Parlamentskorrespondenz Nr. 663 vom 14.06.2022

Parlament: Ukraine braucht europäische Unterstützung

Wien (PK) – Fraktionsübergreifend drückten die Rednerinnen und Redner bei der heutigen Veranstaltung im Plenarsaal des Parlaments in der Hofburg anlässlich des Besuchs von Ruslan Stefantschuk, Präsident des ukrainischen Parlaments, ihre Solidarität mit der Ukraine aus. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS teilten auch ihre Bestürzung über das unsägliche Leid, dass der am 24.2. Februar 2022 gestartete Angriffskrieg Russlands über die ukrainische Bevölkerung bringt. Die NEOS machten allerdings im Gegensatz zu den übrigen Fraktionen ihre Haltung zu einer sofortigen Verhandlungslösung mit Russland klar: "Ein Pakt mit Putin hat nicht gehalten und würde nicht halten." Die FPÖ nahm als einzige Partei im Parlament nicht an der Veranstaltung mit Stefantschuk im Plenarsaal des Parlaments teil.

Einhellige Verurteilung des Kriegs

Im Namen ihrer Fraktionen verdeutlichten die Klubobleute Reinhold Lopatka (ÖVP), Pamela Rendi Wagner (SPÖ), Siegrid Maurer (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) ihre Betroffenheit angesichts des Leids und der Gräuel, unter denen die Ukrainerinnen und Ukrainer täglich aufgrund des Kriegs leiden. Mit seiner Invasion in der Ukraine habe Russlands Präsident Wladimir Putin die Welt über Europa hinaus erschüttert, warnte Lopatka vor einer globalen Hungersnot "in ungeahntem Ausmaß", wenn Getreidelieferungen aus der Ukraine weiter ausfallen. In schierer Missachtung des Völkerrechts begingen die russischen Truppen immer mehr Kriegsverbrechen, beschrieb Siegrid Maurer am Beispiel von Vergewaltigungen und Kindesentführungen, und sie setzten immer öfter "Hunger als Waffe" ein. Die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigten nicht nur ihr eigenes Land vor Putins "blinder Zerstörungswut", wie Meinl-Reisinger es unisono mit Maurer ausdrückte, sondern auch die Werte von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen.

"Krieg darf niemals ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung im 21. Jahrhundert sein", betonte Rendi-Wagner, deswegen habe das österreichische Parlament diesen Angriffskrieg von Anfang an deutlich verurteilt.

Schwerer Weg zur Diplomatie

"Die Stunde der Diplomatie ist noch nicht gekommen", so Lopatka zum Kriegsstand. Angesichts der täglich wachsenden Zahl Gefallener auch auf russischer Seite und Tausender getöteter Zivilisten müsse alles getan werden, "der sinnlosen Eskalation Einhalt zu gebieten, um vom Schlachtfeld zurück zum Verhandlungstisch zu kommen". Österreich habe im Rahmen des Möglichen als neutrales Land einen Beitrag zu leisten, den Krieg so rasch wie möglich zu beenden, plädierte Rendi-Wagner für verstärkte diplomatische Bemühungen, "einen Weg in Richtung Frieden zu gehen". Die immerwährende Neutralität Österreichs ziehe auch das Bekenntnis nach sich, nie wieder an einem Krieg beteiligt zu sein, erklärte die Sozialdemokratin. Wohl schrumpften die Chancen auf Waffenruhe von Tag zu Tag, doch Sanktionen und Waffen würden diesen Krieg mittelfristig nicht beenden können.

Österreich dürfe als neutraler Staat zwar keine militärische Hilfe leisten, sei aber zur humanitären Hilfe verpflichtet, wies Lopatka auf die erfolgten Hilfszahlungen von mehr als 70 Mio.€ und die mitgetragenen Sanktionen hin. Auf Ausschussebene gibt es Rendi-Wagner zufolge außerdem Gespräche des ukrainischen und des österreichischen Parlaments über die sinnvollsten Hilfestellungen. Österreich unterstütze auch die Ukraine auf ihrem Weg in die EU, allerdings könne es hier keine "Abkürzungen" geben, so der ÖVP-Mandatar mit Verweis auf die Beitrittsbemühungen der Westbalkanstaaten.

Russlands Einfluss auf Europa einschränken

Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas führe dazu, "dass mit den Zahlungen dafür die überkommene Politik des Kriegs finanziert wird", sagte Grünen-Abgeordnete Maurer. Aus ihrer Sicht ist daher die Loslösung von fossilen Brennstoffen ebenso wichtig wie das Mittragen von Sanktionspaketen gegen Russland. "Ukraine ist Europa", erneuerte Maurer gegenüber dem ukrainischen Parlamentspräsidenten ihr Bekenntnis zur vollen Solidarität mit seinem Land. Die Ukraine verdiene eine Perspektive eines EU-Beitritts und Unterstützung auf dem Weg zur Mitgliedschaft.

Von einer "Zeitenwende" sprach Meinl-Reisinger in Bezug auf den 24. Februar 2022, als Russlands Angriffskrieg startete. Putin habe der Ukraine ihr Recht auf Selbstbestimmung und Eigenstaatlichkeit abgesprochen und dabei die europäische "Friedens- und Sicherheitsordnung mit Panzern, Bomben und Granatfeuer zerschossen". In diesem Zusammenhang zollte sie den Ukrainerinnen und Ukrainern Respekt für ihren Kampfeswillen.

Die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen, ist die NEOS-Politikerin überzeugt, inklusive der Verteidigung ihrer territorialen Souveränität. Putin wolle unter Missachtung der Minsker Protokolle mit dem Krieg gegen die Ukraine nach eigenen Worten "russische Erde zurückholen". Sie sieht derzeit wenig diplomatische Möglichkeiten, den Krieg zu beenden. Vielmehr rief sie dazu auf, nicht naiv zu sein. Verträge für einen Friedensschluss müssten jedenfalls Sicherheitsgarantien für die Ukraine beinhalten. Sie habe den "Traum, ohne Grenzen in die Ukraine zu fahren und Europa zu feiern", äußerte Meinl-Reisinger ihre Hoffnung, dass die EU dem Land bald einen Beitrittsstatus gibt. (Schluss Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten). rei

HINWEIS: Die Veranstaltung im Plenarsaal zum Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.