Parlamentskorrespondenz Nr. 856 vom 08.07.2022

Nationalrat: Wahlrechtsänderungsgesetz einstimmig beschlossen

SPÖ und FPÖ scheitern mit Neuwahlanträgen

Wien (PK) – Der Nationalrat hat ein Wahlrechtsänderungsgesetz einstimmig beschlossen. Damit wird künftig etwa das Geschlecht einer wahlberechtigten Person nicht mehr erfasst. Zudem wird ein neues Wahlsprengel-Tool eingeführt.

Keine Mehrheit gab es für Neuwahlanträge der SPÖ und der FPÖ. Die SPÖ sieht die Koalition nicht in der Lage, die aktuellen Krisen zu bewältigen, und wollte deshalb den Weg für Neuwahlen freimachen. Die FPÖ begründete ihren Antrag mit dem aus ihrer Sicht gescheiterten Corona-Management der Regierung.

Wahlrechtsänderungsgesetz 2022

Das einstimmig beschlossene Wahlrechtsänderungsgesetz 2022 soll unter anderem Vorsorge dafür tragen, dass auch Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zugehörig fühlen bzw. dieses nicht angeben wollen, weiterhin an Wahlen teilnehmen können. So werden alle Bezeichnungen aus der Nationalrats-Wahlordnung und anderen Wahlgesetzen entfernt, die auf "Männer" und "Frauen" abstellen oder eine Unterscheidung zwischen "männlich" und "weiblich" treffen. Künftig ist nur noch von "Personen" die Rede, das Geschlecht einer wahlberechtigten Person wird nicht mehr erfasst.

Zudem wird ein neues Wahlsprengel-Tool eingeführt. Es soll die Abgrenzung und Administration der Wahlsprengel erleichtern und zudem für die Abwicklung der sogenannten "zweiten Chance" genutzt werden: Dabei geht es um die Rückholung und Bereitstellung jener Wahlkarten, die in geschlossenen Postämtern gestrandet sind, weil sie von den Wahlberechtigten nicht rechtzeitig vor der Wahl abgeholt wurden. Ihnen soll damit die Wahl trotzdem ermöglicht werden.

Man bringe die Wahlrechtsnovelle rechtzeitig vor der Bundespräsident:innenwahl auf den Weg, legte Wolfgang Gerstl (ÖVP) dar. Dass alle Fraktionen ihre Zustimmung signalisierten, schätze er sehr. Schließlich sei das Wahlrecht einer der Grundpfeiler der Demokratie. Gerstl kündigte auch ein weiteres Wahlrechtspaket an, das in Kürze verhandelt werden soll und unter anderem Verbesserungen in puncto Barrierefreiheit bringen soll.

Wenn etwas vernünftig und notwendig ist, stimme seine Fraktion zu, erläuterte Christian Drobits von der SPÖ. Die Änderungen in Bezug auf die Geschlechtsbezeichnungen und auf die Transparenz bezeichnete er als richtig. Die SPÖ werde jedenfalls auch beim kommenden Paket mitarbeiten, kündigte er an.

Harald Stefan (FPÖ) äußerte sich ebenfalls zustimmend und bezeichnete die technischen Änderungen als sinnvoll. Dass es künftig keine Unterscheidung in Männer und Frauen mehr geben werde, finde er zwar "etwas eigenartig", er nehme es aber emotionslos zur Kenntnis.

Neuwahlanträge von SPÖ und FPÖ gescheitert

Sowohl die Sozialdemokrat:innen als auch die Freiheitlichen haben sich mit Anträgen dafür ausgesprochen, die laufende Gesetzgebungsperiode vorzeitig zu beenden und damit den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die Koalition sei nicht in der Lage, die aktuellen Krisen zu bewältigen, argumentierte die SPÖ. Die FPÖ hat ihren Neuwahlantrag bereits Ende 2021 eingebracht und vor allem mit dem aus ihrer Sicht gescheiterten Corona-Management der Regierung begründet.

Österreich befinde sich zweifelsohne in einer der schwersten Krisen der letzten Jahrzehnte, sagte Jörg Leichtfried (SPÖ). Statt zu handeln, beobachte die Bundesregierung die Situation seit Monaten. Seit 500 Tagen gebe es kein Klimaschutzgesetz, kein ordentliches Corona-Management und auch bei der Teuerung sehe die Regierung nur zu. "Die Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten und die Menschen können sich diese Bundesregierung nicht mehr leisten", zeigte sich Leichtfried überzeugt. Wie seine Fraktionskollegin Sabine Schatz kritisierte er, dass die Maßnahmen der Regierung keine Preise senken.

Schatz bezeichnete das Paket als Mogelpackung und zeigte sich wenig verwundert über die sinkenden Umfragewerte der Koalitionsparteien. Die Regierung habe gar keine Zeit, sich um die Probleme der Menschen zu kümmern, weil sie angesichts der vielen Umbildungen und ÖVP-Skandale nur mit sich selbst beschäftigt sei. Anlässlich des heutigen letzten Schultages forderte sie von der Regierung: "Holen Sie sich Ihr Zeugnis, stellen Sie sich den Wählerinnen und Wählern und machen Sie den Weg frei für Neuwahlen".

Auch Susanne Fürst (FPÖ) sprach sich dafür aus, die aus ihrer Sicht "unglückselige Gesetzgebungsperiode" zu beenden und Neuwahlen auszurufen. Nach zwei Jahren fataler Corona-Politik mit überschießenden Maßnahmen manage die Regierung nun die außenpolitische Herausforderung mit dem Krieg in der Ukraine "genauso entsetzlich". Energieknappheit und Inflation müssten nicht sei, zeigte Fürst sich überzeugt und machte die westlichen Sanktionen gegen Russland, die Österreich mit vorangetrieben habe, dafür verantwortlich.

Michael Schnedlitz (FPÖ) attestierte der Bundesregierung "seit zwei Jahren Chaos, Korruption und Versagen auf jeder Linie". Immer, wenn es durch Maßnahmen besonders hart für die Bevölkerung geworden sei, wie etwa bei der Impfpflicht oder den Sanktionen gegen Russland, seien aber auch SPÖ und NEOS dabei gewesen. Laut Schnedlitz gebe es im Parlament mit den Freiheitlichen nur noch eine Partei, die Politik auf Augenhöhe mit den Menschen mache. Der Regierung warf er vor, "nicht das Land durch die Krise, sondern die Krise durch das Land zu führen". Es müsse Schluss sein mit der Politik auf dem Rücken der Menschen. Das Rezept dagegen seien Neuwahlen, so der Freiheitliche.

Sigrid Maurer (Grüne) bezeichnete die Rede von Schnedlitz als "eines Parlaments unwürdig". Alle Parteien zu verunglimpfen und diffamieren gehöre sich einfach nicht. Maurer rief zu seriöser Arbeit auf. Aus ihrer Sicht leiste die Bundesregierung wichtige Arbeit, die es angesichts der aktuellen Herausforderungen durch Krieg, Pandemie, Teuerung und Klimakrise brauche. Man habe ein riesiges Entlastungspaket geschnürt, so Maurer.

Auch Wolfgang Gerstl und August Wöginger (beide ÖVP) hoben hervor, dass zahlreiche Maßnahmen beschlossen und erste Gelder bereits geflossen seien. In der Krise brauche es Zusammenhalt, sagte Gerstl etwa. Die SPÖ habe das Gegenteil bewiesen, in dem sie dem jüngsten Entlastungspaket nicht zugestimmt habe. Auch Wöginger bezeichnete das Anti-Teuerungspaket und andere Maßnahmen wie das Pflegepaket als unterstützenswert und warf den Sozialdemokrat:innen vor, nicht mitgestimmt zu haben. An den Freiheitlichen kritisierte er, dass fast die Hälfte der Abgeordneten in der heutigen Sitzung abwesend seien. "Wir arbeiten weiterhin mit aller Kraft für die Menschen. Tun Sie das auch und ersparen Sie uns Neuwahlanträge", sagte er in Richtung Opposition. (Fortsetzung Nationalrat) kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.