Parlamentskorrespondenz Nr. 639 vom 09.06.2022

Unabhängige Menschenrechtskontrolle der Volksanwaltschaft international anerkannt

Volksanwaltschaftsausschuss erörtert Lösungen für menschenrechtliche Probleme in Österreich

Wien (PK) – Die österreichische Volksanwaltschaft gilt nun auch offiziell als völlig kompatibel mit den Menschenrechtsstandards von UNO und Europarat. Die Verleihung des sogenannten A-Status durch GANHRI (Global Alliance of National Human Rights Institutions) diesen April verdeutliche einmal mehr, wie umfassend und unabhängig die Volksanwaltschaft und ihre Prüfkommissionen die Kontrollen zur Wahrung der Menschrechte in Österreich durchführen, hieß es heute im Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats seitens der heimischen Ombudsstelle, die seit 2012 gemäß UNO-Vorgaben auch die Einhaltung der Menschenrechte hierzulande überwacht. Dazu besuchen Kommissionen der Volksanwaltschaft Einrichtungen, in denen Menschen in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt werden – etwa Pflegeheime -, und sie beobachten Polizeieinsätze, beispielsweise bei Demonstrationen.

Die Menschenrechtsstandards bei Polizei, Justiz und im Sozialbereich wurden daher intensiv diskutiert, als die Kapitel zur Menschenrechtskontrolle aus dem Jahresbericht 2021 (III-531 d.B.) auf der heutigen Tagesordnung standen. Die Volksanwälte Walter Rosenkranz, Werner Amon und Bernhard Achitz erläuterten in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen den Abgeordneten, wo aus Sicht der Kontrollstelle menschenrechtlicher Verbesserungsbedarf besteht. Grundsätzlich hielt der aktuelle Volksanwaltschaftsvorsitzende Rosenkranz fest, es gebe "Licht und Schatten" bei der Umsetzung von Empfehlungen der Volksanwaltschaft durch die Verwaltungsbehörden. Gehe es um vergleichsweise einfache Behebungen wie die Instandsetzung von Baumängeln, erfolge eine Verbesserung meist rasch, bestätigte der für Soziales zuständige Volksanwalt Achitz. Bei tiefergehenden Missständen wie Personalengpässen verzögere sich dagegen das Umsetzungstempo, stellte er anhand der stark überlasteten Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der massiven Personalmängel im Pflegebereich dar. Hinsichtlich der deutlich gesteigerten Zahl an Suiziden bzw. Suizidversuchen in Justizanstalten gebe es immerhin die Zusage, für vermehrte Sensibilisierung unter den Beschäftigten in den Gefängnissen zu sorgen, deutete Amon positive Signale aus dem betroffenen Bereich an.

Maßnahmenvollzug bleibt Sorgenkind der Justiz

Die freiheitsentziehende Unterbringung von Täter:innen, die aufgrund mangelnder Schuldfähigkeit nicht verurteilt werden können, vulgo Maßnahmenvollzug, "bleibt das größte Sorgenkind der Justiz", wie Volksanwalt Amon in seiner Zuständigkeit für Justizagenden formulierte. Bislang habe es hier noch kaum Veränderungen gegeben. Dabei lägen von der Volksanwaltschaft schon eine Reihe von Empfehlungen vor, etwa Fallkonferenzen und ein Vier-Augen-Prinzip bei der Begutachtung von Insass:innen zur Entscheidung über die Beendigung des Vollzugs. Außerdem gebe es für ganz Österreich weiterhin nur Asten als eine für den Maßnahmenvollzug definierte Anstalt, obwohl psychiatrische Abteilungen vielfach die Aufnahme von Personen aus dem Maßnahmenvollzug verweigerten, bemängelte Amon den schleppenden Ausbau. Johannes Margreiter (NEOS) wies auf den menschenrechtlich "unhaltbaren Zustand" hin, in dem sich der heimische Maßnahmenvollzug befinde. Österreich verstoße damit fortwährend gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, zählte er Missstände wie ungewisse Anhaltedauern und fehlende Gutachter:innen auf.

Pflege: Erhöhung des Personalschlüssels jetzt notwendig

Zu langsam schreitet in den Augen der Volksanwaltschaft auch die Steigerung der Personalausstattung im Pflegebereich voran. Zwar seien die Prüfkommissionen in Alten- und Pflegeheimen 2021 nur sporadisch mit pandemiebedingten Einschränkungen konfrontiert gewesen, doch habe sich die Belastung des Pflegepersonals im Vorjahr sichtbar weiter erhöht, berichtete Volksanwalt Achitz. Gründe dafür waren ihm zufolge, dass Pfleger:innen aus dem Ausland infolge der COVID-19-Lockdowns gänzlich in ihre Heimat zurückgekehrt sind beziehungsweise der Berufswechsel sowie die Erkrankung von Pflegekräften, wodurch der Rest der Belegschaft noch mehr gefordert werde. Von der angekündigten Pflegereform samt Ausbildungsoffensive der Regierung erhofft Achitz langfristig Verbesserungen, er vermisst allerdings "Sofortmaßnahmen", um gut ausgebildetes Pflegepersonal für die Heime bereitzustellen. Immerhin nehme die Unterversorgung von Pflegebedürftigen für die Betroffenen teils schon ernste gesundheitsgefährdende Ausmaße an. Diese Besorgnis teilte Rosa Ecker (FPÖ) und sie warf der aktuellen Regierung vor, nicht ernsthaft auf die von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Mängel zu reagieren, sei es im Pflegebereich oder bei der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen.

Polizei: Missstände bei Demonstrationen und Anhaltezentren

2021 führten die Kommissionen der Volksanwaltschaft insgesamt 570 Überprüfungen durch, wovon 29-mal Polizeieinsätze begleitet wurden. Außerdem engagierten sich Mitarbeiter:innen von Volksanwaltschaft und Kommissionen bei der Polizei- und Justizwacheausbildung. Volksanwalt Rosenkranz erwartet nicht zuletzt aufgrund der menschenrechtlichen Sensibilisierung der Auszubildenden ein neues Amtsverständnis unter Polizistinnen und Polizisten. Die Kritik der Volksanwaltschaft an der Praxis der "Einkesselung" bei Demonstrationen richte sich jedoch nicht an die ausführenden Exekutivbeamt:innen, unterstrich Rosenkranz, sondern an das Innenministerium.

Hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die Verwaltungshaft in Anhaltezentren der Polizei mahnte Rosenkranz vom Innenressort mehr Kooperationsbereitschaft ein. Von Ministeriumsseite bereits mit der Volksanwaltschaft getroffene Abmachungen zu menschenrechtlichen Verbesserungen in Anhaltezentren seien einfach nicht umgesetzt worden, ortet er eine "generell restriktive Handhabung" der Menschenrechte im Umgang mit Schubhäftlingen. Dazu gehöre etwa das weiterhin bestehende Verbot der Videotelefonie für Angehaltene, konnte Rosenkranz die vom Innenministerium als Erklärung angeführten Sicherheitsbedenken ebenso wenig nachvollziehen wie David Stögmüller (Grüne). Zumal Insass:innen von Justizanstalten gerade während pandemiebedingter Besuchseinschränkungen diese Art der Kommunikation mit der Außenwelt nutzen konnten. Die unzureichende Verfügbarkeit von Amtsärzt:innen in Polizeianhaltezentren sei wohl eine Konsequenz des bestehenden landesweiten Ärzt:innenmangels, räumte Rosenkranz ein und lobte in diesem Zusammenhang die Einkommenserhöhung für diesbezügliche Stellen.

Schwerpunkt: sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung

Um menschenrechtlich besonders relevante Aspekte bei den Überprüfungen der Kommissionen noch besser herauszuarbeiten, entschloss sich die Volksanwaltschaft, thematische Schwerpunkte zu setzen. Einer dieser Fokuspunkte sei die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung, gerade bei ihrer Sexualität, so Achitz zu diesem weiterhin vielfach "tabuisierten Bereich". Sabine Schatz (SPÖ) hatte das Anrecht auf sexuelle Selbstbestimmung aufgeworfen, nicht zuletzt in Zusammenhang mit Gewaltprävention. In einigen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung werde bereits gut damit umgegangen, verwies der Volksanwalt auf vorhandene sexualpädagogische Konzepte und auf Notfallpläne, falls ein sexueller Missbrauch stattfindet. Allerdings gebe es bei weitem nicht überall Leitfäden, wie Menschen mit Behinderung ein sexuell selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Laut Achitz plant die Volksanwaltschaft daher eine "vergleichende Darstellung" zu diesem Thema.

Leise Kritik an Bestellung von Volksanwälten und Volksanwältinnen

Ein Vorschlag von GANHRI zu weiteren Verbesserungen in der österreichischen Volksanwaltschaft habe den Bestellmodus von Volksanwältinnen und Volksanwälten betroffen, erklärte Volksanwalt Amon in seinen Erläuterungen des Reakkreditierungsverfahrens bei der internationalen Menschenrechtsvereinigung. Die NEOS kündigten in Verbindung damit einen eigenen Antrag an, um das Bestellverfahren, das derzeit auf die drei stärksten Parteien im Nationalrat begrenzt ist, transparenter und pluralistischer zu machen. Volksanwalt Rosenkranz hielt grundsätzlich fest, es sei "Aufgabe des Parlaments", die Bestellungsart für die Vorsitzenden der Volksanwaltschaft festzulegen. Allerdings sei Österreich dabei im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Dass ehemalige Abgeordnete zu Volksanwält:innen gekürt werden, wollte Rosenkranz nicht per se negativ sehen: "Es gibt kein Berufsverbot für Politiker".

Als Generalsekretär des in Wien beheimateten Internationalen Ombudsman Institutes (IOI) begrüßte Amon im Ausschuss auf Nachfrage von Martina Diesner-Wais (ÖVP), dass das IOI als Vereinigung unabhängiger Verwaltungskontrollorgane weltweit seit kurzem auch formell als "Internationale Einrichtung" in Österreich anerkannt worden ist. Damit sei man dem angestrebten Status eines ständigen Beobachters im UN-Sicherheitsrat ein Stück weit näher gekommen. (Schluss) rei