundesländern vor allem aufgrund der Bauordnungen in diesem Bereich Blockaden, sah er nicht zuletzt ein Problem in der föderalistischen Zuständigkeitsverteilung und sparte in seiner Kritik auch die Grünen nicht aus. Diese beziehungsweise Naturschützer:innen sollten bei Kampagnen gegen Windparks ihre Haltung hinterfragen. Bevor Österreich seine Energieversorgung hinlänglich und leistbar durch Erneuerbare decken könne, solle der Staat aber angesichts der Teuerung kurzfristige Entlastungsmaßnahmen ergreifen, empfahl Arlamovsky. Da bei den Energierechnungen der Strompreis nur die Hälfte der Kosten ausmache, könne durch Senkungen bei Netzabgaben und Steuern rasch finanziell Abhilfe geschaffen werden. Bei den Klimaabgaben, denen Arlamovsky jeglichen Lenkungseffekt absprach, wären Reduktionen ebenfalls sinnvoll umzusetzen. (Fortsetzung Bundesrat) rei

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