Nationalrat beschließt umfangreiche Schulrechtsnovelle
Einstimmigkeit für Neuerungen beim Österreichischen Austauschdienst
Wien (PK) – Ab 2023 werden an Schulen zusätzliche Leistungsmessungen ohne Noten eingeführt. Mithilfe einer eigenen Datenbank sollen die Schulen ein Bild vom Leistungsniveau ihrer Schüler:innen erhalten. Die entsprechende Schulrechtsnovelle, die noch weitere Neuerungen zu schüler:innenbezogenen Daten sowie eine Ausweitung der Elementarpädagogik-Ausbildung enthält, wurde heute vom Nationalrat mehrheitlich beschlossen.
Weitere Beschlüsse im Bereich Unterricht fassten die Abgeordneten betreffend Neuerungen für den Österreichischen Austauschdienst (OeAD) und zu einem Entschließungsantrag für ein Nachfolgemodell zum Schulveranstaltungsfonds.
Schulrechtsnovelle bringt neue Kompetenzmessungen und Hochschullehrgang für Quereinsteiger:innen in Elementarpädagogik
Mehrheitlich beschlossen hat der Nationalrat eine umfangreiche Schulrechtsnovelle, die Bildungsminister Martin Polaschek vorgelegt hatte. Damit werden ab 2023 mit der sogenannten iKMPLUS-Testung an den Schulen zusätzliche Leistungsmessungen ohne Notengebung eingeführt. Die Schulen erhalten dabei mithilfe einer eigenen Datenbank ein evidenzbasiertes Bild vom Leistungsniveau ihrer Schüler:innen, um Lehrkräfte bei der zielgerichteten Förderung im Sinne der Bildungsstandards zu unterstützen. Seitens des Bildungsministeriums will man auf Grundlage anonymisierter Daten aus den Schulen das Bildungsmonitoring und die Qualitätssteuerung des Schulwesens ausrichten. Zudem soll der Austausch schüler:innenbezogener Daten zwischen Stammschule und Sommerschule erleichtert werden.
Darüber hinaus bringt die Novelle die Ausweitung der Elementarpädagogik-Ausbildung um den Abschluss "Hochschullehrgang Quereinstieg Elementarpädagogik" an den Pädagogischen Hochschulen, die Abgeltung der steigenden Mehrbelastung der Prüfer:innen bei Externist:innenprüfungen sowie bei Eignungsfeststellungsverfahren von Quereinsteiger:innen in den Lehrberuf und die Legitimierung von Abfragen des Finanzamts zur Familienbeihilfebezugsberechtigung.
Bildungsminister Martin Polaschek bezeichnete die Novelle als einen weiteren Schritt in Richtung einer Professionalisierung der Ausbildung für Elementarpädagogik und als Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels in dem Bereich. Mit der Ausweitung der Kompetenztestungen könnten die Qualität des Unterrichts verbessert und Schüler:innen individuell gefördert werden, so Polaschek.
Auch Gertraud Salzmann (ÖVP) sah den Ausbau der Kompetenzmessung als wichtigen Schritt. Auch den neuen Hochschullehrgang für Quereinsteiger:innen in der Elementarpädagogik hieß sie gut. Es gelte, die Elementarpädagogik weiter zu stärken, so Salzmann. Sibylle Hamann (Grüne) betonte ebenfalls, dass die Elementarpädagogik im Zentrum der Bemühungen der Koalition stehe. Es brauche verschiedene Erfahrungshintergründe und mehr Vielfalt, sagte sie. Die individuelle Kompetenzmessung an Schulen sei wichtig für eine evidenzbasierte Bildungspolitik und zugleich eine Orientierungshilfe für Schüler:innen. Für Johann Weber (ÖVP) funktioniert das Bildungssystem im großen Ganzen. Mit der vorliegenden Novelle werde an einigen kleinen Stellschrauben gedreht.
Wie üblich bei Sammelnovellen enthalte der Entwurf gute und schlechte Punkte, sagte Martina Künsberg Sarre (NEOS). Der neue Hochschullehrgang für Elementarpädagogik sowie der Datenaustausch zwischen Stamm- und Sommerschule sei zu begrüßen. Kritisch sah die Abgeordnete jedoch die Ausweitung der Kompetenzmessungen. Aus ihrer Sicht wäre es sinnvoller, die bereits vorhandenen Erhebungen auszuwerten, zu vernetzen und das Lehrpersonal entsprechend zu schulen. Aufgrund der vielen offenen Fragen sei die Novelle abzulehnen, so Künsberg Sarre.
Kritik übte auch Petra Tanzler (SPÖ). Für sie scheint die Ausbildungsarchitektur der Elementarpädagogik wenig durchdacht. Bei der Einführung der zusätzlichen Kompetenzmessungen sei für sie fraglich, wie diese ohne Verluste wertvoller Unterrichtszeit zu bewerkstelligen sei. Außerdem übte Tanzler Kritik an den Deutschförderklassen sowie der zur Bewertung der Schüler:innen eingesetzten MIKA-D-Testung und brachte in diesem Zusammenhang auch einen Entschließungsantrag ein. Mit dem Antrag wollte die SPÖ den Bildungsminister auffordern, das bestehende System der Deutschförderklassen abzuschaffen und auf Basis der kürzlich abgeschlossenen Evaluierung ein flexibles Modell der Sprachförderung einzuführen. Dieses solle kleinere Gruppen, Kontinuität über bis zu sechs Jahre und eine Verbindung von Sprach- und Fachunterricht enthalten sowie ohne punktuelle Tests auskommen. Der Antrag blieb in der Minderheit.
Neuerungen für den Österreichischen Austauschdienst
Auf Neuerungen beim Österreichischen Austauschdienst (OeAD) zielt eine Vorlage der Regierung ab, die einstimmig angenommen wurde. So soll durch ein Vorschlagsrecht des Bundeskanzlers für ein Mitglied im OeAD-Aufsichtsrat die behördliche Zuständigkeit für die im OeAD durchgeführte Abwicklung der EU-Bildungsprogramme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps treffsicher abgebildet werden. Außerdem dient die Novelle des OeAD-Gesetzes der rechtlichen Absicherung der Datenverarbeitung zum gesamten Erasmus-Programm.
Zur langfristigen Sicherstellung der Bildungsarbeit gegen Antisemitismus und Rassismus soll überdies der Verein "erinnern.at", der Unterrichtsmaterialien zu Nationalsozialismus und Holocaust zur Verfügung stellt, in den OeAD eingegliedert werden, wie etwa Martina Kaufmann (ÖVP) hervorhob. Es sei besonders wichtig, diese wertvolle Tätigkeit im Sinne des "Nie wieder" weiterzuführen. Auch Nurten Yılmaz (SPÖ) betonte die ganz besondere Verantwortung Österreichs, dass sich Gräueltaten der Vergangenheit nicht mehr wiederholen. Erinnerungspolitik ist auch Bildungspolitik, so Yılmaz. Mit der Eingliederung von "erinnern.at" in den OeAD dürfte diese Arbeit langfristig gesichert sein. Als gut und richtig, dass "erinnern.at" in den OeAD eingegliedert wird, bezeichnete es auch Sibylle Hamann (Grüne). Darüber hinaus werden zum "Erfolgsprojekt" des gesamten Erasmus-Programms die Aufgaben des OeAD in der Novelle abgebildet.
Die Novelle setze eine langfristige Sicherung der Erinnerungsarbeit und der Bildungsarbeit als wesentlichen Beitrag zur Prävention von Antisemitismus, so Bildungsminister Polaschek. Durch die Eingliederung des Vereins "erinnern.at" werde dieser wichtige Aufgabenbereich abgesichert, nachhaltig weiterentwickelt und auch gesetzlich verankert.
Nachfolgemodell zum Schulveranstaltungsfonds
Mit Mehrheit angenommen wurde ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien betreffend ein Nachfolgemodell für den wegen der Corona-Pandemie eingerichteten Schulveranstaltungsfonds. Das Ziel der finanziellen Unterstützung für ökonomisch schlechter gestellte Schüler:innen, um ihnen die Teilnahme an mehrtägigen Schulveranstaltungen zu ermöglichen, befürworteten die Oppositionsparteien zwar. Es würden in dem Antrag jedoch zu viele Fragen offen bleiben.
So ist die Forderung aus Sicht von Katharina Kucharowits (SPÖ) "nichtssagend und schwammig". Es brauche nach den Einschränkungen durch die Pandemie und mit der enormen Teuerung für Kinder und Jugendliche eine rasche Lösung. Kucharowits betonte außerdem, dass alle Kinder endlich ein Recht auf umfassende Bildung bekommen müssten. Ein von ihr in der Sitzung eingebrachter Antrag für ein Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr für Jugendliche mit Behinderung blieb allerdings in der Minderheit.
Hermann Brückl (FPÖ) schloss sich Kucharowits in der Kritik am Koalitionsantrag an, es liege damit "nichts am Tisch". Außerdem seien psychische Schäden bei den Kindern durch unverhältnismäßige Corona-Maßnahmen der Bundesregierung verursacht worden. Ähnlich wie Brückl kritisierte Gerald Hauser (FPÖ) den Koalitionsantrag, der von der eigenen Regierung "eine Selbstverständlichkeit" fordere. Auch aus Sicht von Martina Künsberg Sarre (NEOS) ist in dem Antrag nicht nachvollziehbar, was konkret gewollt werde. Es gelte, wirklich etwas zu tun und statt Kleinprojekten etwa den Chancenindex auf den Weg zu bringen.
Demgegenüber sagte Nico Marchetti (ÖVP), dass es im Sinne der psychischen Gesundheit der Kinder gelte, für den Bereich der Schulveranstaltungen ein kluges System zu finden – mit einer unkomplizierten Antragstellung, der nicht etwa Scham entgegen stehen soll. Zum Antrag der SPÖ meinte er, dass man hier eine Lösung wolle, die aber mit den Bundesländern zu verhandeln sei. Sibylle Hamann (Grüne) betonte die Wichtigkeit von Schulveranstaltungen insbesondere auch für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen. Deswegen werde der Minister ersucht, einen Fonds einzurichten, der als dauerhafte Einrichtung speziell benachteiligten Kindern und Standorten helfen soll.
Die Pandemie habe deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung Schulveranstaltungen für die psychische Gesundheit der Kinder haben, so der Bildungsminister. Daher sei parallel zu anderen Förderungen der Schulveranstaltungsfonds aufgelegt worden. Aktuell werde an einer Ergänzung dazu gearbeitet, die für alle Schulstufen und insbesondere für benachteiligte Schüler:innen die Beteiligungsmöglichkeiten verbessern soll. Was den Antrag der SPÖ betrifft, würden diese Anliegen ernsthaft angegangen, können aber nicht vom Bund allein beschlossen werden. Er könne sich aber gut vorstellen, dass das Thema im Rahmen der Verhandlungen zum Finanzausgleich zur Sprache kommen werde.
Anträge der Opposition zu Bildungsthemen
In der Minderheit blieben einige Anträge der Opposition, die zur Debatte standen. So fordert die SPÖ angesichts der zunehmenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen flächendeckende, niederschwellige und barrierefreie Kursangebote zum Thema " Digitale Grund- und Medienkompetenz ". Zudem setzen sich die Sozialdemokrat:innen für mehr Bundesmittel für Berufsschulen ein.
Eine FPÖ-Forderung zielte auf eine Verkürzung der Lehrer:innenausbildung ab. Der Bildungsminister solle dem Nationalrat bis 31. Jänner 2023 einen Entwurf zur Novellierung der bestehenden Lehrer:innenausbildung vorlegen, so die Forderung. Ein Vergleich zwischen den Ausgaben des Bildungsressorts für Förderstunden und für COVID-19-Tests brachte die FPÖ außerdem dazu, mehr Geld zum Aufholen pandemiebedingter Lernrückstände einzufordern.
Die NEOS forderten mit einem Antrag, eine systematische Erhebung der Belastungen und "Zeitfresser" im Arbeitsalltag der Lehrkräfte durchzuführen. Ziel der NEOS ist es, zielgerichtete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse an Schulen auszuarbeiten, um den Lehrkräftemangel zu mindern. (Fortsetzung Nationalrat) kar/mbu
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Themen
Links
- 2959/A(E) - Ausarbeitung eines Modells für die Unterstützung der Teilnahme sozioökonomisch benachteiligter Kinder und Jugendlicher aller Schultypen an Schulveranstaltungen
- 2932/A(E) - Systematische Erhebung der Belastungen und Zeitfresser im Lehrer:innen-Job
- 2809/A(E) - Reform der Lehrerausbildung
- 1791 d.B. - Schulunterrichtsgesetz, Hochschulgesetz 2005, Bildungsdokumentationsgesetz 2020, IQS-Gesetz u.a.Ges.
- 1788 d.B. - OeAD-Gesetz
- 187/NRSITZ - 187. Sitzung des Nationalrats vom 13. Dezember 2022
- 2834/A(E) - "Digitale Grund- und Medienkompetenz für alle"
- 2835/A(E) - "Bildungsausgaben für Berufsschulen erhöhen"
- 2955/A(E) - Budget für Fördermaßnahmen statt für teure Covid-Tests