Parlamentskorrespondenz Nr. 1128 vom 13.10.2022

Nationalrat spricht sich einstimmig für neue Angebote in der Pflegeausbildung aus

Mehrheit auch für Ausweitung von Deutschförderung an Schulen

Wien (PK) – Einstimmig sprach sich der Nationalrat heute für eine gesetzliche Grundlage aus, um ein neues Angebot in der Pflegeausbildung zu schaffen. Damit werden die Schulversuche für Höhere Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung und die neuen dreijährigen Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung zu einem Teil des Regelschulwesens. Zudem soll Berufstätigen und Arbeitssuchenden der Einstieg in den Pflegebereich erleichtert werden. Fraktionsübergreifend herrschte in der Debatte Konsens, dass angesichts des großen Pflegekräftemangels in Österreich eine Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten notwendig ist.

Die Abgeordneten sprachen sich außerdem mehrheitlich für eine Ausweitung der Deutschförderung an Schulen aus. Ein FPÖ-Antrag für Deutsch als "Pausensprache" blieb in der Minderheit.

Keine Mehrheit fand sich auch für einen Antrag der SPÖ zur Sicherung des Bildungszugangs angesichts der aktuellen Teuerung. Zwei Anträge der NEOS blieben ebenfalls in der Minderheit. Sie fordern die Unterstützung von Schüler:innen aus der Ukraine mit digitalen Endgeräten sowie neue Ansätze in der digitalen Grundbildung.

Polaschek: Setzen wichtigen Teil der Pflegereform um

Mit dem nun gefassten Beschluss des Gesetzes werden die 2020 als Schulversuch gestarteten fünfjährigen "Höheren Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung" (HLSP) zu regulären Berufsschulen mit Maturaabschluss. Eine weitere Möglichkeit der Ausbildung zur Pflege(fach)assistenz bieten zudem künftig dreijährige Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung, die die bestehenden Fachschulen für Sozialberufe ergänzen. Starten sollen die neuen Schulformen und deren Kooperationen mit Gesundheitseinrichtungen ab dem Schuljahr 2023/24.

Bildungsminister Martin Polaschek betonte in seiner Stellungnahme im Plenum, mit der Regierungsvorlage werde ein wichtiger Punkt der Pflegereform umgesetzt. Der Bund steuere für die neuen Schulformen nächstes Jahr 47 Mio. € bei. Bis 2027 werde der Bund rund 350 Mio. € für die neue Pflegeausbildung investieren. Durch verpflichtende Kooperationen der neuen Höheren Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung und der Fachschulen mit bewährten Einrichtungen der Gesundheitsausbildung werde das hohe Niveau in der heimischen Pflegeausbildung gewährleistet, unterstrich Bildungsminister Polaschek. Im Vollausbau soll es bis zu 8.000 Ausbildungsplätze geben.

Das Gesetz schafft auch die Möglichkeit für Mittelschulen und allgemeinbildende höhere Schulen, eine englischsprachige Ausbildung als Schwerpunkt zu wählen, merkte Polaschek an. Englisch könne als Unterrichtssprache entweder in einzelnen oder auch in allen Gegenständen (außer Deutsch und andere Sprachen) verwendet werden. Die Regierung wolle damit Englisch als "weltweite Sprache der Verständigung" stärken, erläuterte der Bildungsminister.

Einstieg in Pflegeausbildung bereits nach der Pflichtschule möglich

Mit den neuen Pflegeschulen reagiere man auf den hohen Bedarf an Pflegekräften in Österreich, merkte Nico Marchetti (ÖVP) an. Das Pflegestipendium solle dazu beitragen, dass Absolvent:innen nach Abschluss der Ausbildung nicht in andere Bereiche wechseln, sondern eine akademische Fortbildung anstreben. Seine Fraktionskollegin Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) sagte, mit der Möglichkeit zum Einstieg in den Pflegeberuf schon für 14- bis 15-Jährige erreiche man junge Menschen dort, wo sie ihre wesentlichen Berufsentscheidungen treffen. Sie betonte, dass der direkte Umgang mit Menschen weiterhin erst mit 17 Jahren beginnen werde.

Sibylle Hamann (Grüne) freute sich über die Einstimmigkeit für das aus ihrer Sicht wichtige Vorhaben. Hier werde eine Lücke am Bildungsweg in Richtung Pflege geschlossen. Die Ausbildung eröffne viele Möglichkeiten für die weitere Bildungs- und Berufslaufbahn. Durch eine finanzielle Unterstützung mit monatlich 600 € bei Pflichtpraktika werde vermieden, dass Personen für ihre Ausbildung in einem Bereich mit hohem Bedarf noch zahlen müssen. Das sei fair und werde hoffentlich viele junge Menschen motivieren, das neue Bildungsangebot zu ergreifen. Bedrana Ribo (Grüne) betonte, dass mit dem Gesetz ein wesentlicher Teil der Pflegemilliarde in die Verbesserung der Pflegeausbildung investiert werde.

Yannick Shetty (NEOS) sagte, seine Fraktion sei in der Sache für den Beschluss. Allerdings sei immer noch unklar, woher Lehrer:innen und Schüler:innen für den Pflegebereich kommen sollen, ohne dass sie in anderen Bereichen fehlen. Kritisch sehe er allerdings das Vorgehen bei der Gesetzeswerdung, bei der grundlegende Regeln des Parlamentarismus nicht eingehalten worden seien.

Klaus Köchl (SPÖ) betonte, seine Fraktion stimme dem Gesetz selbstverständlich zu. Allerdings müsse auch für eine ausreichende Zahl an Ausbildungsplätzen, Lehrenden und Schüler:innen gesorgt werden, hier sehe er noch einige Unklarheiten. Im Zuge seiner Wortmeldung brachte er auch eine Forderung nach der Einführung der Direktwahl der Landes- und Bundesschüler:innenvertretung ein. Die Teilnahme an demokratischen Prozessen müsse so früh wie möglich erlernt werden, also schon in der Schule, argumentierte er. Der Antrag fand keine Mehrheit.

ÖVP-Abgeordneter Marchetti reagierte auf den SPÖ-Vorschlag skeptisch und meinte, eine Übertragung des Modells der Hochschüler:innenschaft auf die Schulen sei wenig zielführend.

Deutschförderung an Schulen wird ausgeweitet

Mit breiter Mehrheit hat sich der Nationalrat für eine Ausweitung der Deutschförderung an Schulen ausgesprochen. Mit dem von den Koalitionsparteien eingebrachten Entschließungsantrag wird Bildungsminister Martin Polaschek ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass auch Schüler:innen, die vom außerordentlichen in den ordentlichen Status wechseln und weiterhin Förderbedarf aufweisen, eine bedarfsorientierte Deutschförderung ermöglicht wird. Außerdem wird Polaschek aufgefordert, Ressourcen für den zusätzlichen Bedarf an Deutschförderung für Schüler:innen aus der Ukraine bereitzustellen.

In der Minderheit blieb ein Antrag der Freiheitlichen, mit dem sie anregen wollten, Deutsch als Umgangssprache in den Schulpausen verpflichtend zu machen.

Für Hermann Brückl (FPÖ) ist die Schule der Ort der Bildung, des Erlernens sozialer Fähigkeiten, der Kommunikation und der Integration. All diese Bereiche würden eine gemeinsame Sprache erfordern. Den Freiheitlichen sei wichtig, dass die Schüler:innen Deutsch nicht nur lernen, sondern auch beherrschen, weshalb Brückl die Forderung nach Deutsch als Schulsprache unterstrich. Mehr Ressourcen für Deutschförderung, wie sie im Koalitionsantrag gefordert werden, seien laut Brückl nicht sinnvoll.

Er könne die Intention der Freiheitlichen gut nachvollziehen, sagte Rudolf Taschner (ÖVP). Auch er sehe die deutsche Sprache als Schlüssel zur Integration und setze sich daher dafür ein, dass die Deutschkenntnisse gefördert werden. Deutsch als verpflichtende Pausensprache einzuführen, lehnte Taschner jedoch ab. In der Pause könnten die Kinder und Jugendlichen zum ersten Mal frei sein. Sie sollten daher auch frei entscheiden dürfen, in welcher Sprache sie miteinander sprechen, so Taschner. Auch Romana Deckenbacher (ÖVP) betonte, dass Sprache das Fundament von gelungener Integration sei. Es brauche daher Ressourcen, um allen Kindern und Jugendlichen das Beherrschen der deutschen Sprache zu ermöglichen.

Sibylle Hamann (Grüne) ortete einen breiten Konsens über die Wichtigkeit des Deutschlernens in der Schule. Die Politik sei es allen Kindern in Österreich schuldig, ausreichend Ressourcen für Deutschförderung zur Verfügung zu stellen. Nur die FPÖ finde das nicht vernünftig. Die Partei zeige zwar ständig mit dem Finger auf Kinder, die nicht Deutsch sprechen, stimme aber gegen zusätzliche Förderung. Der Antrag der Freiheitlichen für Deutsch als Pausensprache ist für Hamman "grausam" und widerspreche den Menschenrechten.

Yannick Shetty (NEOS) kritisierte den FPÖ-Antrag ebenfalls. Die Freiheitlichen seien zwar gute Brandmelder, aber keine gute Feuerwehr, weil sie nicht an einer Lösung von Problemen interessiert seien, so Shetty. Zum Koalitionsantrag äußerte er Zustimmung. Er übte aber gleichzeitig massive Kritik an den Deutschförderklassen.

Auch Nurten Yılmaz (SPÖ) sprach sich erneut gegen diese unter der schwarz-blauen Bundesregierung eingeführten Klassen aus. Laut Wissenschafter:innen würden diese keinen Mehrwert bringen. Zusätzliche Deutschförderung, wie im aktuellen Koalitionsantrag enthalten, hieß sie aber gut.

Keine Mehrheit für Anträge von SPÖ und NEOS zu Bildungsthemen

Unter dem Titel "Teuerung bremsen – gerechteren Zugang zu Bildung ermöglichen!" stellte SPÖ-Abgeordnete Petra Tanzler den Antrag, zentrale Fördertöpfe bei den Bildungsdirektionen zu schaffen. Aus diesen sollen Familien, die Unterstützung benötigen, anonym Mittel für die Teilnahme an mehrtägigen Schulveranstaltungen und Freizeitangeboten der Schulen im Kultur- und Sportbereich abrufen können. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen verwiesen auf zahlreiche Maßnahmen, die bereits zur Unterstützung der Familien gesetzt worden seien.

Keine Mehrheit fand sich auch für zwei Anträge der NEOS, obwohl die Anliegen von den anderen Fraktionen grundsätzlich positiv gesehen wurden. Martina Künsberg Sarre setzte sich in einem Entschließungsantrag dafür ein, dass Schüler:innen aus der Ukraine, die sich wegen des Krieges in ihrer Heimat in Österreich aufhalten, digitale Endgeräte erhalten. Ein weiterer Antrag der NEOS betraf die Förderung digitaler Grundbildung. Da es für das neu eingerichtete Schulfach an Lehrer:innen fehle, sollte ein Sonderbudget für Mittelschulen und AHS-Unterstufen geschaffen werden, um Fachleute zur Vermittlung digitaler Kompetenzen zukaufen zu können, argumentierte NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter. (Fortsetzung Nationalrat) kar/sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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