Parlamentskorrespondenz Nr. 325 vom 22.03.2023

FPÖ blitzt mit Forderung nach Corona-Untersuchungsausschuss bei anderen Fraktionen ab

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS bezweifeln, dass es FPÖ um sachliche Aufklärung geht

Wien (PK) – Einen Corona-Untersuchungsausschuss wird es – zumindest vorerst – nicht geben. Ein entsprechender Antrag der FPÖ fand heute im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats keine Mehrheit. Die FPÖ sei an keiner ernsthaften Aufarbeitung der Corona-Pandemie interessiert, sondern wolle nur politisches Kleingeld wechseln, waren sich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS mit Hinweis auf die Begründung des Antrags einig. ÖVP-Abgeordneter Peter Weidinger machte zudem geltend, dass der Antrag auch juristisch unzulässig wäre, weil er viel zu viele Dinge miteinander vermische und die erforderliche Konkretheit vermissen lasse.

Kritik an der Entscheidung äußerten die FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm und Philipp Schrangl. Es sei höchst an der Zeit, das aufzuarbeiten, was schiefgelaufen sei, sagte Belakowitsch und verwies unter anderem darauf, dass kaum ein anderes europäisches Land so viele Schulschließtage gehabt habe wie Österreich. Zudem glaubt sie, dass man mit manchen Maßnahmen wie etwa der Maskenpflicht auf Schiliften, nur Leute "sekkieren" wollte. Auch seien Maßnahmenkritiker:innen mit "massiven Repressalien" konfrontiert gewesen und ungeimpfte Kinder diskriminiert worden. Es seien so viele Dinge passiert, da könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, so Belakowitsch.

In eine ähnliche Kerbe schlug ihre Fraktionskolleg Wurm. Wenn der Wunsch nach einer Überwindung der aufgerissenen Gräben und nach Versöhnung ernst gemeint sei, brauche es eine ehrlich gemeinte Aufklärung, hielt Wurm fest. Die Menschen seien so verunsichert und so verärgert, dass es "mit leeren Worten" nicht getan sein werde. Wurm kann allerdings keine Bereitschaft zur Aufklärung erkennen, sondern ortet vielmehr "eine geschlossene Front" der anderen vier Fraktionen. Diese seien nicht bereit, den Graben zu überwinden und auf die Seite der FPÖ zu wechseln. Abgeordneter Schrangl hob vor allem die Notwendigkeit hervor, offene Fragen rund um die COFAG zu klären.

Die anderen Fraktionen maßen den Ausführungen der FPÖ-Abgeordneten allerdings wenig Glaubwürdigkeit bei. So wie der beantragte Untersuchungsausschuss aufgezogen sei, würde er zu keiner Versachlichung der Debatte beitragen, ist sich etwa Gerald Loacker (NEOS) sicher, zumal die FPÖ seiner Meinung nach berechtigte Anliegen mit unberechtigten vermengt. Was eigentlich fehle, sei eine "Ausrichtung nach vorne". Man müsse sich überlegen, was anders zu machen sei, wenn wieder eine Pandemie komme. Loacker wies außerdem darauf hin, dass der Rechnungshof schon einiges geprüft habe und andere Sachverhalte wie die hohen Ausgaben für Corona-Tests durch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen ans Licht gekommen seien.

Auch Grünen-Abgeordneter David Stögmüller bezweifelt, dass die FPÖ tatsächlich an einer sachlichen Aufklärung interessiert ist. Allein schon die Begründung des U-Ausschuss-Antrags zeige, dass es ihr nicht darum gehe, etwas aufzuarbeiten und Lösungsansätze für die nächste Krise vorzubereiten, sondern nur um politisches Kalkül. Der Antrag strotze vor Gerüchten und unbelegten Behauptungen. So würden der Regierung etwa geheime Absprachen mit der Pharmaindustrie und die Verbreitung von Fakenews unterstellt. Ebenso sei von einer "supranationalen Gesundheitsdiktatur" die Rede.

Weidinger: Untersuchungsgegenstand ist viel zu weit gefasst

ÖVP-Abgeordneter Peter Weidinger wandte darüber hinaus ein, dass der Untersuchungsgegenstand viel zu weit gefasst sei. In diesem Sinne wäre der Antrag auch juristisch nicht zulässig, meinte er. Zudem sei es nicht Aufgabe eines Untersuchungsausschusses, Rechtsfragen zu klären, vielmehr gehe es um die politische Verantwortung. Vorrangig ist für ihn eine in die Zukunft gewandte Aufarbeitung, so wie sie die Regierung bereits angekündigt habe.

Zu den einzelnen Kritikpunkten der FPÖ hielt Weidinger fest, dass bereits der aktuelle Untersuchungsausschuss gezeigt habe, dass es keinerlei politische Einflussnahme auf die COFAG gegeben habe. Außerdem sei belegt, dass das Budgetdefizit in Österreich ohne Abfederungsmaßnahmen bei weitem höher ausgefallen wäre. Ohne staatliche Hilfen hätte es kein Wirtschaftswachstum gegeben und die Arbeitslosigkeit wäre doppelt so hoch gewesen. Nun sei man in einer neuen Phase der Pandemie, betonte Weidinger, wobei er die breite Immunität der Bevölkerung nicht zuletzt auf die hohe Impfbereitschaft zurückführt. Auch mit der Entwicklung von Medikamenten habe die Wissenschaft zur nunmehr entspannteren Lage beigetragen.

Seitens der SPÖ zeigte sich Melanie Erasim überzeugt, dass es der FPÖ nur darum gehe, weiterhin "politisches Kleingeld zu verdienen". Schließlich tue sie den ganzen Tag nichts anderes, als die Gräben, die sie aufgerissen habe, "mit Baggerschaufeln weiter zu vergrößern". Wenn man ein Zuschütten der Gräben fordere, müsse man selbst die Baggerschaufeln einpacken, hielt sie in Richtung Abgeordnetem Wurm fest.

FPÖ hält umfassende Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen für notwendig

Die FPÖ begründet ihren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (5/US) unter anderem damit, dass die österreichische Bevölkerung knapp drei Jahre lang einer "Corona-Diktatur" unterworfen worden sei. Eine "unheilige Allianz aus ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS" habe schwere gesundheitliche, ökonomische und rechtsstaatliche Schäden angerichtet, hält Erstantragsteller Christian Hafenecker im Antrag fest.

Konkret wirft Hafenecker der Regierung vor, nicht nur Grund- und Freiheitsrechte unverhältnismäßig eingeschränkt, sondern viele Folgen der Corona-Maßnahmen wie Vereinsamung in Alten- und Pflegeheimen, Lerndefizite durch Homeschooling, häusliche Gewalt und gesundheitliche Folgeschäden durch verschobene Operationen und psychische Belastungen nicht bedacht zu haben. Zudem hätten "viele Milliarden Euro" für Corona-Hilfen aufgewendet werden müssen. Diese würden das Budget massiv belasten und zu einer "sich immer rasanter entwickelnden Staatsverschuldung" und zur aktuellen Inflationsentwicklung beitragen.

Untersuchungsgegenstand sollen vor diesem Hintergrund mutmaßliche "politische Absprachen zu Lasten der verfassungsrechtlich garantierten Grund- und Freiheitsrechte, der persönlichen Unversehrtheit und Gesundheit, des Bundesvermögenes und der einschlägigen Paragraphen im österreichischen Strafgesetzbuch" sein, wobei die FPÖ sämtliche Maßnahmen, die die Regierung im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie zwischen 7. Jänner 2020 und 28. Juni 2022 gesetzt hat, aufrollen will. So soll etwa geprüft werden, auf Basis welcher Entscheidungsgrundlagen es zu Ausgangssperren, Kontaktverboten und zur Verpflichtung des Tragens von Masken gekommen ist und ob im Zuge der Einführung der Impfpflicht "unsachlicher Einfluss auf die Organe der Vollziehung ausgeübt wurde". Zudem sollen sämtliche Beschaffungsvorgänge und Corona-Entschädigungszahlungen durchleuchtet werden. Auch ob die Informationskampagnen den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprochen haben und ob es sachlich nicht begründbare Repressalien gegen "Maßnahmenkritiker" gegeben hat, möchte die FPÖ im Untersuchungsausschuss klären.

Vom Prüfauftrag umfasst sein sollte unter anderem das Zustandekommen aller einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Erlässe, Richtlinien und Ministerratsbeschlüsse – inklusive der Bundesfinanzgesetze 2020, 2021, 2022 und 2023 – sowie die Einrichtung verschiedener Corona-Unterstützungsfonds. Aber auch auf die Einsetzung diverser Krisenstäbe und Gremien wie die Krisenkoordination GECKO, mögliche "geheime Absprachen" mit der Pharmaindustrie und mit Interessenvertretungen, die Verhängung von Corona-Strafen und auf Entscheidungen der EU und der WHO will die FPÖ ein Auge werfen. Zudem hegt sie den Verdacht, dass es auf Social-Media-Plattformen zu "Zensur und Meinungsmanipulation" gekommen ist.

Der ablehnende Bericht des Geschäftsordnungsausschusses geht nun an den Nationalrat, dem die endgültige Entscheidung obliegt. Für die Einsetzung des beantragten Untersuchungsausschusses bräuchte es einen Mehrheitsbeschluss. (Schluss) gs