Parlamentskorrespondenz Nr. 1047 vom 30.09.2022

Unterrichtsminister Polaschek will Lehrpläne verschlanken

Neue Lehrpläne, Deutschförderung, Lehrer:innenmangel und Corona als Themen im Unterrichtsausschuss

Wien (PK) – Wie ab dem Schuljahr 2023/24 die seit 2018 erarbeiteten neuen Lehrpläne an Volksschulen, Mittelschulen und AHS-Unterstufen aussehen werden, steht laut Bildungsminister Martin Polaschek noch nicht völlig fest. Nach herber Kritik in der Begutachtungsphase, aus Sicht der NEOS vor allem am Wirtschaftsunterricht, gehe sein Haus gemeinsam mit Fachexpert:innen den Beanstandungen auf den Grund, so Polaschek heute im Unterrichtsausschuss des Nationalrats. Generell sprach er sich für eine Verschlankung der Lehrpläne aus, die dafür häufiger als jedes zehnte Jahr überarbeitet werden könnten.

Bereits implementiert werde dieses Schuljahr das Vorhaben, die Deutschförderung für ordentliche Schüler:innen in Regelklassen auszubauen, hieß es von den Grünen. Durch den Zustrom vieler neuer Schüler:innen ohne Deutschkenntnisse infolge des Kriegs in der Ukraine habe die diesbezügliche Ressourcenaufstockung an Brisanz gewonnen, wurde eine Antrag der Koalitionsparteien in diesem Zusammenhang begründet. Außer der FPÖ stimmten dem Antrag alle Parteien zu, ein freiheitlicher Vorstoß, Deutsch als Umgangssprache in den Pausen verpflichtend zu machen, blieb in der Minderheit. Mehrheitlich von ÖVP und Grünen vertagt wurden ein SPÖ-Antrag und eine Bürgerinitiative, die auf die Abschaffung der außerordentlichen Einstufung von Schüler:innen aufgrund von Defiziten in der Unterrichtssprache abzielen, womit auch die Deutschförderklassen obsolet wären.

Auf Grundlage der Berichte des Bildungsministeriums über die Verwendung der ihm zugestandenen Mittel aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds diskutierten die Ausschussmitglieder darüber hinaus, welche Unterstützung die Schulen im Herbst bei einer Verschärfung der Corona-Infektionslage erwarten können. Falls notwendig, gebe es ausreichend Kapazitäten für die Durchführung von PCR-Tests an den Schulen, so Polaschek, derzeit sei laut Expert:innen der Bedarf aber nicht gegeben. Die Berichte wurden von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen und enderledigt.

Deutschförderung länger ermöglichen

Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS verabschiedete der Ausschuss einen Antrag (2623/A(E)) der Bildungssprecher:innen Sibylle Hamann (Grüne) und Rudolf Taschner (ÖVP), auch sogenannten ordentlichen Schüler:innen eine bedarfsorientierte und individuelle Deutschförderung zu ermöglichen, falls sie nach dem Besuch der Deutschförderklassen weiterhin Förderbedarf haben.  

Mit einem ebenfalls von den Regierungsfraktionen in der Ausschusssitzung eingebrachten Abänderungsantrag werden für die ausgeweitete Sprachförderung ausreichend Mittel vorgesehen. Das sei schon aufgrund des Zustroms ukrainischer Geflüchteter und ihrer schulpflichtigen Kinder nötig, heißt es im Antrag. Angesichts des andauernden Angriffskriegs Russlands  sei mit mehr Flüchtlingen aus der Ukraine zu rechnen, wodurch die Schaffung weiterer Klassen notwendig werde. Die ausgeweitete Art der Deutschförderung sei bereits in "großen Teilen in Umsetzung", berichtete Sibylle Hamann (Grüne); 4,5 Mio. € jährlich nehme das Ressort dafür in die Hand. Die 2018 eingeführten Deutschförderklassen für Schüler:innen dauern maximal zwei Jahre. Die Koalitionsparteien weisen nun allerdings darauf hin, dass der sprachliche Kompetenzerwerb bei Kindern und Jugendlichen bis zu sieben Jahre dauern kann. Eine Evaluierung der Deutschförderklassen sollte bis Jahresende eine "nüchterne, evidenzbasierte Analyse" dieses Förderinstruments ermöglichen, äußerte sich Hamann zur Zukunft der Deutschförderklassen.

Angesichts des bestehenden Lehrer:innenmangels wollte die FPÖ den Antrag auf erweiterte Sprachförderung in den Regelklassen nicht mittragen. Außerdem würden darin die Prioritäten falsch gesetzt, zum Schaden "unserer Kinder", wie Hermann Brückl (FPÖ) sagte. Diese Äußerung löste starken Protest bei allen übrigen Fraktionen aus.

Deutscherwerb: SPÖ pocht auf Integration, FPÖ auf Verpflichtung

Auf Integration von Anfang an setzt die SPÖ bei der Deutschförderung. Konkret fordert Nurten Yilmaz (SPÖ) ein bis zu sechsjähriges integratives Deutschförderprogramm statt der maximal zweijährigen Deutschförderklassen (2716/A(E)), und zwar im Rahmen des Fachunterrichts im regulären Klassenverband. Die FPÖ will Schüler:innen aus nicht-deutschsprachigen Elternhäusern verpflichten, auch in den Unterrichtspausen an Österreichs Schulen Deutsch als Umgangssprache zu verwenden (2544/A(E)). Nur so sei eine echte Integration anderssprachiger Kinder zu bewerkstelligen, unterstrich Antragsteller Hermann Brückl (FPÖ). Immerhin hätten laut Erhebungen der Statistik Austria an Österreichs Pflichtschulen im Durchschnitt "3 von 10 Kindern" eine nicht-deutsche Umgangssprache.

Den FPÖ-Antrag lehnten ÖVP und Grüne mit dem Hinweis ab, dadurch würde anderssprachigen Kindern die Kontaktaufnahme mit ihren Alterskolleg:innen unmöglich gemacht. Das SPÖ-Anliegen wurde vertagt, ebenso wie eine Bürgerinitiative, die in den Deutschförderklassen eine Ausgrenzung mehrsprachiger Kinder aus der Regelklasse sieht. Hamann (Grüne) wies bei ihrer Erklärung für die Vertagungen erneut auf die laufende Evaluierung der Deutschförderklassen hin, bei der auch Probleme wie unterjährige Klassenwechsel erhoben würden. Letztlich, so die Grüne Bildungssprecherin, sei das Ziel aller, "die Deutschförderung jedenfalls besser zu machen".

Lehrer:innemangel: Polaschek will höchstens 300 Quereinsteiger:innen pro Jahr

Der Mangel an Lehrkräften in Österreich beschäftigte alle Fraktionen im Ausschuss. "Alle zu unterrichtenden Stunden im Schuljahr 2022/23 können angeboten werden", versicherte Minister Polaschek, teilweise mithilfe von Quereinsteiger:innen, von denen mehr als 3.000 vergangenes Schuljahr unterrichteten. Allerdings merkte der Bildungsminister an, dass künftig  höchstens 300 Quereinsteiger:innen jährlich eingesetzt werden sollen, zudem müssten sie auf ihre fachliche, didaktische und persönliche Qualifikation überprüft werden und fachdidaktische Schulungen absolvieren. Für regulär ausgebildete Junglehrer:innen werde der Berufseinstieg ebenfalls nicht einfach gemacht, so der Tenor von SPÖ und FPÖ, und NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre pochte auf eine rasche Übermittlung der Schlussfolgerungen, die aus der Evaluierung der bestehenden Pädagog:innenausbildung gezogen werden.

Nachdem Gertraud Salzmann (ÖVP) Kritik der Opposition an der neuen Lehrer:innenausbildung mit dem Hinweis abwehrte, die Pädagog:innenbildung NEU sei unter SPÖ-Führung im Bildungsministerium entstanden und unter der jetzigen Regierung bereits mehrfach nachgebessert worden, replizierte SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler, jüngste Vorschläge ihrer Fraktion zur Neugestaltung des Dienstrechts habe die Regierung nicht aufgegriffen. Beispielsweise hinsichtlich der Anrechnung von Vordienstzeiten bei Quereinsteiger:innen. Bildungsminister Polaschek ging schließlich im Detail auf seine Maßnahmen ein, den Lehrberuf attraktiver zu machen. Entlastungen wie weniger administrative Aufgaben für Lehrkräfte würden bereits realisiert, außerdem gebe es Aufstockungen bei psychologischem Unterstützungspersonal sowie bei Schulsozialarbeiter:innen. Grundsätzlich regte der Bildungsminister aber an, trotz berechtigter Kritik, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein zu schärfen, dass der Lehrberuf "ein schöner Beruf" sei. Diese "positive Erzählung" beabsichtige sein Haus verstärkt nach außen zu tragen. Mit Maßnahmen wie dem Schulveranstaltungsfonds und der Intensivierung der inklusiven Bildung, auch im Forschungsbereich, trachte das Bildungsministerium danach, die Schule als Ort sozialen Austauschs bei Lehrer:innen und Schüler:innen wieder begreifbar zu machen, so Polaschek.

Polaschek: Schulen auf möglichen Corona-Herbst vorbereitet

Die Schulen verfügten über ausreichend Antigentests, die angepasst an die Corona-Infektionslage eingesetzt werden könnten, sagte Unterrichtsminister Polaschek auf Nachfragen von Abgeordneten, welche Maßnahmen sein Ministerium zur Vorbereitung der Schulen auf einen  Anstieg der Corona-Fallzahlen getroffen habe. Derzeit erfasse sein Haus keinen erhöhten Bedarf, man befinde sich aber in ständigem Austausch mit Gesundheitsexpert:innen. Der Schulstart diesen September sei Dank des gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium ausgearbeiteten Variantenmanagementplans ohne verpflichtende Coronatests geglückt, sieht Polaschek "einen Schritt zurück zur Normalität". Einen Lockdown aufgrund der Energiekrise könne er ausschließen, richtet er FPÖ-Bildungssprecher Brückl aus.

Grundlage der Diskussion boten die heurigen COVID-19-Monatsberichte von Mai (III-683 d.B. ), Juni (III-716 d.B .) und Juli (III-730 d.B. ) aus dem Bildungsministerium. Demnach wurden bis Ende Mai 2022 für Antigen (AG) - und Polymerase Chain Reaction (PCR)-Tests 110,961 Mio. € ausgegeben, bis Ende Juni 2022 123,439 Mio. € und bis Ende Juli 2022 132,250 Mio. €. Seit 2. Juni werden laut Bildungsministerium keine PCR-Tests mehr durchgeführt und AG-Tests nur bei Verdachtspersonen. Insgesamt verfügte das Ressort bis zum Ende des Schuljahres 2021/22 über 65,560 Mio. € aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, die vor allem für zusätzliche Förderstunden zum Ausgleich von pandemiebedingten Lernrückständen herangezogen wurden oder für Unterstützungsprogramme wie "Gesund aus der Krise", so  das Ministerium. Für das gesamte Jahr 2022 bezifferte Polaschek die Kosten der Corona-Maßnahmen im Bildungsbereich mit 238 Mio. €. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss) rei


Themen