Parlamentskorrespondenz Nr. 363 vom 30.03.2023

Selenskyj: Ukraine wird Menschlichkeit und Moral bewahren

Videoansprache des ukrainischen Präsidenten im österreichischen Parlament

Wien (PK) – Die Ukraine werde siegen und ihre Menschlichkeit und Moral bewahren, zeigte sich Wolodymyr Selenskyj heute überzeugt in einer Rede, für die er live ins österreichische Parlament zugeschalten wurde. Der ukrainische Präsident machte am 400. Tag des Krieges insbesondere auf die vielen zivilen Opfer in seinem Land aufmerksam. Er drückte seine Dankbarkeit für die Unterstützung durch Österreich aus.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte in seinen Begrüßungsworten, dass Österreich zwar militärisch neutral sei, aber nicht politisch. Er sicherte der Ukraine weitere finanzielle und humanitäre Hilfe zu.

Selenskyj sprach im Rahmen einer parlamentarischen Veranstaltung, zu der der Nationalratspräsident eingeladen hatte. Nach der Ansprache kamen die Parlamentsfraktionen zu Wort. Die Freiheitlichen verließen während der Rede des ukrainischen Präsidenten den Saal und hinterließen auf ihren Plätzen Schilder mit der Aufschrift "Platz für Neutralität" und "Platz für Frieden".

Selenskyj: Ukraine will Sicherheit und Ruhe

Heute sei bereits der 400. Tag des Krieges, den die Ukraine durchmachen müsse. Es sei ein totaler Krieg Russlands gegen die ukrainischen Menschen und das, was sie zu Menschen machte, sagte ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Jeden Tag verliere die Ukraine Menschen, die im Kampf gegen den Besatzer ihr Leben geben für die Freiheit des Landes und aller Völker, deren Gebiete Russlands in sein Reich zurückholen wolle.

Der ukrainische Präsident betonte insbesondere, dass von den Russen zurückgelassene Minen und Geschoße zahlreiche Menschenleben kosten. Eine Fläche von 174.000 Quadratkilometern – der doppelten Fläche Österreichs – sei durch Minen und nicht explodierte Geschoße kontaminiert. Stolperdrahtsprengfallen seien etwa in zivilen Gebäuden, am Straßenrand und in Parks zurückgelassen worden. Selenskyj berichtete von Handgranaten, die etwa in einer Waschmaschine oder unter einem Klavierdeckel in Wohnhäusern versteckt worden waren. Es gebe tausende solcher Fälle, sagte er.

Wenn die Ukraine um Hilfe bitte, bitte sie um Unterstützung dafür, Leben retten zu können, so der ukrainische Präsident. Sein Land wollte sich nicht in das Leben anderer Menschen einmischen. Die Ukraine wollte nie etwas haben, das ihr nicht gehöre. Sie wolle Sicherheit und Ruhe, Freiheit und Glück für ihre Kinder, in ihrem ukrainischen Haus. Es gehe um die Einhaltung von internationalen Verträgen und Konventionen, durch die die Sicherheit von Völkern und die Souveränität von Staaten garantiert werde. "Ist das zu viel verlangt?", fragte Selenskyj. Er habe im vergangenen Herbst eine Friedensformel für die Ukraine mit zehn konkreten Punkten vorgestellt. Doch von Russland seien bloß Lügen, Ausreden und ein "Ausdruck des Bösen" als Antwort gekommen.

Selenskyj drückte seine Dankbarkeit für die Unterstützung Österreichs und das Angebot für weitere Hilfen aus. Er lud den Nationalratspräsidenten und andere Vertreter:innen des Parlaments ein, die Ukraine zu besuchen und mit eigenen Augen zu sehen, was die russische Konfrontation für das Land bedeute. Dann könne man auch verstehen, wie wichtig es sei, moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein, so Selenskyj. Besonderen Dank sprach der ukrainische Präsident den Städten Wien, Linz und Graz aus, die in ihren Krankenhäusern verletzte Ukrainier:innen aufgenommen haben. Auch die Initiative "Nachbar in Not" sei sehr bedeutsam für die Ukraine.

Er sei überzeugt, dass die Ukraine in diesem Krieg siegen werde, sagte Selenskyj. Er sei überzeugt, dass das Land seine Menschlichkeit, seine Zivilisiertheit, seine Moral und seinen Glauben daran, dass das Böse immer verlieren werde, bewahren werde. Der ukrainische Präsident bedankte sich bei allen, die der Ukraine helfen und an die im Krieg Verstorbenen denken. "Danke Österreich. Ehre der Ukraine", schloss Selenskyj.

Sobotka: Ungebrochene Solidarität für die Ukraine

Der Ukraine, die seit über einem Jahr Opfer massiver und grausamer russischer Aggression sei, gelte die uneingeschränkte und ungebrochene Solidarität Österreichs, betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen Begrüßungsworten.

Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine begehe Russland eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und stelle die gesamte globale Sicherheitsarchitektur in Frage. "Die Ukraine verteidigt in diesem Krieg nicht nur ihr Land und ihre Existenz, sondern steht auch für europäische Werte ein", sagte Sobotka. Österreich sei zwar militärisch neutral, aber nicht politisch, und habe in diesem Konflikt klar Stellung bezogen für die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Ukraine. Zudem unterstütze man die Ukraine mit bisher über 129 Mio. € finanzieller und humanitärer Hilfe und biete den fast 94.000 vertriebenen Ukrainer:innen Zuflucht in Österreich. Auch die Aufklärung von Kriegsverbrechen strich Sobotka als unabdingbar hervor.

Wenn der Krieg ein Ende finde, werde es darum gehen, den Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen. Sobotka versicherte Selenskyj, dass sich Österreich als Freund der Ukraine sowohl im Rahmen der EU als auch bilateral konkret und aktiv daran beteiligen werde. (Fortsetzung Videoansprache Selenskyj) kar

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Videoansprache des ukrainischen Präsidenten ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.