Parlamentskorrespondenz Nr. 98 vom 01.02.2023

Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren: Debatte über Reformen

Nationalrat schließt Beratungen zum Volksbegehren ab

Wien (PK) - Für Reformen zu Anstand und Integrität in der Politik, zur Stärkung des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz bzw. der Ermittlungs- und Kontrollbehörden, für eine umfassende Antikorruptions- und Transparenz-Gesetzgebung sowie für Pressefreiheit, Medienförderung und gegen "Inseratenkorruption" haben sich Bürger:innen mit 72 Vorschlägen im " Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren " ausgesprochen. Nachdem der Justizausschuss dazu mit insgesamt zehn geladenen Anti-Korruptions-, Verfassungsrechts- und Strafrechtsexpert:innen ein vierstündiges Hearing abgehalten hatte, standen die Forderungen heute abschließend im Plenum des Nationalrats zur Debatte.

"Korruption ist Gift für die Demokratie" und breche das Grundversprechen, dass jede:r zu gleichen Teilen beteiligt ist und dass dieses Recht für alle gilt, betonte Justizministerin Alma Zadić in der Debatte. Es gelte, das Vertrauen in Politik und Demokratie zurückzugewinnen. Gestärkt werden müssen der Justizministerin zufolge sowohl die Transparenz, als auch das Korruptionsstrafrecht sowie die von Parteipolitik unabhängig agierende Justiz. Umgesetzt worden sei bereits etwa die Transparenz für Parteikassen, aber auch eine Aufstockung der Ressourcen für die Justiz. Präsentiert worden sei auch ein schärferes Korruptionsstrafrecht. An weiteren Reformen wie etwa zur Informationsfreiheit werde mit Nachdruck gearbeitet. Es gehe auch darum, die Länder und Gemeinden zu überzeugen, so Zadić.

Was allein in den letzten sechs Monaten an Maßnahmen auf den Weg gebracht worden sei, bezeichnete Agnes Sirkka Prammer (Grüne) als Meilensteine zur Absicherung der Bekämpfung von Korruption. Heute werde im Plenum zudem auch das Hinweisgeber:innenschutzgesetz verabschiedet. Es sei wichtig, massiv gegen Korruption vorzugehen, betonte sie.

Michaela Steinacker (ÖVP) bedankte sich als Vorsitzende des Justizausschusses für die wichtigen Hinweise der Expert:innen im Hearing. Jetzt sei die Gesetzgebung zur Analyse und sachgerechten Aufarbeitung am Zug. Viele Forderungen seien bereits in Umsetzung, wie etwa das Thema Mandatskauf im Korruptionsstrafrecht. In dieser Legislaturperiode realisiert werden soll Steinacker zufolge auch eine weisungsfreie Spitze der Bundesstaatsanwaltschaft. Dabei sei etwa noch zu prüfen, wie das Parlament in die Kontrolle eingebunden werden kann. "Eine Lanze für die Politik in Österreich" will Klaus Fürlinger (ÖVP) brechen, wie er sagte. Diese sei "meilenweit von der Schlechtigkeit entfernt", die ihr in den letzten Jahren immer wieder unterstellt worden sei. Es sei wichtig, gesetzliche Begriffe zu interpretieren und gut, dass das Strafrecht nachgeschärft werde. Dennoch könne man Straftaten durch Gesetze nicht zur Gänze verhindern, sondern nur verbieten und mit Strafe bedrohen.

Opposition fordert weitere Schritte ein

Demgegenüber bezeichnete es Jörg Leichtfried (SPÖ) als "Schande für das Land", dass Österreich im internationalen Korruptionsindex auf Platz 22 zurückgefallen sei und kritisierte neben der FPÖ vor allem das "türkise System" - und damit die ÖVP, die "sich schämen sollte". Er forderte die Grünen auf, Neuwahlen zu ermöglichen. Österreich brauche eine Regierung, die, wenn notwendig, Korruption aufdecke und bekämpfe. Auch Selma Yildirim (SPÖ) sieht das Abrutschen Österreichs im Korruptionsindex "der Machtgier der ÖVP" geschuldet. Aus ihrer Sicht werden nur strukturelle Änderungen das Land aus der "Korruptionsaffäre" führen, wie sie sagte. Petra Bayr (SPÖ) forderte, dass auch der GRECO-Bericht, der Korruptionsprobleme in Österreich benenne, veröffentlicht werden sollte. Man sollte sowohl den Forderungen des Volksbegehrens, als auch des GRECO-Berichts folgen.

Endlich die Reformen anzugehen, die bereits "seit Ewigkeiten" auf dem Tisch liegen würden, mahnte Nikolaus Scherak (NEOS) ein. So gebe es noch immer kein Informationsfreiheitsgesetz oder einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt. Er bezifferte den jährlichen Schaden mit 15 Milliarden Euro, der entstehe, weil noch immer nicht mit Korruption und "Freunderlwirtschaft" Schluss gemacht worden sei. Der Justizministerin attestierte er "halbherzige Reformen" und bezeichnete es insgesamt als "Armutszeugnis", dass über den "Wasserschaden" nur "ein bisschen drübergepinselt" werde. Darüber hinaus müsse die Antikorruptionsarbeit schon viel früher beginnen, so Johannes Margreiter (NEOS). Er ortet in Österreich auch im Kleinen eine "gewisse Geneigtheit", Prozesse beeinflussen zu wollen. Auch dort gelte es, viel genauer zu sein.

Einigkeit erkennt Harald Stefan (FPÖ) zwar in dem Punkt, Korruption zu 100 Prozent bekämpfen zu wollen. Über die Details sei man sich allerdings nicht einig. So sprach sich Stefan etwa gegen "Kampfbegriffe" wie "Moral" oder "Entpolitisierung", aber auch gegen Übertreibungen aus. Insgesamt zeigte er sich skeptisch, was neue Maßnahmen wie etwa ein Mandatsverlust betreffe und wo diese hinführen würden. Er will Vorsicht walten lassen, wo man sich hinbewege. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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