Parlamentskorrespondenz Nr. 1125 vom 13.10.2022

Nationalrat ermöglicht Berücksichtigung alternativer Geschlechtsbezeichnungen und fremdländischer Namensbestandteile im Meldegesetz

Wien (PK) – Personen, die der herkömmlichen Geschlechterzuordnung von Mann und Frau nicht entsprechen, sollen künftig im Meldegesetz Berücksichtigung finden. Mit dieser heute im Nationalrat mehrheitlich beschlossenen Gesetzesänderung soll einer Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Rechnung getragen werden. Teil der Novelle ist auch die Erfassung ausländischer Namensbestandteile (etwa der Vatersname) und eine Konkretisierung der Daten, die an gesetzlich anerkannte Kirchen oder Religionsgesellschaften übermittelt werden.

Einstimmigkeit erzielte ein Vier-Parteien-Antrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS auf die Einberufung eines Runden Tisches zu Hassverbrechen gegen LBTIQ-Personen. Zwei Initiativen der SPÖ, die ebenfalls auf die Bekämpfung von LGBTIQ-Feindlichkeit und Hassverbrechen abzielen, blieben in der Minderheit, ebenso wie ein Misstrauensantrag der FPÖ gegen Innenminister Gerhard Karner.

Verankerung alternativer Geschlechtsbezeichnungen und fremdländischer Namensbestandteile im Meldegesetz

Nach einer Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 15. Juni 2018 haben Menschen, die der herkömmlichen Geschlechtszuordnung von Mann und Frau nicht entsprechen, ebenfalls ein Recht auf Berücksichtigung ihres Geschlechts. Laut Regierungsvorlage gehe es konkret um Varianten der Geschlechtsentwicklung, die sich "durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts kennzeichnen" und explizit nicht um Transidentitäten – d.h. Personen, die genetisch oder anatomisch bzw. hormonell eindeutig einem Geschlecht zugewiesen sind. Daraus folge auch das Recht intersexueller Menschen auf eine adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister und in Urkunden, weshalb Anpassungen im Meldegesetz erforderlich würden.

Weiters sollen im Bereich des Meldewesens künftig auch "sonstige Namen" erhoben werden können, wo bisher nur Familienname und Vorname erfasst werden. Bei "sonstigen Namen" handle es sich um Namensbestandteile, die das österreichische Namensrecht nicht kenne, wie etwa der Vatersname, wie es in der Regierungsvorlage heißt. Zudem sieht die Novelle eine Konkretisierung der Daten vor, die an gesetzlich anerkannte Kirchen oder Religionsgesellschaften übermittelt werden. Da es im Einzelfall zu irreführenden Angaben beim Religionsbekenntnis komme, soll im lokalen Melderegister die Bezeichnung "Religionsbekenntnis" durch jene der "gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft" ersetzt werden.

Insgesamt beinhaltet die Novelle die Neugestaltung sämtlicher Anlagen zum Meldegesetz im Rahmen der Einführung alternativer Geschlechtsbezeichnungen (divers, inter, offen, keine Angabe) sowie des Feldes "Sonstiger Name". Die an die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zu liefernden Daten sollen im Meldegesetz aufgezählt werden.

Plenardebatte um "ideologiegetriebene Novelle"

Anstatt mit der üblichen Adressierung von Damen und Herren am Anfang seiner Wortmeldung, begann Hannes Amesbauer (FPÖ) mit der Begrüßung mannigfaltiger Arten der Geschlechtsidentität, womit er den Grund der Ablehnung der Novelle seiner Fraktion illustrierte. Der VfGH habe der Politik mit seiner Entscheidung "ein Ei" gelegt und so eine aus seiner Sicht ideologisch getriebenen Gesetzgebung ermöglicht. Aus biologischer Sicht gebe es nur zwei Geschlechter. Daran ändere auch die medizinisch nachweisbare Intergeschlechtlichkeit weniger Menschen nichts. Zudem untergrabe die Novelle Sinn und Zweck des Meldewesens, wie Christian Ries (FPÖ) ergänzte. Er verwies auf die weiteren Auswirkungen der Gesetzesänderung etwa auf das Passgesetz, den Strafvollzug oder die allgemeine Wehrpflicht und fragte, wie in diesen Bereichen beispielsweise mit "diversen" Personen umzugehen sei. Einige Rechtsnormen würden so "ad absurdum" geführt, weshalb sich die Gesetzesänderung laut Ries nicht lange halten werde.

ÖVP-Mandatarin Johanna Jachs betrachtete die Novelle vor allem als zeitgemäße Anpassung des Meldegesetzes. Die Entscheidungen des VfGH seien für manche zwar nicht immer einfach nachvollziehbar, hätten jedoch respektiert zu werden. Es gehe auch nicht nur um Änderungen bei der Erfassung des Geschlechts, sondern auch um ausländische Namensbestandteile, wie etwa den Vatersnamen, was insbesondere bei Vertriebenen aus der Ukraine Relevanz habe. Jachs brachte einen mehrheitlich angenommenen Abänderungsantrag von ÖVP, SPÖ und Grünen ein, in dem klargestellt wird, dass das Feld "keine Angabe" nur ausgewählt werden dürfe, wenn die anderen Geschlechtsbezeichnungen nicht in Betracht kämen. Zudem wird die Novelle dahingehend abgeändert, dass laut Meldegesetzt ein/eine Unterkunftgeber:in über die Unterkunftnahme stets in Kenntnis gesetzt werden soll.

Der VfGH entscheide nicht ideologiegetrieben, widersprach auch Dietmar Keck (SPÖ) den Freiheitlichen und erinnerte daran, dass es laut Regierungsvorlage explizit nicht um Transidentitäten gehe. Das Meldegesetz werde mit der vorliegenden Novelle auf den "neuesten Stand" gebracht und der Abänderungsantrag habe letzte Zweifel beseitigt. Dazu käme, dass damit auch zugezogene Meldepflichtige, die ein Reisedokument vorlegen, das beim Geschlecht den Eintrag "X" enthält, berücksichtigt würden. Dies betreffe etwa Menschen aus Frankreich, Dänemark oder Australien und jährlich bis zu 100 Anmeldungen im Zentralen Melderegister (ZMR).

Die Berücksichtigung von trans- und intersexuellen Personen sei keine Frage der Ideologie, sondern der Anerkennung und Menschenwürde, erklärte David Stögmüller von den Grünen. Es gehe darum, Klarheit und Sichtbarkeit für tausende Österreicher:innen zu schaffen und das Leben für die "vulnerabelsten" in der Gesellschaft zu erleichtern. Er erwarte sich, dass solche "formalen Änderungen" im Hohen Haus zur Routine werden und sehe nicht ein, warum etwas "so Selbstverständliches" schwer erkämpft werden müsse. Der FPÖ empfahl Stögmüller "endlich im 21. Jahrhundert anzukommen".

Das VfGH-Urteil besage, dass auch intergeschlechtliche Menschen, deren Bevölkerungsanteil im Promillebereich liege, berücksichtigt werden müssen, wie Dagmar Belakowitsch (FPÖ) ausführte. Dafür gebe es das Feld "inter". Bei den anderen neuen Feldern gehe es jedoch um die "Umschreibung der Biologie" und damit um die "Zerstörung der Gesellschaft". Die Novelle schaffe einen Präzedenzfall und bei der nächsten Reform seien vielleicht schon 23 Geschlechter zu berücksichtigen, so Belakowitsch. Der ÖVP warf sie einen "Kniefall vor linker Ideologie" vor.

Vier-Parteien-Antrag: Runder Tisch zu LGBTIQ-feindlichen Verbrechen

Um geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Gewalt und Hassverbrechen gegen LGBTIQ-Personen zu erarbeiten, sprechen sich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS für die Einberufung eines Runden Tisches mit Vertreter:innen der Community und betroffenen NGOs aus. Auf Basis der dazu seit 1. November 2020 erhobenen Daten (beispielsweise Anzeige- und Verurteilungsstatistiken) und Erfahrungen etwa aus der Bewährungshilfe, soll der Bundesminister für Inneres und die Justizministerin gemeinsam mit den LGBTIQ-Vetreter:innen Bilanz ziehen und mögliche nächste Schritte beraten. Der Vier-Parteien-Antrag erzielte Einstimmigkeit im Plenum.

Zwei ebenfalls in diese Richtung gehende Anträge der SPÖ fanden hingegen keine Mehrheit unter den Abgeordneten. Darin fordert sie einerseits einen umfassenden Plan zum Vorgehen gegen LGBTIQ-Feindlichkeit und eine gezielte Kampagne gegen deren Diskriminierung sowie andererseits die Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums zu dieser Thematik.

Nurten Yilmaz (SPÖ) kritisierte die Ablehnung der Anträge ihrer Fraktion mit dem Verweis auf die Bildung eines "Arbeitskreises". Da die ÖVP nicht zu mehr bereit sei, unterstütze sie jedoch den Vier-Parteien-Antrag. Sie verwies auf eine Untersuchung des Innenresorts zum Thema Hasskriminalität, aus der sich bereits viele Handlungsvorschläge ableiten ließen. Doch ÖVP und Grüne seien nicht wirklich entschlossen, gegen LGBTIQ-Feindlichkeit vorzugehen.

Das Thema Hassverbrechen sei kein neues, wie Nico Marchetti (ÖVP) unter Berufung auf bereits gesetzte Maßnahmen des Innenministeriums erklärte. Es habe dazu bereits eine Schulungsoffensive für Exekutivbeamt:innen stattgefunden und Hasskriminalität werde seit November 2020 statistisch erfasst. Dass zwei Jahre danach nun Expert:innen auf Basis der erfassten Daten Maßnahmen ausarbeiten sollen, sah Marchetti als sinnvolle Vorgehensweise. Laut Meri Diskosi von den Grünen ist es zu begrüßen, dass auch Betroffene selbst bei der Ausarbeitung der künftigen Maßnahmen mitreden können.

Angesicht einer steigenden Anzahl an Hassverbrechen in den letzten Jahren bräuchte es die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen, wie sie etwa in den Anträgen der NEOS oder der SPÖ dargelegt würden, erklärte Yannick Shetty (NEOS). 10% aller LBTIQ-Personen in Österreich seien in den letzten fünf Jahren Opfer physischer Übergriffe geworden. Diese kämen aus dem "rechten, identitären" Umfeld, aber auch aus dem migrantischen Milieu. In Gleichstellungsfragen sei von der Koalition nicht viel zu erwarten, doch seine Fraktion wolle sich beim Runden Tisch einbringen, so Shetty.

Keine Mehrheit für FPÖ-Misstrauensantrag gegen Innenminister Karner

Aufgrund einer "eklatanten Missachtung des parlamentarischen Interpellationsrechts" sehen sich die Freiheitlichen veranlasst, Innenminister Gerhard Karner das Vertrauen zu versagen. Konkret beziehen sie sich auf eine Anfragebeantwortung des Ministers, aus der die von der FPÖ angefragten Zahlen zur Kriminalitätsstatistik für das erste Halbjahr 2022 nicht hervorgehen.

Der Misstrauensantrag fand keine Mehrheit im Plenum. Ebenso wie ein im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag der Freiheitlichen, in dem ein Maßnahmenpaket zu "Deattraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten" gefordert wird. Dazu schlagen sie 20 Maßnahmen vor, die unter anderem das Ermöglichen von Pushbacks, die Einführung des strafrechtlichen Delikts "Asylbetrug" und eine Staatszielbestimmung, wonach Österreich kein Einwanderungsland sei, beinhalten. (Fortsetzung Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.