Parlamentskorrespondenz Nr. 623 vom 07.06.2022

Ausstieg aus russischem Erdgas: 100 Mio. € jährlich für Mehrkosten von Unternehmen

ÖVP und Grüne beschließen im Wirtschaftsausschuss auch Novelle zu Gasspeicheranlagen

Wien (PK) – Für den Ausstieg aus russischem Erdgas und zur Diversifizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen wurde im Wirtschaftsausschuss heute mit den Stimmen von ÖVP und Grünen das Gasdiversifizierungsgesetz 2022 beschlossen. Die Koalitionsparteien hatten die Initiative kurzfristig im Zusammenhang mit den Änderungen zum Gaswirtschaftsgesetz eingebracht, was zu entsprechender Kritik der Opposition an der Vorgangsweise führte.

Mit der Initiative sollen für eine Erdgas-Diversifizierung sowie für die Umrüstung von Anlagen auf einen alternativen Betrieb mittels anderer Energieträger in den Jahren 2022 bis 2025 als Ausgleich für die entstehenden Mehrkosten jeweils jährlich 100 Mio. € bereitgestellt werden. Dabei geht es den Erläuterungen zufolge um Kosten von Unternehmen etwa für Leitungsrechte beim Transport von Erdgas nicht-russischer Herkunft nach Österreich oder Kosten von Unternehmen, wenn nicht-russisches Erdgas eingesetzt wird, sofern dadurch nicht klimafreundliche, erneuerbare Energieträger bzw. Fernwärme ersetzt werden. Gefördert werden soll außerdem die Umrüstung von Energieerzeugungsanlagen in der Industrie und der Energiewirtschaft, durch die der alternative Betrieb mit anderen Energieträgern als Erdgas ermöglicht wird. Die Details für den Einsatz der Mittel, zum Ablauf des Verfahrens etc. sind den Erläuterungen zufolge in noch zu erlassenden Richtlinien festzulegen.

Mit einem im Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommenen Initiativantrag der Koalitionsparteien sollen nunmehr auch sämtliche Speicheranlagen in Österreich und damit auch die Anlage in Haidach zum Anschluss an das österreichische Leitungsnetz verpflichtet werden. Seitens der Opposition wurde etwa von Alois Schroll (SPÖ) kritisiert, dass es sich dem Vernehmen nach noch nicht um die Endfassung des Antrags handle. Zudem wies er auf die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Plenum hin.

Mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurden einige Anträge der SPÖ und der FPÖ mit Maßnahmen gegen die Teuerung.

Gasdiversifizierungsgesetz für Ausstieg aus russischem Erdgas

Der Umstieg auf Erdgas anderer als russischer Herkunft sei mit erhöhten Kosten für die Lieferung nach Österreich bzw. gestiegener Erdgaspreise insgesamt verbunden, so die Stoßrichtung des Koalitionsantrags zum Gasdiversifizierungsgesetz 2022. Um die daraus entstehenden Schäden für die österreichische Wirtschaft und Verbraucher:innen abzuwenden, soll im Wege der Förderungen den Unternehmen in diesem Bereich ein Ausgleich für die entstehenden Mehrkosten ermöglicht werden. Als Abwicklungsstelle für dieses Instrument ist demnach die Austria Wirtschaftsservice GmbH vorgesehen.

Energieministerin Leonore Gewessler erläuterte dazu, dass nach der strategischen Gasreserve für Österreich damit nun der nächste Anreiz hinsichtlich des Ausstiegs und der Diversifizierung gesetzt werde. Es brauche dazu einen Beitrag aller Akteure, von der OMV bis zu den Landesenergieversorgern. Was die Kritik an der Kurzfristigkeit betrifft, stelle eine solche Maßnahme "beihilfenrechtlich keinen Spaziergang" dar, so Gewessler. Im Moment gebe es aber Signale der EU-Kommission, dem offen gegenüberzustehen, meinte sie auf Fragen etwa von Alois Schroll (SPÖ). Die Mittelbereitstellung erfolge aus den bereits bundesfinanz- und bundesfinanzrahmengesetzlich veranschlagten Mitteln, so Gewessler, die ebenso wie auch Lukas Hammer (Grüne) von Überschreitungsermächtigungen in diesem Zusammenhang sprach. Die Kurzfristigkeit des Antrags sei dem geschuldet, dass bis zuletzt daran gearbeitet worden sei, meinte Ausschussvorsitzender Peter Haubner (ÖVP). Aus Sicht von Karin Doppelbauer (NEOS) ist unter anderem mit dem Antrag die Kernfrage aber nicht beantwortet, nämlich, woher das Gas zur Diversifizierung kommen soll.

Novelle zu Speicheranlagen und ungenutzten Gasspeicherkapazitäten

Im Sinne der Gasversorgungssicherheit soll außerdem festgelegt werden, dass sämtliche Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs auch an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden müssen. Durch einen Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Gasversorgung werden die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen für Speicheranlagen und Speicherfüllständen verpflichtet, heißt es im entsprechenden Initiativantrag von ÖVP und Grünen mit der Änderung des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (2600/A). Für betroffene Speicheranlagen ist den Erläuterungen zufolge innerhalb von vier Monaten ab Inkrafttreten ein Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt zu stellen.

Die Energieministerin soll außerdem zum Abschluss von Ressortübereinkommen über die gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen ermächtigt werden. Mit einem solchen Abkommen können den Erläuterungen zufolge etwa das genaue Verhältnis und der Umfang einer gemeinsamen Speichernutzung zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vereinbart werden. Praktisch relevant sei dies insbesondere für die Speicheranlage Haidach, die bislang nur an das deutsche Marktgebiet angeschlossen ist, erörterte Ministerin Gewessler im Ausschuss.

Festgelegt werden soll mit der Novelle weiters, dass ungenutzte Speicherkapazitäten vom Speichernutzer unverzüglich anzubieten oder zurückzugeben sind. Bleiben Speicherkapazitäten systematisch ungenutzt, so seien diese durch das Speicherunternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung zu entziehen. Detailregelungen dazu sollen per Verordnung festgelegt werden. Energieministerin Gewessler wies ebenso wie Lukas Hammer (Grüne) auf diese Regelung nach dem "Use-it-or-lose-it"-Prinzip hin. Der Abschluss von Ressortübereinkommen betreffe vor allem die Verständigung Österreichs und Deutschlands über die Nutzung der Anlage in Haidach. Auf Fragen etwa von Alois Schroll (SPÖ) dazu meinte die Ministerin, man stehe intensiv in Kontakt mit Deutschland, etwa in Form einer gemeinsamen Arbeitsgruppe. In Richtung von Erwin Angerer (FPÖ) erörterte sie, dass die Formulierung "systematisch ungenutzt" bei den Gasspeichern auf Zeiträume und Prozentsätze der Nutzung abstelle.

Thematisiert hatte die Ministerin auch den Unfall in der Raffinerie Schwechat. Als Überbrückung seien am Wochenende ein Teil der staatlichen Treibstoffreserven freigegeben worden. Zu dem Thema tage heute auch der Energielenkungsbeirat.  

SPÖ will zu Strom- und Heizkosten "Teuerungsbremse"

Zur Debatte standen schließlich auch Anträge der Opposition zu Teuerungsthemen, die mit den Stimmen von ÖVP und Grünen durchwegs vertagt wurden. So warnt die SPÖ vor explodierenden Strom- und Heizkosten und fordert mit einem Entschließungsantrag eine "Teuerungsbremse für Österreich". Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, zeitlich befristet auf ein Jahr eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas und einen einmaligen Winterzuschuss für niedrige Haushaltseinkommen in Höhe von 300 € als Teuerungsausgleich umzusetzen. Darüber hinaus fordert die SPÖ, im Rahmen einer rückwirkenden Steuersenkung die ersten 1.700 € im Monat steuerfrei zu stellen (1982/A(E)). Seit dem Einbringen des Antrags sei die Inflation noch deutlich angestiegen, bekräftigte Alois Schroll (SPÖ) die Forderung. Franz Hörl hob seitens der ÖVP hervor, dass in den letzten Monaten bereits einige Maßnahmen zur Abfederung der Teuerung gesetzt worden seien.

FPÖ für Abschaffung der CO2-Bepreisung und für weitere Entlastungsmaßnahmen

Die seitens der Bundesregierung beschlossene "CO2-Steuer", die ab Mitte des Jahres 2022 Treibstoffe, Öl und Gas weiter verteuere, werde viele Menschen vor enorme finanzielle Probleme stellen und Wohnen, Heizen, Autofahren nahezu unleistbar machen, kritisiert die FPÖ. Der in diesem Zusammenhang in Aussicht gestellte Klimabonus in der Höhe von 100 bis 200 € jährlich decke die Mehrkosten für Energie, Heizen und vor allem Treibstoffe bei weitem nicht ab. Mit einem Entschließungsantrag fordern die Freiheitlichen daher, dass die beschlossene CO2-Bepreisung umgehend wieder außer Kraft gesetzt werden soll, wie Erwin Angerer seitens der FPÖ im Ausschuss unterstrich (2558/A(E)). Elisabeth Götze (Grüne) meinte dazu etwa, eine Aussetzen wäre das falsche Signal beim Umstieg auf erneuerbare Energien.

Mit einem weiteren Entschließungsantrag fordert die FPÖ, dass die Dividenden der Energieversorgungsunternehmen mit Beteiligungen der öffentlichen Hand an die Energiekonsument:innen zurückfließen sollen (2560/A(E)). Zu enorm steigenden Gas-, Strom- und Treibstoffpreisen für die Haushalte komme, dass mit jeder Preiserhöhung von Strom und Gas sowie bei den Treibstoffen die Einnahmen aus der Umsatzsteuer bzw. der Mineralölsteuer entsprechend ansteigen. Rund die Hälfte des Preises an der Zapfsäule fließe der FPÖ zufolge in die Tasche des Finanzministers. Darüber hinaus verzeichne etwa der zu 80% in öffentlicher Hand befindliche Verbund-Konzern enorme Gewinnsteigerungen. Es sei dringend an der Zeit, dass die entsprechenden Dividendenzuwächse an die Bevölkerung zurückgegeben werden, und zwar in Form von Steuersenkungen oder entsprechenden Entlastungsmaßnahmen, so die Forderung. Auch dieser Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. (Schluss Wirtschaftsausschuss) mbu


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