Parlamentskorrespondenz Nr. 601 vom 02.06.2022

Bundesrat: Fraktionen debattieren Regierungsumbildung

ÖVP und Grüne begrüßen Maßnahmen gegen Krise, Opposition mahnt mehr Engagement gegen Teuerung ein und FPÖ fordert Rücktritt der Regierung

Wien (PK) – Im Anschluss an die Wortmeldungen von Bundeskanzler Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler und den neuen Regierungsmitgliedern debattierten die Bundesrät:innen in der Plenarsitzung des Bundesrats die Regierungsumbildung, die damit verbundene geplante Neuaufteilung der Aufgaben zwischen den Ressorts sowie den Umgang mit der Krise. Während die Regierungsfraktionen Dank und Anerkennung den scheidenden und neuen Regierungsmitgliedern zollten, kritisierten die Oppositionsfraktionen die neuerliche Regierungsumbildung und die Maßnahmen der Regierung. Die SPÖ bemängelte zu wenige Maßnahmen gegen die Teuerung, die FPÖ und die NEOS kritisierten die noch nicht erfolgte gesetzliche Verankerung der Neuaufteilung der Ressorts. Die Freiheitlichen forderten die Bundesregierung zum Rücktritt mittels Antrag auf, dieser blieb in der Minderheit.

Die Basis für die neue Aufteilung der Ressorts wird eine Novelle des Bundesministeriengesetzes legen, die vergangenen Montag den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert hat und nun einer Beschlussfassung im Nationalratsplenum harrt.

ÖVP: Maßnahmen zur Entlastung erfolgt, weitere geplant

Großen Dank zollte Peter Raggl (ÖVP/T) den ausgeschiedenen Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck. Dank des Engagements von Köstinger sei der Tourismus mit einem "blauen Auge" durch die Krise gekommen und wichtige Vorhaben wie die GAP, die Herkunftskennzeichnung und das Tierwohlpaket voran gebracht werden. Die von Schramböck initiierte Investitionsförderung habe Arbeitsplätze gerettet und die Wirtschaft am Laufen gehalten. Mit den neuen Regierungsmitgliedern habe man besonders geeignete Personen an Bord geholt. So sei der neue Landwirtschaftsminister einer der besten Kenner der Landwirtschaft. Es gelte, für Ernährungssouveränität, für faire Preise für die Landwirtschaft und die für ein Ausgleichspaket für die großen Belastungen der Landwirtschaft zu sorgen. Den Regionen müsse man Chancengleichheit geben, so Raggl.

Alexandra Platzer (ÖVP/OÖ) sprach die Belastungen der letzten Jahre für die Tourismusbranche an, die sowohl unter dem coronabedingten Gästeschwund und Fachkräftemangel als auch unter den aktuellen Teuerungen leiden würde. Die Bundesregierung bestehe nicht aus "Zauberkünstlern", doch seien bereits einige Schritte zur Entlastung des Tourismus und anderer Branchen gesetzt worden.

Wenn man sich viele der Wortmeldungen im Plenum anhöre, frage man sich, ob hier überhaupt noch von Österreich gesprochen werde, wandte sich Sonja Zwazl (ÖVP/N) gegen die kritischen Worte der Opposition. Österreich sei vergleichsweise gut durch alle krisenhaften Entwicklungen gekommen, was an den vorteilhaften Arbeitslosenzahlen abzulesen und auch den zielgerichteten Maßnahmen der Koalition zu verdanken sei.

SPÖ: Regierung ist gescheitert und hat keine Lösungen

Das Land brauche Stabilität in dieser für die Menschen belastenden Zeit, kritisierte Korinna Schumann (SPÖ/W) die neuerliche Regierungsumbildung. Kein Unternehmen würde permanent seine Strukturen ändern, da es sonst bankrott werde, hinterfragte sie die Neuaufteilung der Ministerien. So sei die Vereinigung der Wirtschafts- und Arbeitsagenden nicht gut, da so die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu ungenüge im Fokus stünden. Gegen die Teuerung brauche es schnelle und wirkungsvolle Maßnahmen wie das Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Energie und eine Entlastungswelle,die Regierung zögere aber mit Maßnahmen. Ebenso sei die Frauenpolitik zum Erliegen gekommen. Zudem bereite das Absinken Österreichs im Demokratie- und Pressefreiheitsranking Sorgen. Die Regierung sei gescheitert und habe keine Lösungen, schloss Schumann.

Als "Skandal" bezeichnete Günter Kovacs (SPÖ/B), dass Pendler:innen bei den gegenwärtigen Spritpreisen sich kaum noch den Weg zur Arbeit leisten könnten. Den Koalitionsparteien sprach er jeden Bezug zur Bevölkerung und ihren alltäglichen Herausforderungen ab.

Eva Prischl (SPÖ/N) sprach die Lage der Pensionist:innen an. Diese seien eine große und mannigfaltige Gruppe, deren Interessen auch politische Vertretung finden müssten. Speziell in der Finanz- und Versicherungsbranche würde diese diskriminiert.

Ingo Appé (SPÖ/K) widmete sich der Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie, die er als "akute Baustelle" sehe. Der Klimawandel habe bereits die Trinkwasserversorgung erreicht. Deshalb hoffe er, dass für Landwirtschaftsminister Totschnig kein Interessenskonflikt zwischen dem Bereich der Landwirtschaft und jenem des Trinkwassers entstehe.

FPÖ: Regierung ist "chaotisch und machtgeil"

Von einem "totalen Chaos" sprach Christoph Steiner (FPÖ/T) und kritisierte die zahlreichen Regierungsumbildung in vergangener Zeit. Die Neuaufteilung der Ressorts habe zudem noch keine gesetzliche Basis. Die Bundesregierung sei "chaotisch, machtgeil, geldgeil, abgehoben und am Trog der Macht sitzend". Alle ehemaligen Minister:innen verbinde entweder "Unvermögen, Korruptionsermittlungen, Plagiatsvorwürfe, Chaosmanagement bei Corona, Falschaussagen oder nachgewiesene Lügen". Das "System ÖVP" bedeute volle Kassen für die ÖVP selbst, ihre Bünde und ihre Organisationen, während die Österreicher:innen finanziell "ausbluten" würden. Mittels Antrag, der in der Minderheit blieb, forderte Steiner den Bundeskanzler auf, im Interesse Österreichs dem Bundespräsidenten seinen Rücktritt und den der Bundesregierung anzubieten und begründete diese Forderung mit einer "Versagensliste der Bundesregierung".

Josef Ofner (FPÖ/K) kritisierte, dass die ÖVP sich schamlos an der Republik und ihren Institutionen bedienen würde. Österreich komme unter die Räder, während die Regierung nur "an den Futtertrögen" bleiben möchte. Auch die Grünen hätten dafür mittlerweile jeglichen Anstand über Bord geworfen. Neuwahlen seien die einzige Möglichkeit, um Österreich von "Unfähigkeit" und "Drangsalierung" zu befreien.

Überall in der EU seien Kostendeckel oder ein Aussetzen der Mehrwertsteuer möglich, erklärte Günter Pröller (FPÖ/OÖ), nur in Österreich gebe es neue Belastungen, wie die CO2-Steuer. Die Teuerung stürze Familien in essenzielle Krisen und die Regierung sei lediglich damit beschäftigt, ständig Köpfe auszutauschen, ohne dass die Politik sich ändere.

Johannes Hübner (FPÖ/W) drückte sein Unverständnis darüber aus, dass die Regierung die aktuellen Teuerungsraten "bagatellisiere" und äußerte Kritik an der Prämisse, dass gegen die Inflation nichts unternommen werden könne. Zum Thema Landwirtschaft sprach er sich für die Regionalisierung und gegen den gemeinsamen europäischen Markt aus, der von multinationalen Konzernen dominiert werde und gegen die die österreichische Landwirtschaft nicht konkurrieren könne.

Grüne: Für besten Konzepte und Ideen zur Lösung der Krisen kämpfen und streiten

Die Regierung stelle sich mit den Folgen der Pandemie, der Klimakrise, der Teuerung und des Ukrainekriegs Herausforderungen, die keine ihrer Vorgängerinnen gehabt habe, erklärte Marco Schreuder (Grüne/W). Hierfür gelte es für die besten Konzepte und Ideen zur Lösung dieser Krisen zu kämpfen und auch zu streiten. Die Wortmeldungen der FPÖ kritisierte Schreuder hingegen als "Hooliganismus" ohne jegliche Ideen und Visionen. Die ökosoziale Steuerreform habe die größte Entlastung niedriger Einkommen seit Jahrzehnten gebracht und das Budget für Frauen sei noch nie so hoch wie jetzt gewesen, erklärte er in Richtung der SPÖ. Hinsichtlich der Wortmeldungen zu den ausgeschiedenen Ministerinnen kritisierte Schreuder, dass die Kritik an weiblichen Politikerinnen anders als an ihren männlichen Kollegen formuliert werde.

Die "riesigen Herausforderungen", vor denen die Republik stehe, gebe es nicht erst seit dem Ukraine-Krieg, erklärte Andreas Lackner (Grüne/St). Kaum sei die aktuelle Regierung im Amt gewesen, sei bereits die Pandemie eingetreten. Durch gezielte Schritte und sozial treffsichere Maßnahmen sei es jedoch gelungen, die Menschen in allen Krisen zu unterstützen und gleichzeitig in die Zukunft zu investieren.

NEOS: Gesetzlich nicht verankerte Ressortaufteilung ist Missachtung des Parlamentarismus

Die neue Ressortaufteilung sei gesetzlich noch nicht fixiert, bemängelte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) als Missachtung des Parlamentarismus. In Richtung des Selbstverständnisses des neuen Landwirtschaftsministers als "Lobbyisten" der Bäuerinnen und Bauern, kritisierte Arlamovsky, dass für diese Aufgaben vielmehr die Kammern zuständig seien. Dementsprechend sei für ihn die Zusammenlegung der Wirtschafts- und Arbeitsagenden in ein Ministerium insofern in Ordnung, solange diese Aufgaben ebenso nicht als Interessensvertretung wahrgenommen würden, meinte Arlamovsky. (Fortsetzung Bundesrat) pst/wit

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