Parlamentskorrespondenz Nr. 1456 vom 13.12.2022

Nationalrat: Beitragsbasis beim Agrarmarketingbeitragssystem wird erweitert

Bundesregierung reagiert mit Novelle auf eine Empfehlung des Rechnungshofs

Wien (PK) –Eine Novelle des AMA-Gesetzes passierte heute den Nationalrat. Damit werden künftig alle landwirtschaftlichen Produzent:innen durch eine Umgestaltung des Marketingbeitragssystems der Agrarmarkt Austria (AMA) ab 1. Jänner 2023 zur Finanzierung der AMA-Maßnahmen beitragen. Während ÖVP und Grüne die Chance durch die Novelle hervor hoben, kritisierten die Oppositionsfraktionen die zusätzliche Belastung der Landwirtschaft und die kurze Begutachtungsfrist.

Zwei Anträge der FPÖ und der NEOS im Zusammenhang mit der AMA fanden keine ausreichende Zustimmung und wurden abgelehnt. So forderte Peter Schmiedlechner (FPÖ), dass in Zukunft auch die politischen Parteien im Verwaltungsrat der Agrarmarkt Austria (AMA) für mehr Transparenz und Kontrolle vertreten sein sollen. Karin Doppelbauer (NEOS) urgierte in ihrem Entschließungsantrag, die AMA-Marketing-Beiträge nicht auf weitere Sektoren auszudehnen und vielmehr einen Plan zur Beitragssenkung vorzulegen.

Ein Fristsetzungsantrag der SPÖ blieb in der Minderheit. Darin forderte die SPÖ-Abgeordnete Ruth Becher den Abschluss der Vorberatungen über ihren Antrag zur Novellierung des Maklergesetzes bis 31. Jänner 2023.

AMA-Gesetz: Erweiterung der Beitragsbasis beim Agrarmarketingbeitragssystem

Durch eine Umgestaltung des Marketingbeitragssystems der AMA sollen ab 1. Jänner 2023 alle landwirtschaftlichen Produzenten zur Finanzierung der AMA-Maßnahmen beitragen. Mit der Novelle des AMA-Gesetzes reagiert die Bundesregierung auf eine Empfehlung des Rechnungshofs, die Aufbringung der Mittel auf eine breitere Basis zu stellen. Dies erfolgt durch die Einführung eines allgemeinen Flächenbeitrags neben den bisherigen produktbezogenen Beiträgen.

Der Agrarmarketingbeitrag wird für Maßnahmen zur Verbraucher:innen-Information und insgesamt zur Förderung des Vertriebs und Absatzes von land- und forstwirtschaftlichen Produkten im In- und Ausland eingesetzt. Die dafür nötigen Agrarmarketingbeiträge verteilten sich bisher ungleich auf die Produktionsbereiche, kritisierte der Rechnungshof. Künftig sollen alle Landwirt:innen mit mindestens 1,5 ha landwirtschaftlicher Fläche in die Agrarmarketing-Beitragspflicht fallen. Dazu soll es einen neuen allgemeinen Basisbeitrag, bezogen auf landwirtschaftliche Flächen (außer Weinflächen) neben den bisherigen produktbezogenen Beiträgen (für Milch, geschlachtete Tiere, Eier, Gemüse, Obst, Gartenbauerzeugnisse und Wein), geben.

Zur bestmöglichen Bewerbung der qualitativ hochwertigen Lebensmittel der österreichischen Bäuerinnen und Bauern brauche es ein effizientes und leistungsstarkes Marketing, erklärte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig eingangs. Das AMA-Gütesiegel spiele eine wesentliche Rolle zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Mit der Reform steige das Beitragsaufkommen um ein Drittel. Das System sei aber seit 1995 nicht angepasst worden, wies Totschnig hin. Damit könne die AMA nun die Marketing-Maßnahmen ausweiten und die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft kommunizieren.

Ein investierter Euro in den AMA-Marketingbeitrag würde den bäuerlichen Betrieben drei Euro an Wertschöpfung bringen, begrüßte Klaus Lindinger (ÖVP) die Novelle. In Zeiten wie diesen sei es umso wichtiger Werbung für die österreichische Landwirtschaft zu machen, betonte Josef Hechenberger (ÖVP) angesichts des rückläufigen Absatzes von BIO-Produkten. Die Werbung der AMA zeige ein realistisches Bild der landwirtschaftlichen Produktion und sei damit ein Gegenpol zu den idealisierenden weltfremden Werbebildern des Einzelhandels, meinte Irene Neumann-Hartberger (ÖVP).

Es sei eine Chance vertan worden, ein "echtes rot-weiß-rotes" Qualitätssiegel zu generieren, kritisierte Cornelia Ecker (SPÖ) die Novelle und vermisste darin Standards zum Verbot der Vollspaltenhaltung von Schweinen, zu einer pestizidfreien Herstellung und zu einer gentechnikfreien Fütterung. Die Landwirtschaft brauche Unterstützung und nicht mehr Abgaben, kritisierte Elisabeth Feichtinger (SPÖ) die Novelle und die kurze Begutachtungsfrist angesichts dieses wichtigen Themas. Das Paket werde der Agrar- und Lebensmittelindustrie, aber nicht den kleinen Bäuerinnen und Bauern nützen, beanstandete Klaus Köchl (SPÖ).

Angesichts der jüngst aufgedeckten Tierquälereien in einem Hühnermastbetrieb in der Steiermark, sprach Dietmar Keck (SPÖ) von einem "Versagen der AMA". Konsument:innen könnten sich nicht auf das Gütesiegel verlassen. So könne es nicht weitergehen, diese "permanenten Einzelfälle" dürfe man nicht hinnehmen. Ein solcher Umgang mit Tieren sei zu verurteilen, meinte Carina Reiter (ÖVP) und begrüßte das Vorgehen der AMA-Kontrollorgane den betreffenden Betrieb bis zur Klärung des Sachverhalts zu sperren. Das Tierwohlpaket werde wesentliche Verbesserungen bringen, zeigte sich Reiter überzeugt. Gegen pauschale Verurteilungen einer ganzen Branche verwehrte sich Georg Strasser (ÖVP). Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern würden "ordentliche Arbeit" leisten. Als "Bauern-Bashing" kritisierte auch Klaus Lindinger (ÖVP) die Debatte. Nahezu alle Betriebe würden ausgezeichnet mit Tierwohl-Standards arbeiten und hoch-qualitative Produkte produzieren.

Mit der Novelle werde eine versteckte Grundsteuer zu Lasten der hart arbeitenden Landwirt:innen eingeführt, kritisierte Alois Kainz (FPÖ). Die Politik müsse vielmehr deren Arbeit unterstützen und vereinfachen.

Die Markenprogramme des Einzelhandels seien nicht unbedingt gut für die Landwirtschaft, daher sei eine Bewerbung aus bäuerlicher Hand wie beim AMA-Gütesiegel notwendig, meinte Clemens Stammler (Grüne). Jenen, die sich fragen würden, welchem Gütesiegel man vertrauen könne, empfahl Olga Voglauer (Grüne) BIO-Produkte zu kaufen. Damit würden Konsument:innen in Tierwohl, Umweltstandards, naturnahe Landwirtschaft sowie in Landwirt:innen investieren, die sich Gedanken darüber machen, was gut für die Böden und das Land sei.

Die Ausweitung des AMA-Marketingbeitragssystems wurde von Karin Doppelbauer (NEOS)heftig kritisiert. Die "Zwangsbeiträge" der Landwirt:innen würden dabei ohne deren Mitentscheidung durch einen zentralisierten überteuerten Marketingapparat "verbrannt". Vielmehr müsse man diese Betriebe unterstützen, um freier und unternehmerischer zu werden. (Schluss Nationalrat) pst

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