Parlamentskorrespondenz Nr. 676 vom 15.06.2022

Verteidigungsministerin Tanner: Bundesheer braucht Aufstockung

Militärische Lage Österreichs Thema der Fragestunde im Nationalrat

Wien (PK) – Österreichs militärische Zukunft stand heute zu Beginn der Nationalratssitzung zur Debatte. Bei einer Fragestunde mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bekräftigte die Ministerin ihr Vorhaben, das Bundesheerbudget in den nächsten Jahren auf 1,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) heben zu wollen. Damit will sie künftig sicherstellen, dass die heimische Landesverteidigung die nötige Ausstattung und Mannstärke zur Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Aufgaben hat.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka kündigte im Anschluss an die Fragestunde an, dass es um 15.00 Uhr eine Debatte über eine Dringliche Anfrage der FPÖ an Bundeskanzler Karl Nehammer geben wird. Thema sind aktuelle Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP.

Bundesheer soll mehr Ressourcen erhalten

Die Reform des Bundesheeres brachte Robert Laimer (SPÖ) zur Sprache und erhielt von Tanner die Auskunft, sie wolle dabei Planstellen aus dem Ressort zur Truppenverstärkung freimachen. Die Reform laufe ab 1. Juli 2022 und werde 2024 evaluiert. Die Entwicklung des Bundesheerbudgets zeige nach oben, sprach die Verteidigungsministerin ihren Dank an die Abgeordneten aus, die eine Aufstockung des Verteidigungsbudgets auf 2,713 Mrd. € beschlossen hatten. Mit dem Bundesfinanzrahmengesetz 2023-2026 peile sie für das Bundesheer einen Anteil von 1% des BIP an, mit steigender Tendenz auf 1,5%. Das Budget zur Landesverteidigung sei letztlich "außer Frage zu stellen", unterstrich die Ministerin, auch über diese Legislaturperiode hinaus.

Dennoch gelte es weiterhin, so Tanner, den jahrelang unbearbeiteten "Investitionsrückstau" abzubauen, etwa bei Flugzeugen, Hubschraubern, Sicherheitsausrüstungen und Kasernen. Zu letzterem Punkt führte sie das Beispiel Villach an, wo die Unterkünfte nach ökologischen Standards als energieautarke Gebäude modernisiert würden, wie Olga Voglauer (GRÜNE) erfuhr. Beim Kasernenbau am Areal des Kärntner Flughafens gebe es noch rechtliche Fragen mit dem Land zu klären, führte Tanner weiter aus, sie erwartet aber bis Ende 2023 einen Start der Bauarbeiten. Hinsichtlich Eurofighter stellte sie eine Nachrüstung in Aussicht.

EU-Militärstrategie unter Mitwirkung Österreichs

Verteidigungsministerin Tanner sieht mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine "Zeitenwende" herangebrochen. Aufgrund der neuen Sicherheitserfordernisse in ganz Europa beteilige sich Österreich an den Bemühungen der EU, militärisch eine stärkere Resilienz aufzubauen, beschrieb sie das entsprechende EU-Programm "Strategischer Kompass", das 81 Maßnahmen umfasse. Dazu gehöre die Vorbereitung einer schnellen Eingreiftruppe. Die Details dazu – auch bezüglich Finanzierung – würden bis Jahresende ausgearbeitet. "Das Ziel ist, dass 2023 schon trainiert werden kann", so Tanner. Österreich als neutraler Staat wolle seine Kompetenzen vor allem im logistischen Bereich einbringen. Zur Verteidigung im europäischen Verbund sagte sie, "Wir sind kein Trittbrettfahrer", 1.200 österreichische Soldat:innen seien bereits heute in Auslandsmissionen tätig.

Das Bundesheer sei allerdings eine "Parlamentsarmee", unterstrich sie auf Nachfragen von Stephanie Krisper (NEOS) und Reinhard Eugen Bösch (FPÖ), jeder Einsatz müsse also vom Hauptausschuss des Nationalrats genehmigt werden. Zur entsprechenden Planung von Einsätzen hätten die Nachrichtendienste der 27 EU-Staaten noch enger zusammenzuarbeiten.

Mit ihrer angestrebten strategischen Verteidigungsautonomie will die Europäischen Union die Sicherheit ihrer Bürger:innen besser eigenständig schützen und gleichzeitig vermehrt weltweit mit Partnern bei der Wahrung der eigenen Werte und Interessen zusammenarbeiten. Friedrich Ofenauer (ÖVP) bezog sich in seiner Frage dazu aus aktuellem Anlass auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Angesichts der russischen Cyberangriffe schon im Vorfeld des Krieges braucht es nach Tanners Dafürhalten in Österreich gerade bei der "Cyber-Defence" eine Verzehnfachung der Fachleute. Entsprechende Schulungen gebe es bereits an der heimischen Landesverteidigungsakademie.

Kooperationen im Luftraum verfassungsrechtlich prüfen

Die Notwendigkeit einer funktionierenden Luftraumüberwachung hat sich Verteidigungsministerin Tanner zufolge gerade in den letzten Monaten gezeigt. Möglichkeiten der Kooperation in diesem Bereich seien für viele Staaten nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten zu befürworten, meinte Tanner mit Hinweis auf die verfassungsrechtliche Beleuchtung der Thematik durch ihr Ressort. Ergebnisoffene Verhandlungen darüber gebe es derzeit mit der Schweiz, aber auch mit anderen Nachbarländern wie Italien und Tschechien sei man dazu in Verbindung. 

Die Bedeutung der heimischen Luftstreitkräfte werde nicht zuletzt bei der AIRPOWER2022 in der Steiermark klargemacht, rechtfertigte Tanner die Abhaltung der Flugshow ungeachtet des Krieges in der Ukraine. Als Argumente für die Sinnhaftigkeit der Veranstaltung brachte sie deren Werbewirkung für das Bundesheer als Arbeitgeber und die Wertschöpfungseffekte des Events für die Region. Im Sinne der Nachhaltigkeit trachte man danach, bei der Flugshow heuer 30% des Co2-Ausstoßes einzusparen.

Personalmangel im Heer

Letztlich gehe es auch darum, das Bundesheer als "attraktiven Dienstgeber" ausweisen zu können, um seinen verfassungsmäßigen Aufgaben nachzukommen, richtete Tanner den Fokus auf den Personalmangel im Heer. Dafür brauche es aber die nötigen Rahmenbedingungen in Hinblick auf Ausstattung, Infrastruktur und sozialrechtliche Vorkehrungen. Einen Frauenförderplan und Mentoring nannte Tanner als Maßnahmen ihres Ressorts, noch mehr Anreize für die Arbeit im Heer zu schaffen. Immerhin gebe es angesichts des geringen Soldatinnenanteils von etwa 4% noch viel zu tun, beispielsweise bei Vorkehrungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Attraktiviert werde auch das heimische Milizsystem, ging Tanner näher auf die Kritik von Volker Reifenberger (FPÖ) ein, das Einstellen der verpflichtenden Milizübungen sei gleichsam ein "Verfassungsbruch" gewesen. Die Verteidigungsministerin wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Das gesamte System des Bundesheeres beruhe auf der Entscheidung von jungen Männern und auch Frauen, ihre Karriere im vielfältigen Wirken des Bundesheeres zu machen. Die Miliz bleibe "integraler Bestandteil des Bundesheeres, um auf eine Mannstärke von 55.000 zu kommen", betonte sie. Aus diesem Grund gebe es nun für junge Männer die Möglichkeit, nach dem sechsmonatigen Grundwehrdienst freiwillig für drei Monate an Milizübungen teilzunehmen. Das werde auch entsprechend honoriert, verwies sie auf das für die Miliz bereitgestellte 200 Mio. €-Paket. (Fortsetzung Nationalrat) rei

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.