Parlamentskorrespondenz Nr. 679 vom 15.06.2022

Volksanwaltschaft: Nationalrat diskutiert Tätigkeitsbericht für 2021

Datenerhebung im Bereich von Menschen mit Behinderungen soll verbessert werden

Der Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2021 stand heute im Nationalrat auf der Tagesordnung. Der Bericht informiert darüber, dass es 2021 zu einem Anstieg der Beschwerden auf über 23.000 gekommen ist. In über 1.800 Verfahren wurde ein Missstand bei einer Behörde aufgezeigt.

Ein von den Koalitionsfraktionen während der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag wurde zudem einstimmig angenommen. Darin wird der Sozialminister ersucht, die statistischen Datengrundlagen im Bereich von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Die Volksanwaltschaft hatte in ihrem Bericht hier Verbesserungspotential gesehen.

Volksanwaltschaft: Zahl der Beschwerden stieg 2021 um 32%

23.633 Beschwerden aufgrund von Problemen mit Behörden langten laut dem Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft (III-531 d.B.) im vergangenen Jahr beim Kontrollorgan des Nationalrats ein. Das sind um 32% mehr als 2020. In rund der Hälfte der Fälle (11.516) leitete die Volksanwaltschaft ein offizielles Prüfverfahren ein. In 1.834 Verfahren wurde ein Missstand bei einer Behörde aufgezeigt. Etliche Beschwerden betrafen das Corona-Management des Bundes und der Länder, aber auch pandemieunabhängige Bereiche wie Ärzt:innenmangel und Lücken im Heimopferrentengesetz (HOG).

Im Zuge der präventiven Menschenrechtskontrolle besuchten die Kommissionen der Volksanwaltschaft im Vorjahr 541-mal Einrichtungen, in denen Menschen in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt werden. Außerdem wurden 29 Polizeieinsätze begleitet und 13 Round-Table-Gespräche mit Einrichtungen und übergeordneten Dienststellen geführt. Als übergreifendes Problem in Krankenhäusern beziehungsweise Psychiatrien, Alters- und Pflegeheimen, bei den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, den Anhaltezentren und Gefängnissen stellte sich dabei der akute Personalmangel heraus. Menschenrechtsverletzungen aufgrund überlasteter Betreuungspersonen könnten durch eine rasche Verbesserung der Personalausstattung in den Einrichtungen vermieden werden, so die Volksanwaltschaft in dem vom Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen Tätigkeitsbericht.

Datenerhebung im Bereich Menschen mit Behinderungen soll verbessert werden

Ein im Zuge der Debatte von der ÖVP und den Grünen eingebrachter Entschließungsantrag zur Datensituation im Bereich von Menschen mit Behinderungen wurde im Plenum ebenfalls einstimmig angenommen. Darin wird der Sozialminister ersucht, die Erhebung und das zusammentragen bereits vorhandener Daten in Auftrag zu geben, um die statistischen Datengrundlagen zu Planungszwecken zu verbessern. Dies soll insbesondere die Bereiche Arbeitsmarkt und Deinstitutionalisierung (Aufbau gemeindenaher Unterstützungsleistungen und Katastrophenschutz) betreffen. Dabei sollen geschlechts- und genderspezifische Auswertungen berücksichtigt werden. Auch die Volksanwaltschaft hat in ihrem Bericht auf das Fehlen aussagekräftiger Daten und Statistiken zu vielen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderungen bemängelt.

Volksanwälte: Volksanwaltschaft erfüllt ihren überparteilichen und unparteiischen Auftrag

Trotz des gestiegenen Beschwerdeaufkommens habe man für alle Menschen, die sich an die Volksanwaltschaft wenden, ein offenes Ohr, versicherte Volksanwalt Bernhard Achitz bei seiner Stellungnahme im Nationalratsplenum. Jede und Jeder, die oder der sich an die Volksanwaltschaft wende, bekomme eine Antwort, egal ob es zu einem Verfahren komme oder nicht. Obwohl es auch 2021 weiterhin Beschwerden zum Corona-Management gegeben habe, ist laut Achitz der Anstieg nicht allein darauf zurückzuführen. Der Volksanwalt nannte etwa Probleme bei der Auszahlung der Familienbeihilfe sowie des Kinderbetreuungsgeldes. Im Bereich der Präventiven Menschenrechtskontrolle könne man zudem einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Personalmangel und der Qualität der Betreuung sowie der Gefährdung von Menschenrechten erkennen. Dies betreffe Alten- und Pflegeheime, aber auch Behinderten- und Jugendeinrichtungen sowie Psychiatrien und Spitäler. Auch bei der Heimopferrente gelte es, gesetzliche Lücken zu schließen.

Die Volksanwaltschaft erfülle ihren überparteilichen und unparteiischen Auftrag und sei "ein Seismograph der Gesellschaft", was auch die Steigerung der Beschwerdefälle von über 30% zum Ausdruck bringe, betonte Volksanwalt Werner Amon. Vor allem die Corona-Pandemie habe das Aggressions- und Konfliktpotential gegenüber der Verwaltung gesteigert. Was seine Arbeitsschwerpunkte betrifft, habe es sich im Bereich des Finanzministeriums großteils um Beschwerden zu Corona-Hilfsinstrumenten gehandelt. Es habe aber auch Kritik an der Neustrukturierung der Finanzämter gegeben. Laut Amon ist mit 778 Beschwerden der "Hotspot" im Straf- und Maßnahmenvollzug aufgetreten. Hier sei vor allem durch den Personal- und Infrastrukturmangel im Maßnahmenvollzug "dringender Handlungsbedarf" gegeben.

ÖVP: Volksanwaltschaft ist unverzichtbares Element der Kontrolle

Alle zu Wort gemeldeten Abgeordneten dankten den drei Volksanwälten sowie deren Mitarbeiter:innen für ihre "wichtige und wertvolle Arbeit". Martina Diesner-Wais (ÖVP) sprach von einem "unverzichtbaren Element der Kontrolle". Das Kontrollorgan sei seit 45 Jahren für alle Menschen da. Die Prüfergebnisse des Jahres 2021 würden zudem die effiziente Arbeit belegen. Der von ÖVP und Grünen eingebrachte Entschließungsantrag zur Datenerhebung im Bereich von Menschen mit Behinderungen zeige, dass das Parlament die Anregungen der Volksanwaltschaft umsetze, betonte Diesner-Wais.

Für ihren Fraktionskollegen Peter Weidinger (ÖVP) leistet die Volksanwaltschaft einen "wertvollen Beitrag, um die Sorgen der Österreicher:innen in Zusammenhang mit der Verwaltung ernst zu nehmen. "Wir leben in dynamischen Zeiten, gerade deshalb ist es notwendig, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erhalten", so der ÖVP-Mandatar.

SPÖ: Tätigkeitsbericht dokumentiert Versagen der Regierung

"Der Tätigkeitsbericht dokumentiert das Versagen der Regierung", unterstrich Rudolf Silvan (SPÖ). Dies sei an der schwierigen Arbeitssituation im Pflegebereich erkennbar. "Die Menschen in der Pflege sind psychisch und physisch am Ende", zeigte sich der SPÖ-Abgeordnete alarmiert. In diesem Bereich brauche es "eine Politik für die Vielen, nicht für die Wenigen".

Sabine Schatz (SPÖ) sprach die "gesetzlichen Lücken" im Bereich der Heimopferrente an. Sie zeigte sich erfreut, dass sie von Seiten der Regierungsparteien positive Signale zur Reparatur erhalten habe. Obwohl er mit der Umsetzung einer diskriminierungsfreien Blutspenderegelung für homosexuelle Menschen zufrieden sei, ortete Mario Lindner (SPÖ) noch Handlungsbedarf im Bereich der Menschen aus der LGBTIQ-Community.

FPÖ: Es braucht Pläne gegen den Pflegenotstand

Der Tätigkeitsbericht zeige große Mängel im Bereich der Pflege-, Kinder- und Jugendeinrichtungen auf, betonte Rosa Ecker (FPÖ). Das Personal sei "machtlos und ausgelaugt". Es sei "eine Schande für Österreich, dass Menschen in diesen Einrichtungen von Gewalt bedroht sind", so die FPÖ-Mandatarin. Hier müssten die Regierung und die Bundesländer ihrer Verantwortung nachkommen. Auch für Christian Ragger (FPÖ) braucht es Pläne gegen den Pflegenotstand. Hier müsse man die Warnsignale ernst nehmen, da 25% des Pflegepersonals sich umorientieren wollen würden.

Christian Lausch (FPÖ) sah Handlungsbedarf bei der Bauordnung und ortete Probleme bei Polizeianhaltezentren. Die Volksanwaltschaft sei oft "die letzte Hoffnung für Menschen, die mit der Verwaltung schlechte Erfahrungen gemacht haben".

Grüne: Unterstützung durch Volksanwaltschaft ist kostenlos

"Zentrale Aufgabe der Volksanwaltschaft ist es, die Bürger:innen bei Ungerechtigkeiten gegenüber den Einrichtungen des Staates kostenlos zu unterstützen", hielt Eva Blimlinger (Grüne) fest. Dies sei unabhängig der Nationalität möglich, wenn es um österreichische Behörden gehe. Der Anstieg der Beschwerden heiße nicht, dass die Verwaltung immer schlechter werde, vielmehr sei durch die Corona-Pandemie die Aufmerksamkeit dafür gestiegen, erklärte Blimlinger.

Zu dem von ihr eingebrachten Entschließungsantrag, hielt die Grünen-Mandatarin Heike Grebien fest, dass es an einer zentralen Übersicht zu Daten über Menschen mit Behinderungen mangle. Es sei oft nicht klar, ob es sich bei Problemen um Einzelfälle oder strukturelle Mängel handle. Der Tätigkeitsbericht habe aufgezeigt, dass es noch viel Verbesserungspotential bei Menschen mit Behinderungen gebe.

NEOS: Es braucht transparenten Bestellmodus der Volksanwälte

Stephanie Krisper (NEOS) forderte einen transparenteren Bestellmodus der Volksanwälte. Aktuell seien diese klar den drei größten Parteien im Nationalrat zuordenbar, was so nicht im Gesetz stehe. Es gehe vielmehr darum, die besten Expert:innen im Bereich der Menschenrechte dafür auszuwählen.

Johannes Margreiter (NEOS) kritisierte die Bedingungen im Maßnahmenvollzug. Aktuell seien rund 1400 Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, obwohl sie keine Strafgefangenen seien. Österreich verletze hier die Europäische Menschenrechtskonvention sowie die eigene Verfassung. Für Margreiter braucht es deshalb eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, eine bessere Ausstattung der Einrichtungen sowie eine Verbesserung der Qualität der Gutachten. (Fortsetzung Nationalrat) med

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