Parlamentskorrespondenz Nr. 266 vom 10.03.2023

EU-Vorschau 2023: Überblick über Vorhaben in den Bereichen Gleichstellung, Familie, Integration und Medien

Wien (PK) – Die EU-Vorhaben 2023 ihres breit gefächerten Ressorts präsentiert Bundesministerin Susanne Raab, zuständig für Frauen, Familie, Integration und Medien, im aktuellen Jahresbericht über die Arbeitsprogramme von Kommission und Rat. Näher behandelt werden dabei Vorschläge in den Bereichen Gleichstellung, Gewaltprävention, Kinderrechte sowie zur Regulierung von Online-Plattformen (III-869 d.B. und III-807-BR/2023 d.B.).

Gleichstellung: EU will gesetzliche Grundlagen schaffen

Gleichstellung und Gewaltprävention prägen die EU-Frauenpolitik. Das zeigt sich nicht nur im 18-Monate-Programm der Trio-Ratspräsidentschaft Frankreich, Schweden und Tschechien, sondern auch in der Strategie der Europäischen Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025. Darin skizzierte Maßnahmen zielen darauf ab, Freiheit von Gewalt und Stereotypen sicherzustellen, nicht zuletzt im Wirtschaftsleben, wobei auch die finanzielle Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in der EU sowie weltweit adressiert wird. Im "Gender Equality Strategy Monitoring Portal" werden Entwicklungen und Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung veranschaulicht. Schweden will als aktuelles Ratsvorsitzland im Rahmen der Überprüfung der Umsetzung der "Pekinger Aktionsplattform" heuer Schlussfolgerungen zu institutionellem Gender-Mainstreaming ausarbeiten. Der Gleichstellung von Menschen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung, widmet sich im gleichen Zeitrahmen die EU-Strategie für LGBTIQ-Personen, mit der in allen Politikbereichen Anti-Diskriminierungsmaßnahmen umgesetzt werden sollen.

Österreich begrüßt beide strategische Ausrichtungen zur Gleichstellungsförderung. Ungeachtet dessen ist die Zustimmung zum Vorhaben einer "Anti-Diskriminierungsrichtlinie" der EU verhalten. Zwar wird betont, dass eine damit einhergehende Ausweitung des Schutzes vor Diskriminierung auf den außerberuflichen Bereich fraglos wichtig sei, gleichzeitig seien aber noch viele Fragen offen. Ziel der angepeilten Richtlinie ist es, den Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung über den Bereich der Beschäftigung hinaus zu erweitern.

Zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt heißt es wiederum aus dem Ressort, Gewalt gegen Frauen zähle zu den schwersten geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen und wirke sich direkt auf die Gleichstellung von Frauen und Mädchen aus. Die Regierung unterstütze daher jede Initiative dagegen, etwa den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention für Gewaltschutz. Im Hinblick auf die mitgliedstaatliche Ratifizierung des Europarat-Übereinkommens zu Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt spricht sich Österreich gegen eine Ratifizierungsverpflichtung aus; jeder EU-Mitgliedstaat sollte die Möglichkeit erhalten, die Bestimmungen in seinen Rechtskanon aufzunehmen.

Vorhaben der Europäischen Union im Bereich der Kinderrechte

Die neue EU-Strategie im Bereich der Kinderrechte zielt vor allem auf den Schutz gefährdeter Kinder, die Bekämpfung und Verhinderung von Gewalt, den Schutz der Online-Rechte, die Förderung einer kinderfreundlichen Justiz sowie die Stärkung der Teilhabe an EU-politischen und demokratischen Prozessen ab. In einer dazu veröffentlichte Mitteilung der Kommission vom März 2021 werden die Mitgliedstaaten ersucht, bestehende Initiativen auszubauen und neue Aktionspläne zu entwickeln. Das Familienministerium verweist dazu auf die bereits 2011 erfolgte Verankerung der Rechte von Kindern in der Bundesverfassung. Mit dem "Nationalen Aktionsplan zur Europäischen Kindergarantie", der sich in der Abstimmungsphase befinde, trage man zudem der europäischen Kindergarantie Rechnung. Zentral dabei ist, armutsgefährdeten Kindern den Zugang zu wichtigen Dienstleistungen zu ermöglichen.

Zu den EU-Materien gegen Kindesmissbrauch heißt es im Bericht, mit der diesbezüglich beschlossenen Richtlinie seien grundlegende Verbesserungen implementiert worden. Österreich bekenne sich zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie zur Schaffung eines sicheren Internets, so Ministerin Raab, die bei beiden Themen auf die federführende Zuständigkeit des Justizressorts verweist.

Familienpolitik: Bestehende Instrumente sollen mit Leben erfüllt werden

Ministerin Raab hält im Bericht fest, Sozialpolitik wie familienpolitische Angelegenheiten lägen im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Bestrebungen des schwedischen Vorsitzes, den Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule "Soziale Rechte" weiter voranzutreiben sehe man daher kritisch. Die Mitgliedstaaten müssten Freiräume haben, um ihre nationalen Ökonomien gestalten zu können. Da es auf EU-Ebene bereits ausreichend Instrumente gebe, um die Europäische Säule "Sozial Rechte" mit Leben zu erfüllen, habe nunmehr vor allem im Bereich Beschäftigungspolitik die ordnungsgemäße Anwendung bestehenden EU-Rechts Priorität. Die EU-Institutionen sollten in diesem Sinne die Mitgliedstaaten inhaltlich und finanziell unterstützen und die Sozialpartnerschaft nach österreichischem Modell fördern. 

Mit einer Überarbeitung der Barcelona-Ziele zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung plant die EU-Kommission, den Fokus verstärkt auf Kinder mit Behinderung und Kinder aus benachteiligten Gruppen zu richten. Dies sei aus Sicht des Familienministeriums aber  erst dann zielführend, wenn alle Mitgliedstaaten die bestehenden Ziele weitestgehend erreicht haben und Evidenzen für einen darüber hinaus gehenden Bedarf vorliegen. 

Integration: EU will legale Migration stärken

Ebenfalls vorrangig in die nationalstaatliche Zuständigkeit fällt laut Bericht das Politikfeld der Integration. Jedoch unterstütze die EU die Mitgliedstaaten durch Projektförderungen, bei der Ausarbeitung von Leitlinien sowie durch Förderung einschlägiger Partnerschaften für die Integration von Drittstaatsangehörigen. Für das Bundeskanzleramt hat deswegen die Umsetzung der EU-Förderinstrumente für Integrationsagenden oberste Priorität, insbesondere im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) 2021-2027. Aus der EU-Verordnung dazu gehe hervor, dass die Stärkung und Weiterentwicklung der legalen Migration in den Mitgliedstaaten entsprechend ihrem wirtschaftlichen und sozialen Bedarf gefördert werden soll. Eine wirksame soziale Integration der betroffenen Zielgruppe sei zu unterstützen.

Medien: Digital Services Act und Vorschlag für ein Europäischen Medienfreiheitsgesetz

Der Digital Services Act (DSA) ist weiterhin einer der zentralen Rechtsrahmen im Sektor Medien. Er beinhaltet eine Reihe von neuen, abgestuften  Sorgfaltspflichten für Vermittler, Hosting Dienste, Online-Plattformen sowie sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen. Dazu gehören etwa verpflichtende Transparenz-Berichtspflichten, Kontaktstellen, Melde- und Beschwerdemechanismen, Maßnahmen gegen die missbräuchliche Nutzung, Compliance-Beauftragte und die Formulierung neuer Verhaltenskodizes. Die entsprechende Verordnung soll ab 17. Februar 2024 gelten, bestimmte Pflichten für Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen treten allerdings schon früher in Kraft.

Österreich begrüßt den DSA, insbesondere die Maßnahmen gegen "Hate-Speech" sowie generell die Überarbeitung der E-Commerce‐Richtlinie im Hinblick auf mehr Verantwortlichkeiten für die Plattformen. Zur Sicherung der Medienvielfalt und der Unabhängigkeit der europäischen Medien hat die Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens (Europäisches Medienfreiheitsgesetzt) vorgelegt, der von zahlreichen Mitgliedstaaten kritisch beurteilt wird. Auch von österreichischer Seite wird hinterfragt, ob insbesondere die Ausgestaltung und Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Gegenstand einer Verordnung sein können, die allein auf den Binnenmarkt abstelle. (Schluss) rei/sue