Parlamentskorrespondenz Nr. 724 vom 21.06.2022

Wirtschaftsausschuss: Hearing zum Volksbegehren Kauf Regional

Unterstützer:innen fordern Stärkung des stationären Handels

Wien (PK) – Der Wirtschaftsausschuss hat heute im Rahmen eines Expert:innen-Hearings das mit 146.295 Unterschriften unterstützte Volksbegehren "Kauf Regional" diskutiert. Der Wettbewerbsnachteil regionaler Wirtschaftsbetriebe gegenüber dem "niederlassungslosen" Onlinehandel soll durch gesetzliche Änderungen ausgeglichen werden, so die Forderung der Unterzeichner:innen. Beispiele dafür seien eine zweckgebundene Regionaltransferabgabe des Onlinehandels oder die Senkung der Mehrwertsteuer des stationären Handels. Neben den Bevollmächtigten des Volksbegehrens Eduard Egger und Andreas Palli waren Gunter Mayr vom Finanzministerium sowie Rainer Will und Patricia Grubmiller vom Österreichischen Handelsverband als Auskunftspersonen geladen. Alle Fraktionen begrüßten die Anliegen des Volksbegehrens, waren sich jedoch über die zu treffenden Maßnahmen uneinig.

Konkret sollten dem Volksbegehren (1180 d.B.) zufolge künftig multinationale Digitalkonzerne verpflichtet werden, ihre Gewinne in Österreich zu versteuern. Umsatzsteuersätze sollten nach dem Beitrag zur regionalen Arbeitsplatzerhaltung differenziert werden, wonach für dasselbe Produkt weniger Umsatzsteuer anfallen sollte, wenn es vor Ort gekauft wird. Mit einer temporären Regionaltransferabgabe sei von Online-Händler:innen ein Beitrag zur Aufrechterhaltung der Ortskerne zu leisten. Als verpflichtendem Beitrag zur Aktivierung regionaler Ortskerne brauche es außerdem die Bewerbung der Städte und Orte durch den ORF, etwa mit einem fixen Volumen an Werbezeiten für einzelne Regionen. Ferner fordern die Initiator:innen zu den angeführten Maßnahmen eine öffentliche Abstimmung im Parlament "ohne Klubzwang".

Volksbegehren-Initiatoren: Es ist für die Politik an der Zeit zu handeln

"Es geht darum ein Zeichen zu setzen, um den regionalen Handel zu stützen", betonte der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Eduard Egger in seinem Eingangsstatement. "Wir müssen jetzt gemeinsam handeln, damit nicht ein ums andere Geschäft verschwindet". Aufgabe des Staates sei es, die Wettbewerbsnachteile des stationären Handels gegenüber dem Onlinehandel auszugleichen. Immer mehr Geschäfte würden in den Ortszentren leer stehen, was den Verlust von Arbeitsplätzen und Lehrstellen nach sich ziehen würde.

Auch laut Eggers Stellvertreter Andreas Palli ist es "für die Politik an der Zeit zu handeln", da man das Thema nicht mehr "wegdiskutieren" könne. "Kauf Regional" sei europaweit ein Thema. Kleine Geschäfte hätten aktuell "keine Chance gegen Amazon und Co" obwohl sie "das Rückgrat der Wirtschaft" seien. Die EU sei jedoch gegründet worden, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Auch das Parlament müsse hier seiner Steuerungsfunktion gerecht werden. Palli unterstrich in diesem Zusammenhang eine der Grundforderungen des Volksbegehrens. Es gehe darum, den stationären Handel umsatzsteuerlich anders zu behandeln, wie Unternehmen ohne heimischer Niederlassung. Österreich könne hier eine Vorreiterrolle einnehmen.

Mayr: Es braucht globale Regelungen zur Besteuerung großer Onlinekonzerne

Grundsätzlich seien die Anliegen des Volksbegehrens zu begrüßen, denn es gehe um Steuergerechtigkeit, hielt Gunter Mayr, Steuerrechtsexperte des Finanzministeriums fest. "Digital darf in Österreich nicht weniger Steuern zahlen". Es gelte aber abzuklären, was im Rahmen des EU- und WTO-Rechts machbar sei. Was die höhere Besteuerung multinationaler Konzerne betrifft, sei Österreich mit seiner im Jahr 2020 eingeführten Digitalkonzernsteuer bereits internationaler Vorreiter. National könne man aber nur Initiativen setzen, es gehe um globale Regelungen, um die großen Onlinekonzerne zu mehr Steuergerechtigkeit zu zwingen, so Mayr. Als Erfolg bewertete der Experte die im vergangenen Jahr von den OECD- sowie den G20-Staaten breit unterstützten Vorschläge zu einer globalen Steuerreform, die auf eine höhere Besteuerung von digitalen Konzernen sowie auf eine globale Mindestbesteuerung von 15% abzielen. Die von den Initiator:innen vorgeschlagene Umsatzsteuersenkung für den stationären Handel sah Mayr skeptisch. Die EU sei geprägt vom Binnenmarkt, weshalb das gleiche Produkt überall gleich besteuert werden müsse. Außerdem führe eine verschieden hohe Besteuerung zu einem bürokratischen Mehraufwand.

Will: Fair Play muss auch Online hergestellt werden

"Fair Play muss auch Online hergestellt werden", unterstrich der Geschäftsführer des Handelsverbands Rainer Will. Die Rahmenbedingungen müssten für alle Marktteilnehmer:innen gleich sein. Es sei aber wichtig, zwischen dem Onlinehandel mit Sitz in Österreich und den Unternehmen von Drittstaat ohne heimische Betriebsstätte zu unterscheiden. Auch Will zeigte sich gegenüber "nationalen Alleingängen" skeptisch und begrüßte die Einigungen auf OECD-Ebene. Kritisch sah der Handelsverband-Geschäftsführer jedoch die Umsetzungsverschiebung in Richtung 2024. Die Vorschläge zu einer geringeren Umsatzsteuer für den niedergelassenen Handel sah Will ebenso schwierig, da es oft Mischformen zwischen "Online- und Offlinehandel" geben würde.

Zur Stärkung des stationären Handels gebe es seitens des Handelsverbands aber noch andere Vorschläge. Laut Will geht es dabei etwa um die Abschaffung der Mietvertragsgebühren, den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, um die Flexibilität von Angestellten zu erhöhen sowie um keine weiteren coronabedingten Beschränkungen. Eine Sonntagsöffnung sei durch die doppelten Zuschläge aktuell nicht zu finanzieren.

Fraktionen begrüßen Volksbegehren, sind aber über Maßnahmen uneinig

Alle sich zu Wort gemeldeten Abgeordneten sprachen von einer wichtigen Initiative und dankten den Initiator:innen und Unterstützer:innen des Volksbegehrens. Beim Problemaufriss und dass regionales Kaufverhalten die Wertschöpfung vor Ort steigere, seien Alle einer Meinung, hielt Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) fest. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sah die ÖVP-Mandatarin aber skeptisch, da sie Projekte und Förderungen für Unternehmen zur Teilnahme am Onlinehandel konterkarieren könnten. Für ihren Fraktionskollegen Christoph Stark geht es vor allem um Bewusstseinsbildung. Dazu habe das Volksbegehren beigetragen. Laut Stark sehe man aktuell eine generelle Änderung der Handelslandschaft und des Kaufverhaltens der Kund:innen, weshalb es wichtig sei, die Betriebe weiter bei Maßnahmen des Digitalmarketings zu unterstützen und Auflagen abzubauen.

Mit Bewusstseinsbildung alleine könne man die Probleme nicht lösen, hielt Maximilian Lercher (SPÖ) dagegen. "Wir erleben ein Systemversagen des Marktes und müssen eingreifen", um "die Rahmenbedingungen im Großen" zu verändern, so der SPÖ-Abgeordnete.

Auch Erwin Angerer (FPÖ) sprach von einem wichtigen Thema, dass das Volksbegehren angestoßen habe. Er zeigte sich jedoch skeptisch, dass man sich auf internationaler Ebene bis zu einer Einigung auf OECD-Ebene dazu verpflichtet habe, aktuell keine weiteren Schritte zu setzen.

Ihr sei die Stärkung der Ortskerne ein großes Anliegen, dies sei aber nicht ohne den stationären Handel möglich, so Elisabeth Götze (Grüne). Die Vorschläge des Volksbegehrens bezeichnete die Grünen-Mandatarin als rechtlich schwierig. Ein Bruch des EU-Rechts sei nicht sinnvoll. Wichtig sei die Stärkung der Wettbewerbsbehörden sowie die rasche Einführung einer globalen Mindesteuer. Für Jakob Schwarz (Grüne) ist durch die Senkung der Einkommenssteuer im Rahmen der Steuerreform ein wichtiger Schritt zur Entlastung des Faktors Arbeit gemacht worden. Zudem würden durch die Einführung des CO2-Preis Rücksendungen verteuert.

"Wir teilen Ihr Anliegen, aber nicht Ihre Vorschläge", unterstrich Gerald Loacker (NEOS). Es gebe viele Möglichkeiten, den stationären Handel zu unterstützen, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen. Für Loacker geht es dabei vor allem um Bürokratieabbau, die Liberalisierung von Öffnungszeiten, die Abschaffung von Mietvertragsgebühren sowie um keine weiteren Lockdowns durch die Corona-Pandemie. Dem schloss sich seine Fraktionskollegin Karin Doppelbauer an. Für die NEOS-Mandatarin sind außerdem Änderungen in der Raumordnung und Raumplanung nötig, da diese oftmals das wirtschaften in Innenstädten und Ortszentren erschweren würden. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) med


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