Parlamentskorrespondenz Nr. 683 vom 15.06.2022

Gegen Lebensmittelverschwendung: Nationalrat beschließt Haltbarkeitsanalysen bei Frischeiern

Oppositionsanträge zu Bürgschaften als Insolvenzfalle für Frauen und Bericht über Maßnahmen im Konsumentenschutz abgelehnt

Wien (PK) – Um der voranschreitenden Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken, beschloss der Nationalrat heute die Regelungen der Verkaufs- und Mindesthaltbarkeitsfrist von Frischeiern zu evaluieren. Dabei soll die Sinnhaftigkeit der von der EU vorgegebenen Haltbarkeitsfrist von maximal 28 Tagen und die verpflichtende Abgabefrist von 21 Tagen geprüft werden.

Mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde ein Bericht des Konsumentenschutzministers über die Errichtung einer Fachstelle, die in der Normung die Interessen der Verbraucher:innen und die Barrierefreiheit wahren soll. In der Minderheit blieb ein Antrag der FPÖ, diese Fachstelle zum 31. März 2022 einzurichten sowie eine NEOS-Forderung nach einem Bericht über die Maßnahmen des Konsumentenschutzministers. Abgelehnt wurde auch ein gemeinsame Initiative von SPÖ, FPÖ und NEOS zur Datenerhebung über das durch Bürgschaften verursachte Insolvenzrisiko für Frauen.

Regierungsantrag zur Verlängerung der Verkaufsfrist von Eiern

Die aus Koalitionssicht "starren Regelungen" der Verkaufs- und Mindesthaltbarkeitsfrist von Frischeiern sollen laut einem Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen einer Evaluation unterzogen werden. So sei die verpflichtende Abgabefrist von max. 21 Tagen zu überdenken. Diese führe dazu, dass Eier, deren Mindesthaltbarkeit noch nicht erreicht wurde, aus der Wertschöpfungskette genommen werden müssten, obwohl diese, selbst nach der bestehenden Regelung noch mindestens eine Woche länger haltbar seien, so die Antragsteller:innen Peter Weidinger (ÖVP) und Ulrike Fischer (Grüne). Basierend auf den Untersuchungsergebnissen sollen sich der Konsumentenschutz- sowie der Landwirtschaftsminister auf europäischer Ebene für eine Ausdehnung der verpflichtenden Verkaufsfrist von 21 Tagen auf bis zu 28 Tage einsetzen.

Für Klaus Köchl (SPÖ) stellte sich die Frage, warum die ÖVP, nachdem sie "dutzende Oppositionsanträge" im Konsumentenschutzausschuss vertagt habe, ausgerechnet diesen Antrag sofort auf die Tagesordnung gesetzt habe – es würde sich dabei um eine klare Angelegenheit des Landwirtschaftsausschusses handeln. Den Grund sah er im Einfluss der Agrarindustrie auf die ÖVP. Diese wolle den Konsument:innen nun als Vorteil verkaufen, wenn künftig Eier von schlechterer Qualität in den Regalen stünden.

Ähnlich beurteilte FPÖ-Mandatar Walter Rauch den Sachverhalt. Auch er sah die Interessen der Agrarindustrie, und nicht jene der kleinen und mittelständischen Bäuerinnen und Bauern oder der Konsument:innen, für diesen Regierungsantrag ausschlaggebend. Zudem kritisierte er, dass durch die aus seiner Sicht unselige Praxis der Koalition, sämtliche Oppositionsanträge zu vertagen, der gesamte Konsumentenschutzausschuss auf diesen Antrag reduziert werde.

Der Antrag stamme nicht von der Agrarlobby hinter der ÖVP, sondern sei von ihr verfasst worden, stellte Ulrike Fischer von den Grünen klar. Bei keinem anderen Lebensmittel als bei Eiern gebe es eine Verfallsfrist, sondern lediglich ein Mindesthaltbarkeitsdatum, nach dessen Verstreichen diese auch weitergegeben werden können. Bei Eiern sei dies verboten, so Fischer, obwohl Studien besagen würden, dass auch diese viel länger haltbar seien. Österreich importiere täglich 1,9 Mio. Eier, obwohl es jährlich 2,2 Mrd. produziere und nur 1,1 Mrd. verbrauche. Die Ursache liege laut Fischer in der verschwenderischen Entsorgung noch haltbarer Eier, der mit diesem Antrag Einhalt geboten werden soll.

Die Verlängerung der Haltbarkeitsfristen würde nicht nur der großen Agrarindustrie helfen, sondern ebenso den kleinen Bäuerinnen und Bauern und wirke zudem der Lebensmittelverschwendung entgegen erklärte, Josef Hechenberger (ÖVP). Er ging auf die großen Mengen an weggeworfenen, noch genusstauglichen Lebensmittel ein und plädierte für eine "Bewusstseinskampagne" im Sinne eines verantwortungsvollen Konsums hochqualitativer und regionaler Lebensmittel. Gerade in der gegenwärtigen geopolitischen Lage und der mit ihr einhergehenden Lebensmittelverknappung, sei eine kollektive Bewusstseinsbildung gegen Verschwendung und für die Stärkung der regionalen Kreisläufe unabdingbar, so Hechenberger.

Katharina Werner (NEOS) erinnerte an einen massiven Preissprung bei Eiern, nur kurz nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Die massive Verschwendung würde diese Teuerung noch weiter antreiben. Daher signalisierte sie die Unterstützung ihrer Fraktion für den Regierungsantrag. Generell gebe es aber noch "riesigen Handlungsbedarf", was die Ernährungssicherheit und Lebensmittelverschwendung betreffe. Die vor einem Jahr zu diesem Zweck eingerichtete interministerielle Koordinierungsstelle habe dazu noch keinen Output geliefert, bemängelte Werner.

Fachstelle für Normung soll laut Bericht im BMSGPK angesiedelt werden

In weiterer Folge diskutierten die Abgeordneten den Bericht des Konsumentenschutzministers über die Errichtung einer Fachstelle, die in der Normung die Interessen der Verbraucher:innen und die Barrierefreiheit wahren soll. Favorisiert wird die Einrichtung einer Fachstelle direkt im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) als "effiziente und rasch umsetzbare Lösung". Diese soll dem BMSGPK direkt rechenschafts- und berichtspflichtig sein und keine weiteren Aufsichtsgremien erfordern. Außerdem sei so die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Verbraucher:innenangelegenheiten bei Austrian Standards sichergestellt. Für die legistische Umsetzung wird ein eigenes Bundesgesetz anstatt der Verankerung im Produktsicherheitsgesetz vorgeschlagen. Die Finanzierung soll aus Mitteln des BMSGPK erfolgen. Ein Antrag der Freiheitlichen, die Fachstelle bereits zum 31. März 2022 einzurichten, fand keine Mehrheit.

Oppositionsparteien fordern Datenerhebung zu Bürgschaften als Insolvenzfalle für Frauen

In einem gemeinsamen Entschließungsantrag zeigen sich SPÖ, FPÖ und NEOS besorgt darüber, dass Bürgschaften oft zur Insolvenz- und Armutsfalle für Frauen nach dem Ende einer Beziehung werden. Die Oppositionsparteien fordern vom Konsumentenschutzminister eine statistische und anonymisierte Erhebung zur Anzahl der Frauen, die von 2019 bis 2021 durch Bürgschaften in Privatkonkurs geschlittert sind oder eine Schuldner:innenberatung aufgesucht haben. Außerdem müsse die Anzahl jener Betroffenen erfasst werden, die Bürgschaften für ihre Ehegatten unterzeichnet haben.

NEOS wollen Bericht über Maßnahmen des Konsumentenschutzministers

In einem weiteren Oppositionsantrag fordern die  NEOS einen Bericht zu den vom Konsumentenschutzminister gesetzten Maßnahmen für die Jahre 2020 und 2021. In weiterer Folge solle im Zweijahresabstand ein solcher Bericht veröffentlicht werden, und die Grundlage für weitere evidenzbasierte Ansätze in der Konsument:innenpolitik bilden, so die NEOS.

Im Zuge der Debatte brachten die Freiheitlichen einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, sich auf EU-Ebene für den Erhalt der Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand und gegen eine Aufrundung von Preisen im Zuge der aus ihrer Sicht betriebenen Abschaffung der Münzen einzusetzen. Dieser fand keine Mehrheit. (Fortsetzung Nationalrat) wit

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