Parlamentskorrespondenz Nr. 1308 vom 18.11.2022

Nationalrat beschließt Bundeszuschuss für U-Bahnbau und Neuregelung der Buchpreisbindung

SPÖ scheitert mit Forderung nach zusätzlichen Stipendien für Künstler:innen mit Betreuungspflichten

Wien (PK) – Zum breit gespannten Themenbogen der heutigen Nationalratssitzung gehörten der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie Kulturthemen. Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten für eine Vereinbarung des Bundes mit dem Land Wien aus, der die Kostenübernahme für einen weiteren Bauabschnitt des Ausbaus der Wiener U-Bahn regelt.

Ebenso einstimmig fiel der Beschluss über eine Aktualisierung des Buchpreisbindungsgesetzes aus, die Anfang 2023 in Kraft treten soll (BPrBG 2023). Nicht durchsetzen konnte sich die SPÖ mit der Forderung, ein eigenes Stipendienprogramm für Künstler:innen mit Betreuungspflichten ins Leben zu rufen.

15a-Vereinbarung zwischen Bund und Wien über die vierte und fünfte Ausbauphase der Wiener U-Bahn

Eine Vereinbarung des Bundes mit dem Land Wien über die Finanzierung der vierten und fünften Ausbauphase der Wiener U-Bahn wurde einstimmig von allen Fraktionen befürwortet (1677 d.B.). Das Bauvorhaben umfasst das Linienkreuz der U-Bahnlinien U2 und U5, die Verlängerung der Linie U2 bis Wienerberg sowie der Linie U5 bis Hernals, die bis 2033 abgeschlossen sein soll. Die Hälfte der voraussichtlichen Gesamtkosten von 5,741 Mrd. €, also 2.870,5 Mio. €, wird der Bund tragen. Der Bundesbeitrag fließt in jährlichen Raten zu 78 Mio. € an die Stadt Wien.

Von einem "historischen Ereignis" sprach Hermann Weratschnig. Die angekündigte "Öffi-Milliarde" werde damit "zu vielen Milliarden", sagte der Grüne Verkehrssprecher. Das sei ein großer Erfolg vieler Beteiligter, die dieses Projekt über mehrere Legislaturperioden begleitet hätten, und denen er an dieser Stelle ausdrücklich danken wolle. Die Wiener U-Bahn sei eine Erfolgsgeschichte, die nun fortgeschrieben werde. Ein weiteres Projekt im Ausbau des Nahverkehrsangebots müsse die bessere Anbindung des Wiener Umlands mittels öffentlicher Verkehrsmittel sein.

Melanie Erasim (SPÖ) zeigte sich ebenfalls erfreut über den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Ein guter Verkehrszugang bedeute auch Freiheit, sagte sie. Wenn Wien regelmäßig zu einer der lebenswertesten Städte der Welt erklärt werde, so liege das nicht zuletzt am gut funktionierenden öffentlichen Verkehr der Stadt. In Niederösterreich gehe die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs leider in eine andere Richtung, da dort Lokalbahnen nicht ausgebaut, sondern im Gegenteil sukzessive stillgelegt würden. Alois Schroll (SPÖ) sagte, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sei zweifellos wichtig, aus seiner Sicht müssten aber bereits bewilligte Straßenprojekte wie die Traisental-Schnellstraße ebenfalls umgesetzt werden. Die Verkehrsministerin dürfe den Bau nicht weiter blockieren, sie habe sich an die Gesetze zu halten.

Der Abschluss der Finanzierungsvereinbarung sei notwendig, da der Ausbau der U-Bahn schon einige Zeit im Laufen sei, sagte Gerhard Deimek (FPÖ). Auch er betonte, dass der Ausbau des Straßennetzes nicht aus den Augen verloren werden dürfe, da der Güterverkehr immer auch auf die Straße angewiesen sein werde. Vor allem bereits begonnene Straßenbauprojekte in Grenzregionen müssten daher fortgesetzt werden.

Von einer richtigen Entscheidung des Bundes, den Ausbau der Wiener U-Bahn mitzufinanzieren, sprach ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger. Er halte in dieser Frage im Übrigen nichts davon, Bundesländer gegeneinander auszuspielen, meinte er in Richtung SPÖ. Vom verbesserten Verkehrsangebot würden die Bewohner:innen des Wiener Umlands profitieren. Der Ausbau der U-Bahn entlaste auch das Straßenbahnnetz, das aufgrund der erfreulichen Zunahme der Zahl an Fahrgästen an Kapazitätsgrenzen stoße.

Johannes Margreiter (NEOS) erinnerte daran, dass auch für andere österreichische Städte und Ballungsräumen der zeitgemäße Ausbau des Nahverkehrsangebots ein wichtiges Thema sei. Die lange Liste von begonnenen Projekten zeige, dass Österreich dabei sei, die Verkehrswende einzuleiten. Bei all diesen Projekten müssten immer die Klimaziele und der Nutzen für die Bevölkerung im Vordergrund stehen. Auch in Wien seien in diesem Sinne noch einige Lücken zu schließen, vor allem im S-Bahnnetz, dessen Ausbau rasch vorangetrieben werden müsse.

Gesetzliche Vorgaben für Buchpreisbindung werden aktualisiert

Einstimmig sprachen sich alle Fraktionen für das aktualisierte Buchpreisbindungsgesetz aus. Zu den Neuerungen ab Anfang 2023 gehört die Festlegung eines "Mindestpreises" inklusive Umsatzsteuer statt des bisherigen "Letztverkaufspreises" durch den Verlag. Das Gesetz regelt auch die Bekanntmachung des Mindestpreises durch Verleger:innen oder Importeur:innen sowie Ausnahmen, etwa für so genannte "Lagerabverkäufe" und den Verkauf an öffentliche Bibliotheken, Schulbibliotheken, Branchenkolleg:innen oder Autor:innen. Neu ist die Einführung eines Auskunftsanspruchs des Hauptverbands des österreichischen Buchhandles und des Fachverbands der Buch- und Medienwirtschaft betreffend den Buchimport.

Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen, sah es als erfreulich, dass Österreich eines der wenigen Länder Europas sei, das an der Buchpreisbindung festhalte. Damit werde das Kulturgut Buch und der Bestand kleiner Buchhandlungen abgesichert. Mit der Novellierung werdeder Online- und Versandhandel besser berücksichtigt. Der Handlungsbedarf in diesem Bereich sei insbesondere während der Pandemie deutlich geworden.

Zufrieden mit der Überarbeitung der Buchpreisbindung zeigte sich auch SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek. Ihre Fraktion werde zustimmen, obwohl die Forderung der SPÖ, öffentlichen und Schulbibliotheken einen Rabatt von 20% zu gewähren, nicht umgesetzt worden sei. Sabine Schatz (SPÖ) wies auf das Beispiel der Schweiz hin, die die Buchpreisbindung aufgehoben habe. Infolge dessen hätten viele Buchhandlungen schließen müssen, da sie gegen großen Versandhandel nicht bestehen hätten können.

Die SPÖ-Abgeordneten Heinisch-Hosek und Schatz erneuerten die Kritik ihrer Fraktion an Nationalratspräsident Sobotka in Zusammenhang mit der Miete eines Klaviers für das sanierte Parlamentsgebäude. Er hätte in diese Entscheidung alle Fraktionen einbinden müssen, meinte Schatz.

Thomas Spalt hielt als neuer Kultursprecher der FPÖ seine erste Rede im Hohen Haus, und versprach, die Diskussion immer "hart in der Sache, verbindlich im Ton" zu führen. Ihm sei es wichtig zu betonen, dass er die Attacken von "Klima-Chaoten" auf Kunstwerke klar ablehne. Er erwarte sich auch eine klare Distanzierung der Bundesregierung, insbesondere von Vizekanzler Werner Kogler, von solchen Aktionen - nicht den Versuch einer Rechtfertigung. Zur Novelle meinte Spalt, die Buchpreisbindung sei zu befürworten, denn sie schütze Verleger:innen wie Buchhändler:innen gegen unlautere Konkurrenz.

Maria Großbauer hob als Kultursprecherin der ÖVP die Bedeutung von Buchhandlungen als Orte der sozialen Begegnung hervor. Auch in einer immer stärker digitalisierten Welt würden analoge Objekte ihren Wert behalten, das treffe insbesondere auf das Kulturgut Buch zu, meinte Großbauer. Die Buchpreisbindung sei ein Beitrag zur Erhaltung möglichst vieler stationärer Buchhandlungen, die nachgewiesenermaßen ein wichtiger Faktor dafür seien, dass Bücher weite Verbreitung finden. Zur Frage eines Klaviers für das Parlament zeigte sie sich verwundert über die heftige Ablehnung der Opposition. Kultur sei ein wichtiger Teil des Lebens und müsse auch im Parlament eine wichtige Rolle spielen.

NEOS-Kultursprecherin Julia Seidl betonte, die NEOS seien, auch wenn anderes behauptet werde, nie gegen die Buchpreisbindung aufgetreten. Erhebungen hätten gezeigt, dass die Regelung für ein breiteres Angebot auf dem Buchmarkt sorge. Allerdings halte sie eine Diskussion über bessere Rahmenbedingungen für E-Books für notwendig, die eine weit geringere Konkurrenz als befürchtet für das gedruckte Buch seien. Statt Rabattlösungen, wie sie die SPÖ fordere, würde sie sich eine bessere Förderung von öffentlichen Bibliotheken wünschen.

Staatssekretärin Andrea Mayer sagte, die gesetzliche Buchpreisbindung sei ein langjähriges kulturpolitisches Erfolgsmodell. Sie sichere ein breites, qualitätsvolles Buchprogramm, da sie Verlagen erlaube, auch Bücher abseits des Mainstreams auf den Markt zu bringen. Zudem werde damit auch einer großen Anzahl von Buchhandlungen das Überleben ermöglicht. Die Novelle schließe nun einige Lücken und stelle das Funktionieren des bewährten Instruments Buchpreisbindung sicher.

Keine Mehrheit für SPÖ-Forderung nach Stipendien für Künstler:innen mit Betreuungspflichten

SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek hat in einem Antrag eine Erhebung über die Situation von Künstler:innen mit Kindern und ein eigenes Stipendien-Programm gefordert, um ihr "Recht auf Familie" zu unterstützen. Seitens der anderen Fraktionen gab es keine Unterstützung für den Vorstoß der SPÖ.

Katharina Kucharowits (SPÖ) sagte, für Künstler:innen würden die Rahmenbedingungen nicht stimmen, das sei evident. Der Antrag der SPÖ sei von den anderen Fraktionen abgelehnt worden. SPÖ und NEOS hätten aber bereits einen neuen Anlauf genommen und einen Antrag zum Ausbau von Kinderbetreuung bei Kultureinrichtungen eingebracht. Sie hoffe, dass dieser neue Antrag im Kulturausschuss mit dem Ernst debattiert werde, den er verdiene. Harald Troch (SPÖ) wies darauf hin, dass Mutterschaft für Künstlerinnen immer noch ein starkes Karrierehindernis sei. Das Problem, Familienleben und Abendveranstaltungen zu vereinbaren, sei für viele nach wie vor schwer zu lösen.

Die Kultursprecherin der Grünen Eva Blimlinger betonte, dass Künstler:innen mit Kindern in allen Stipendien des Kulturministeriums bereits berücksichtigt würden. Auch der Anspruch auf einen Alleinerzieher:innenbeitrag sei vorgesehen. Die Frage der Verbesserung der Kinderbetreuung werde im Kulturausschuss selbstverständlich ernsthaft diskutiert werden. Zur "unsäglichen Debatte" über das Klavier im Parlament meinte Blimlinger, aus ihrer Sicht sei es fragwürdig, wenn die Opposition ihre offensichtliche Verärgerung über den Nationalratspräsidenten auf dem Rücken der Kultur austrage. Sie halte das für nicht angebracht.

Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) erklärte, der Antrag der SPÖ fordere Maßnahmen zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf für Künstlerinnen, die bereits in Angriff genommen worden seien. Eine zusätzliche Evaluierung, wie sie die SPÖ fordere, sei jedenfalls nicht notwendig. Die Frage der Kinderbetreuung sei für alle Frauen, die im Berufsleben stehen, ein wichtiges Thema, und werde auch weiterhin bearbeitet. Dieser Sicht schloss sich ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer an. Auch sie griff die Klavierfrage auf und sagte, Kunstförderung durch die öffentliche Hand sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Sie sei erstaunt, dass sie im Parlament nun ein Problem sein sollte. Sie könne die Kritik der Opposition daher nicht nachvollziehen.

Die Kultursprecherin der NEOS, Julia Seidl, meinte, ein weiteres Stipendienprogramm sei aus Sicht ihrer Fraktion zwar nicht notwendig, sie stimme aber mit der SPÖ darin überein, dass Kulturinstitutionen ein besseres Angebot an Kinderbetreuung brauchen. Die Kritik im Zusammenhang mit dem Klavier sei im Übrigen kein Angriff auf die Kunst, sondern richte sich gegen eine einsame Entscheidung des Nationalratspräsidenten, die sie zudem für fragwürdig halte.

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.