Parlamentskorrespondenz Nr. 354 vom 29.03.2023

Arbeitsminister Kocher: Leistung muss sich lohnen

Aktuelle Stunde im Nationalrat zu Wirtschaft und Arbeit in Österreich

Wien (PK) – Die Nationalratssitzung startete heute mit einer Aktuellen Stunde zum von der ÖVP gewählten Thema "Wirtschaft, Standort, Arbeit – Österreich 2023". Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher strich die stabile Lage am Arbeitsmarkt trotz eingetrübter Konjunktur hervor. Neben kurzfristig herausfordernden Zeiten gelte es auch, den langfristig bevorstehenden Wandel zu bewältigen, sagte er. Arbeit müsse attraktiv gemacht, Leistung belohnt werden, so der Minister.

Während die ÖVP positiv auf die heimische Wirtschaft blickte und die Grünen klimapolitische Maßnahmen zur Stärkung des Standorts anführten, ortete die Opposition wirtschaftspolitisches Versagen und Nachteile für Arbeitnehmer:innen.

Kocher: Arbeit attraktiv machen, Leistung belohnen

In den aktuell unsteten Zeiten brauche es dauernde Anpassungen, sagte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher. Aber Zeiten des Wandels seien auch Zeiten der Chancen, zeigte er sich überzeugt. Es sei wichtig, dass nun gute Politik gemacht werde und die Unternehmer:innen mutige Entscheidungen treffen. Am Arbeitsmarkt sei die Lage trotz eingetrübter Konjunktur überraschend gut. Es herrsche die geringste Arbeitslosigkeit seit 2008. In der Wirtschaft werde das Wachstum nicht so stark wie 2022, aber dennoch weiterhin positiv sein, sagte Kocher mit Blick auf anstehende Prognosen. Ein Grund dafür sei, dass der private Konsum im Durchschnitt weiterhin stabil sei. Dazu hätten die Programme zur Kaufkraftsteigerung der Bundesregierung einen wichtigen Beitrag geleistet, meinte Kocher. Die Unternehmen erhielten mit Instrumenten wie dem Energiekostenzuschuss wichtige Planungssicherheit.

Bei all den kurzfristigen Krisen dürfe man den langfristig stattfindenden Wandel nicht vergessen, so Kocher. Um diesen zu bewältigen, sei die Klima- und Tranformationsoffensive eine wichtige Maßnahme. Mit Blick auf den Fachkräftemangel hielt Kocher es für nötig, Arbeit attraktiv zu machen, Leistung zu belohnen und es für alle zu ermöglichen, zu arbeiten.

ÖVP blickt positiv auf heimische Wirtschaft

Österreich sei einer der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte Europas, sagte Peter Haubner (ÖVP). Eine moderne, leistungsfähige Industrie, ein dynamischer Außenhandel, ein wiedererstarkter Tourismus sowie Stabilität in den Bereichen Handwerk, Gewerbe und Handel würden dazu beitragen, zeigte Haubner sich überzeugt. Das Geheimnis für den Erfolg der österreichischen Wirtschaft sei aus seiner Sicht das Miteinander von Unternehmer:innen und Mitarbeiter:innen. Rasche Hilfen während der Corona-Krise seien wichtig für die Unterstützung der Unternehmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen gewesen. Nun gebe es Rekordbeschäftigung. Es brauche aber weitere Anreize, damit Leistung sich lohne, sagte Haubner mit Blick auf den aktuellen Arbeitskräftemangel.

Das sah auch Christian Zarits (ÖVP) so. Dass es derzeit so viele Beschäftigte wie seit vielen Jahren nicht mehr gebe, sei den gemeinsam beschlossenen Maßnahmen zu verdanken. Nun brauche es Erleichterungen bei der Besteuerung von Überstunden und beim Arbeiten nach dem Regelpensionsalter, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Auch Karlheinz Kopf (ÖVP) zog positive Bilanz über den Wohlstand und die Wirtschaftsleistung Österreichs. Der Arbeitskräftemangel sei jedoch eine große Herausforderung, die aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren noch größer werde, so Kopf. Dass Menschen sich eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit wünschen, sei nachvollziehbar. "Absolut inakzeptabel" sei jedoch, wenn es Personen, die gerne mehr arbeiten würden, durch fehlende Rahmenbedingungen oder Attraktivität unmöglich gemacht werde. Es gelte, bessere Voraussetzungen in der Kinder- und Altenbetreuung zu schaffen, Arbeiten im Alter und Überstunden steuerlich attraktiver zu machen und qualifizierte Arbeitskräfte ins Land zu holen, sagte Kopf.

SPÖ: Hohe Inflation schadet Standort und Menschen

Die positive Bilanz der ÖVP-Abgeordneten konnte Rainer Wimmer (SPÖ) nicht teilen. Noch nie habe eine Regierung den Arbeitnehmer:innen so wehgetan wie die aktuelle, sagte er. Für eine erfolgreiche Wirtschaft brauche es innovative Unternehmen, gute Produkte und vor allem qualifizierte Mitarbeiter:innen. Sie würden den Erfolg erst möglich machen, zeigte Wimmer sich überzeugt. Angesichts der hohen Inflation habe er Angst, dass der Wirtschaftsstandort ins Wanken gerate.

Auch Julia Herr (SPÖ) betonte, dass die Inflation dem Standort schade. Denn für 30 % der Haushalte sei es mittlerweile ein Problem, den Alltag zu finanzieren. Langfristig werde sich das auf die Kaufkraft auswirken. Die Regierung gebe zwar überdurchschnittlich viel Geld für Hilfsmaßnahmen aus, es komme aber bei den Falschen an. Herr kritisierte eine Überförderung von Unternehmen, etwa durch den Energiekostenzuschuss. Denn die Unternehmen hätten die gestiegenen Energiepreise längst an die Konsument:innen weitergegeben. Nun würden die Gewinne der Unternehmen mit Steuergeld gefördert, kritisierte Herr.

FPÖ ortet politisches Versagen

Dass die ÖVP das Thema "Wirtschaft, Standort, Arbeit" für die Aktuelle Stunde ausgesucht habe, bezeichnete Michael Schnedlitz (FPÖ) als "fast absurd". Schließlich würde ihr politisches Versagen die Wirtschaft, den Standort und die Bürger:innen negativ treffen. Die Corona-Politik und Lockdowns sowie der "standortfeindliche Klimakommunismus" hätten den Menschen geschadet. Nun drehe die Regierung weiter an der Eskalationsschraube, sagte Schnedlitz mit Blick auf die morgige Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Parlament. Für Schnedlitz werde die Unabhängigkeit des Hohen Hauses und die immerwährende Neutralität für "die Propaganda einer Kriegspartei" geopfert. Die Regierung würde nicht dem Volk und den Unternehmen im Land dienen, sagte Schnedlitz und forderte "dringend notwendige Neuwahlen".

Die Menschen hätten weniger Geld als vor der Politik dieser Bundesregierung, meinte Christian Ragger (FPÖ). Auch die Wirtschaft werde schrumpfen. Ein Kernproblem seien die aus seiner Sicht zu hohen Hürden bei Unternehmensgründungen. Mit Blick auf die große Bedeutung der Automobilzulieferer für die österreichische Wirtschaft zeigte Ragger sich zudem besorgt, dass Standort und Menschen in den kommenden Jahren "auf der Strecke bleiben" werden.

Grüne setzen auf Klimapolitik und Sozialstaat

Elisabeth Götze (Grüne) sah das anders. Langfristiger Erfolg in der Wirtschaft könne nur gemeinsam mit – und nicht auf Kosten von - Umwelt und Menschen gelingen. Die Klimaneutralität 2040 sei deshalb das wichtigste Ziel. Götze führte unter anderem Investitionen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und zum Ausbau erneuerbarer Energien als bereits gesetzte Schritte an. Auch die Lösungen gegen den Fachkräftemangel würden vorliegen. Es brauche mehr Frauen in der Wirtschaft und bessere Arbeitszeitmodelle, so Götze.

Markus Koza (Grüne) zeigte sich ebenso überzeugt, dass Wirtschafts- und Standortpolitik eng mit Klimaschutz und Sozialstaat verbunden seien. Jeder Euro, den man in die Bewältigung der Klimakrise und in die Verbesserung von Pflege- und Kinderbetreuungseinrichtungen investiere, rentiere sich mehrfach, so Koza. Eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts brauche eine aktive Klimapolitik, einen starken Sozialstaat und faire Arbeitsbedingungen, meinte der Abgeordnete.

NEOS fordern Maßnahmen gegen Arbeitskräftemangel

Beate Meinl-Reisinger (NEOS) ortete Selbsttäuschung bei den Koalitionsmitgliedern. Österreich sei nicht gut durch die Krise gekommen, die Menschen würden stärker unter der Teuerung leiden als in anderen Ländern und das Wirtschaftswachstum sei im internationalen Vergleich schlechter, sagte Meinl-Reisinger mit Blick auf die Wirtschaftsdaten. Die Regierung lobe sich selbst dafür, viel Steuergeld auf Kosten der nächsten Generationen in die Hand genommen zu haben, um Hilfe in Form von Einmalzahlungen zu leisten. Stattdessen gelte es, Sorge zu tragen, dass die Menschen mit ihrem Einkommen auskommen können. Für Meinl-Reisinger ist das ein "Versagen in der Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Menschen in Österreich". Der Arbeitskräftemangel betreffe inzwischen längst nicht mehr nur Unternehmer:innen, sondern jeden Menschen. Auch dieses Problem sei hausgemacht, meinte die NEOS-Abgeordnete und kritisierte eine Blockade beim Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen sowie eine "ausländerfeindliche Politik" der ÖVP.

Auch für Gerald Loacker (NEOS) ist der Arbeitskräftemangel, der in keinem europäischen Land so eklatant sei wie in Österreich, das Ergebnis von politischen Entscheidungen. Loacker führte insbesondere die hohe Steuerlast für Vollzeitbeschäftigung an. Seine Fraktion habe deshalb den Vollzeit-Bonus vorgeschlagen, denn es müsse sich "voll auszahlen, wenn jemand voll arbeitet", so Loacker. (Fortsetzung Nationalrat) kar

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