Parlamentskorrespondenz Nr. 125 vom 08.02.2023

Corona-Pandemie wirkte sich auch 2021 auf Arbeit des Verwaltungsgerichtshofs aus

Wien (PK) – Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben den Verwaltungsgerichtshof auch 2021 in erheblichem Ausmaß beschäftigt. Rund 300 in Zusammenhang mit dem Epidemiegesetz und dem COVID-19-Maßnahmengesetz eingebrachte Beschwerdeverfahren landeten im zweiten Pandemiejahr beim Höchstgericht. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofs 2021 hervor, der Anfang Jänner von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler dem Nationalrat vorgelegt wurde (III-849 d.B.). Die meisten Beschwerden betrafen demnach Vergütungsansprüche nach dem Epidemiegesetz, aber auch über Absonderungen und Verwaltungsstrafen hatten die VwGH-Richter:innen immer wieder zu urteilen.

Um Rechtssicherheit für Behörden und Verwaltungsgerichte zu schaffen, haben sich die zuständigen Senate laut Bericht um rasche Entscheidungen zu den am häufigsten aufgeworfenen Rechtsfragen bemüht. Damit habe auch ein Anwachsen der Zahl neuer Corona-Verfahren vermieden werden können. Erleichterungen dürfte außerdem das endgültige Aus für die COVID-19-Impfpflicht bringen, hier hatte der VwGH mit rund 13.000 Verfahren ab Herbst 2022 gerechnet.

In einzelnen anderen Verfahren kam es 2021 pandemiebedingt aber durchaus zu Verzögerungen. Grund dafür waren laut VwGH nicht nur Personalausfälle und die vorgenommene Prioritätensetzung, auch der Umstand, dass physische Zusammenkünfte zur Beratung komplexer Fälle nicht immer möglich gewesen sind, habe dazu geführt, dass Verfahren nicht so rasch abgeschlossen werden konnten, "wie das zu wünschen gewesen wäre". VwGH-Präsident Rudolf Thienel und seine Richterkolleg:innen gehen davon aus, dass sich das auch noch in den nächsten Jahren auf die durchschnittliche Verfahrensdauer auswirken wird. Es werde eine gewisse Zeit brauchen, bis wieder ein normaler Zustand erreicht sein wird, heißt es im Bericht.

6.643 neue Verfahren, 6.477 Erledigungen

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 6.643 neue Fälle an den VwGH herangetragen. Das entspricht einem Minus von 5,3 % gegenüber 2020 (7.014). Auch bei den Asylbeschwerden war ein leichter Rückgang auf rund 2.400 Fälle zu verzeichnen. Sie blieben aber mit Abstand die häufigste Beschwerdesache. Der VwGH glaubt nicht, dass sich das in der nächsten Zeit ändern wird.

Abschließen konnte der Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2021 6.477 Verfahren. 2020 waren es noch 7.051 gewesen. Damit waren zum Jahresende noch 3.812 Fälle offen. Seit 2018 (2.696) ist dieser Wert sukzessive gestiegen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 4,7 Monate (141 Tage) und lag damit ebenfalls über dem Schnitt der letzten Jahre.

Die Sach- und Personalausstattung habe 2021 knapp ausgereicht, um die Aufgaben bewältigen zu können, hält der VwGH dazu im Bericht fest. Wie schon in früheren Jahren hätten die budgetären Vorgaben aber nur dadurch eingehalten werden können, dass Nachbesetzungen freier Stellen zum Teil erst mit beträchtlicher Verzögerung vorgenommen wurden. Laut Bericht ist durch das allmähliche Ausscheiden der "Babyboomer-Generation" außerdem gerade eine personelle Erneuerung am Gerichtshof im Gang.

1.095 Beschwerdeführer:innen erfolgreich

Die Chance für Beschwerdeführer:innen, vom Verwaltungsgerichtshof Recht zu bekommen, ist grundsätzlich keine schlechte, wobei der Prozentsatz der Stattgaben, also der Aufhebung oder Abänderung angefochtener Entscheidungen, bei ordentlichen Revisionen mit 30 % wieder signifikant höher war als bei außerordentlichen Revisionen (17 %). Rechnet man sämtliche Verfahren ein, ergibt sich für die Stattgaben ebenfalls ein Wert von 17 % (1.095). Dazu kommen 138 Abweisungen (2 %), 2.602 Zurückweisungen (40 %), 555 Einstellungen (9 %) und 2.087 "sonstige Erledigungen" (32%), zu denen auch Entscheidungen über Anträge auf Verfahrenshilfe gehören. In 22 Fällen entschied der Verwaltungsgerichtshof 2021 in der Sache selbst.

Neben dem Asylrecht (2.391) betrafen die häufigsten Verfahren im vergangenen Jahr das Fremdenrecht (585), den Abgabenbereich (401) sowie das Baurecht und das Sicherheitswesen (je 399). Danach folgt der Bereich Volksgesundheit (317). Auch Verkehrssachen (222), das Dienst- und Disziplinarrecht (185), der Bereich Sozialversicherung (174) und das Arbeitsrecht (126) rangieren im vorderen Feld.

Tiere gehören zur Ladung und sind daher zu sichern

Im Bericht werden auch wieder einige ausgewählte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs angeführt. So haben die Richter:innen unter anderem entschieden, dass es ein subjektives Recht auf Einrichtung eines Behindertenparkplatzes gibt, Betriebsbeschränkungen nach den COVID-19-Maßnahmenverordnungen keinen Ersatzanspruch nach dem Epidemiegesetz begründen und Tiere zur Ladung zählen und damit in einem Fahrzeug entsprechend zu sichern sind. Ein nur hobbymäßig betriebener "You Tube"-Kanal ist ihnen zufolge hingegen kein audiovisueller Mediendienst gemäß AMD-Gesetz, wie von den Vorinstanzen angenommen.

Auch in Bezug auf die Parteistellung von Umweltorganisationen bei der Erweiterung eines Wasserkraftwerks und die Erteilung von Informationen über Emissionen von Betrieben entschied der VwGH zugunsten der Beschwerdeführer:innen. Weiters haben die Richter:innen zum wiederholten Mal klargestellt, dass die Beurteilung möglicher Eingriffe in den Kern der Versammlungsfreiheit alleine dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) obliegt.

Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH

In mehreren Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung gebeten. Das betrifft auch die Frage, ob die Tätigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in den Anwendungsbereich der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) fällt und wenn ja, ob das auch dann der Fall ist, wenn der Untersuchungsgegenstand Tätigkeiten einer polizeilichen Staatsschutzbehörde betrifft, die für sich betrachtet nicht unter Unionsrecht fallen. Hintergrund dafür ist die Beschwerde einer Auskunftsperson, die vom BVT-Untersuchungsausschuss befragt wurde und sich danach an die Datenschutzbehörde wandte, weil sie sich durch die Veröffentlichung des Befragungsprotokolls unter vollständiger Nennung ihres Namens auf der Website des Parlaments in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt erachtete. Da das Bundesverwaltungsgericht die Datenschutzbehörde – anders als diese sich selbst – sehr wohl für zuständig erachtete, wandte sich diese an den Verwaltungsgerichtshof.

In einem weiteren Fall soll der EuGH die Frage beantworten, ob die Beschränkung staatlicher Subventionen für konfessionelle Schulen auf in Österreich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften in Einklang mit EU-Recht steht. (Schluss) gs