Parlamentskorrespondenz Nr. 16 vom 12.01.2023

Großer Festakt zur Eröffnung des sanierten Parlamentsgebäudes

Eröffnungsansprachen von Sobotka, Kovacs, Bures und Hofer mit Wünschen für respektvolleren Umgang miteinander

Wien (PK) – Mit einem großen Festakt im Bundesversammlungssaal wurde heute das generalsanierte Parlamentsgebäude eröffnet. Neben den Spitzen der heimischen Politik, allen voran Bundespräsident Alexander Van der Bellen, waren zahlreiche Ehrengäste aus dem In- und Ausland in das geschichtsträchtige Haus an der Wiener Ringstraße geladen, das nach fünf Jahren umfassenden Renovierungsarbeiten im neuen Glanz erstrahlt.   

Mit den Worten "Wir sind wieder daheim! Das Hohe Haus hat uns wieder. Und wir haben unser Haus wieder." verlieh Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka seiner großen Freude und Dankbarkeit Ausdruck. Er wünschte sich, dass sich alle von der Wirkung des Hauses im politischen Agieren leiten und begleiten lassen. Es sei notwendiger denn je, dass "unser Denken, Reden und Handeln von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt" werde. Da der Beginn des Bauvorhabens im Geiste des Miteinanders stand, sei zu hoffen, dass dieser Geist nachwirke und zu einem respektvollen Diskurs in diesem Haus beitragen werde, meinte auch Bundesratspräsident Günter Kovacs. Einen kritischen Rückblick auf die politischen Entwicklungen in den letzten Jahren machte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures. Daraus müsse man lernen und eine "grundlegende Sanierung des Vertrauens in die Demokratie" in die Wege leiten. Gerade an einem Tag wie heute soll zudem nicht vergessen werden, dass es im Hohen Haus um das aufmerksame Zuhören gehe, sowie um den Versuch, die Welt auch aus den Augen des Anderen zu sehen, mahnte Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer ein.

Nach der Festrede des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestags Wolfgang Schäuble war noch ein Gespräch mit den Klubvorsitzenden aller Parlamentsfraktionen angesetzt. Moderiert wurde die Veranstaltung von den ORF-Journalistinnen Clarissa Stadler und Rebekka Salzer. Die Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und erstmals auch die Wiener Chormädchen sorgten für die festliche musikalische Umrahmung.

Bevor das Parlament am 16. Jänner 2023 wieder seinen regulären Betrieb aufnimmt, haben die Bürger:innen bereits am Wochenende im Rahmen von zwei Tagen der offenen Tür die Möglichkeit, das rundum erneuerte Hohe Haus selbst zu erkunden.

Sobotka: Heutiger Tag soll Ausgangspunkt einer neuen Ära des Parlamentarismus in Österreich sein

Mit dem Zitat von Albert Schweitzer "Erst bauen die Menschen Häuser und dann die Häuser den Menschen." leitete Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka seine Rede beim heutigen Festakt ein. Damit verbinde er nämlich den Wunsch und die Aufforderung, sich von der Würde des Hohen Hauses und der neuen Architektur, die Sachlichkeit und Respekt vor dem historischen Bestand vermittle, inspirieren zu lassen. Es erfülle ihn mit großer Freude und vor allem Dankbarkeit gegenüber all jenen, die mitgeholfen haben, dieses Jahrhundertvorhaben zu realisieren. Nachdem das Gebäude 1883 nach Plänen von Theophil Hansen errichtet wurde, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und dann wieder aufgebaut wurde, beginne nun die dritte Ära seiner baulichen Geschichte. In seinen umfassenden Dankesworten hob Sobotka seine Amtsvorgängerin Barbara Prammer besonders hervor, die die Entscheidung zur Renovierung vorangetrieben habe. Diese sei dann von der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures beherzt umgesetzt worden. Den Architekten Andras Palffy und Christian Jabornegg sei es auf geniale Weise gelungen, hohe Sensibilität und architektonisches Selbstbewusstsein an den Tag zu legen. Sie und ganz viele andere Beteiligte hätten im Geiste des Miteinanders die Eröffnung des Hauses möglich gemacht, betonte Sobotka.

Der heutige Tag sei für ihn auch deshalb ein besonderer Anlass zur Freude, da er Ausgangspunkt einer neuen Ära des Parlamentarismus in Österreich sein soll. Die Demokratie sei zwar nicht perfekt, aber alternativlos. Sie bilde die Grundlage für ein Leben in Freiheit und Wohlstand, zeigte sich der Nationalratspräsident überzeugt. Auch wenn das Vertrauen von demokratisch legitimierten Institutionen in den letzten Jahren gelitten habe, sei die Demokratie im Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher stabil und stark verankert. Die Demokratie habe sich ihren Platz in der Geschichte erkämpft und auch architektonisch ihren Platz erobert. Gerade Österreich sei der Demokratie schon aus der historischen Dimension zutiefst verpflichtet. Das Haus am Ring habe dabei in seiner baulichen Entwicklung stets die Ansprüche und Gegebenheiten wechselnder Zeiten reflektiert und sei – nach einer unglaublichen Öffnung – nunmehr ein Ort der Begegnung, des Dialogs einer pluralen Gesellschaft sowie des respektvollen Austauschs auf Augenhöhe und über den Kreis der politischen Parteien hinaus. Mittlerweile stünden den Besucher:innen auf mehr als 10.000 Quadratmeter neuer Nutzfläche mit dem interaktiv und inklusiv gestalteten Besucher:innenzentrum, mit der für alle zugänglichen Bibliothek, mit der über dem Plenarsaal neu eingerichteten Demokratiewerkstatt sowie der Gastronomie umfassende Angebote zur Verfügung.

Das Parlament stelle das bauliche Herz der Demokratie dar und sei das Haus aller Österreicherinnen und Österreicher. "Wenn wir genau hinhören, teilt uns dieses Haus vielleicht seinen Wunsch an uns alle mit", meinte Sobotka. Nämlich, dass "unser Denken, Reden und Handeln von gegenseitigem Respekt geprägt sein soll". Dies sei aufgrund der großen Herausforderungen wie der Klimaveränderung, der Migration, dem Krieg, der Ressourcenknappheit und der Inflation heute notwendiger denn je. Um diese Probleme gemeinsam zu bewältigen, brauche es Kooperationsbereitschaft, Toleranz und Wertschätzung. Dies betreffe die Art, wie miteinander gesprochen werde, den Umgang miteinander und den Respekt vor den Meinungen der Anderen. Der heutige Tag soll Ausgangspunkt einer neuen Ära des Parlamentarismus sein. Er wünschte sich, dass sich alle von der Wirkung des Hauses im politischen Agieren leiten und begleiten lassen.

Kovacs spricht im Gedenken an Barbara Prammer von einem "klaren Signal für den Parlamentarismus" und begrüßt weitere Öffnung des Hauses

Die frühere Nationalratspräsidentin Barbara Prammer habe einen wesentlichen Anteil daran gehabt, dass im Jahr 2014 ein gemeinsamer Beschluss aller Fraktionen zur Sanierung des historischen Baus von Theophil Hansen zustande gekommen sei, erinnerte Bundesratspräsident Günter Kovacs am heutigen Tag der Wiederöffnung. Er wünsche sich, dass das damit verbundene "klare Signal für den Parlamentarismus" auch von der heutigen Veranstaltung und allen damit verbundenen Aktivitäten ausgehen werde. Da der Beginn des Vorhabens im Geiste des Miteinanders stand, sei zu hoffen, dass dieser Geist nachwirke und zu einem respektvollen Diskurs in diesem Haus beitragen werde. Wichtig sei aber auch eine Politik auf Augenhöhe, war Kovacs überzeugt, der mit dem Blick auf die zahlreichen Krisen vom Krieg in der Ukraine bis hin zu den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie daran appellierte, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Nur dadurch könne das laut aktuellen Umfragen gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie wieder gestärkt werden.

Positive Beispiele dafür könnten laut Kovacs die Länder und Gemeinden sein, da es die große Stärke kleiner Einheiten sei, nahe bei den Bürger:innen zu sein. Eine wichtige Rolle spiele zudem der Bundesrat, der an der Gesetzgebung mitwirke und ein verfassungsrechtlich verankertes Korrektiv darstelle. Die Länderkammer setze zudem immer wieder Initiativen über Parteigrenzen hinweg, die im Interesse aller Menschen liegen. Besonders erfreulich sei, dass im Zuge der Generalsanierung auch der weiteren Öffnung des Hauses Rechnung getragen wurde und dass die Bürger:innen noch besser am parlamentarischen Geschehen teilhaben können. Dies gelte nicht nur für das neue Zentrum für Besucherinnen und Besucher, sondern auch für die Tage der offenen Tür sowie für die mobile Ausstellung "Parlament on Tour", die demnächst im Burgenland als erstem Bundesland Station machen wird. "Seien wir stolz darauf, wie sich dieses Österreich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat und tun wir alles, damit das Vertrauen in die Demokratie gestärkt wird als Basis für die Zukunft unseres Landes", appellierte Kovacs.

Bures sieht Notwendigkeit für grundlegende Sanierung des Vertrauens in die Demokratie

Auch Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures erinnerte an Barbara Prammer, von der sie das Projekt Generalsanierung als damalige Nationalratspräsidentin 2014 übernahm. Es sei auf Basis eines breiten parlamentarischen Konsenses gestartet worden, mit dem Ziel, ein modernes Arbeitsparlament für die Zukunft zu schaffen. Alle Fraktionen im Haus hätten das komplexe Sanierungsprojekt mitgetragen, wobei die entscheidenden Instrumentarien dabei Seriosität, Aufrichtigkeit und offene Kommunikation gewesen seien, betonte Bures. Die Jahre des Parlamentsumbaus stünden für Kontinuität, für die Bedeutung von Freiheit, liberaler Demokratie und Menschenrechte. Ihr zufolge stünden die letzten fünf Jahre aber auch für Brüche, politischen Aufprall und heftige Schocks, womit sie etwa auf die Pandemie und den russischen Angriffskrieg verwies. In der Innenpolitik sei oft mit Angstparolen hantiert worden, was zu einem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust – einem demokratiepolitisch bedenklichen Kurs - geführt habe, so Bures.

Nach der Sanierung des Parlamentsgebäudes müsse es jetzt umso mehr um die "Sanierung des Vertrauens in die Demokratie und ihrer Institutionen gehen", war Bures überzeugt. Im neuen Parlament sollte dies mit Aufrichtigkeit und Mut zu einer offenen Fehlerkultur angegangen werden, sprach sie sich für mehr Empathie und Respekt sowie die Achtung der Meinungsvielfalt aus. Schließlich dankte die Zweite Nationalratspräsidentin den geladenen Lehrlingen, die im Zuge ihrer Ausbildung an der Sanierung des Parlamentsgebäudes mitgearbeitet haben.

Hofer: Parlament ein Ort der Diskussion, an dem am Ende das Gesamtwohl im Vordergrund stehen muss

Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer sprach davon, das Parlament nicht nur als Ort der Demokratie, sondern auch als "Kern des Diskurses" neu zu eröffnen. Der heutige Tag sei für ihn eine gute Gelegenheit, in Erinnerung zu rufen, warum man sich für die "res publica" engagiere. Die Motivation für die politische Tätigkeit sei tiefe innere Überzeugung, einen Beitrag für eine gedeihliche Gegenwart und Zukunft zu leisten. Wer sein Engagement an anderen Gründen festmache, werde auf Dauer keine Freude an dem Beruf haben, so Hofer. Er selbst sei 1991 als neuer Bewohner Wiens vor dem Parlament gestanden und habe sich gedacht, welche Ehre es sein müsse, hier wirken zu dürfen.

In einer Zeit der "Ausgrenzung Andersdenkender" möchte er daran erinnern, dass es im hohen Haus um das aufmerksame Zuhören gehe, sowie um den Versuch, die Welt auch aus den Augen des Anderen zu sehen, ohne ihre Meinung teilen zu müssen. Das Parlament sei ein Raum der unterschiedlichen Meinungen, ein Ort der Diskussion und ein Ort, an dem am Ende eines Entscheidungsprozesses das Gesamtwohl im Vordergrund zu stehen habe. Dieses Gesamtwohl sei weder automatisch die Grundlinie der Regierungsparteien, noch die Meinung der Opposition. Vielmehr entspringe es aus der lebhaften Diskussion. In diesem Sinne hofft der Dritte Präsident des Nationalrats auf gute Zusammenarbeit im renovierten Haus. (Fortsetzung Festakt) sue/fan

HINWEIS: Der Festakt kann als Livestream und als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments abgerufen werden. Fotos vom Festakt finden Sie im Webportal des Parlaments.

Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Parlament und seiner Sanierung gibt es in einer multimedialen Pressemappe sowie unter www.oeparl2023.at.