Parlamentskorrespondenz Nr. 383 vom 05.04.2023

Neu im Verfassungsausschuss

Regierungsparteien legen dreiteiliges Medienpaket vor, SPÖ pocht auf Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung

Wien (PK) – ÖVP und Grüne haben in der jüngsten Nationalratssitzung drei Gesetzesanträge zum Medienbereich eingebracht. Neben einer neuen Förderschiene zur Unterstützung von Qualitätsjournalismus schlagen sie verschärfte Transparenzregeln für Regierungsinserate und die weitgehende Umwandlung der Wiener Zeitung in ein Online-Medium vor. Die SPÖ pocht hingegen darauf, die Wiener Zeitung als Tageszeitung zu erhalten, und will zur Sicherstellung der Finanzierung einen kleinen Teil der geplanten Haushaltsabgabe für den ORF heranziehen.

Neue Förderschiene für Qualitätsjournalismus

Insgesamt wollen ÖVP und Grüne künftig 20 Mio. € pro Jahr für die Förderung von Qualitätsjournalismus bereitstellen. Die Kriterien und Rahmenbedingungen dafür sollen in einem eigenen Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz (3292/A) geregelt werden. Es handelt sich dabei allerdings nicht zu hundert Prozent um frisches Geld, da einzelne Bereiche – etwa die Anstellung von Auslandskorrespondent:innen oder qualitativ hochwertige Journalismus-Ausbildungen – schon jetzt nach dem Presseförderungsgesetz gefördert werden. In Summe werden laut Erläuterungen Förderungen im Ausmaß von 1,56 Mio. € in das neue Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz verschoben, während im Presseförderungsgesetz künftig nur noch die Vertriebsförderung für Tages- und Wochenzeitungen und die "Besondere Förderung für die regionale Vielfalt" für Tageszeitungen verbleiben.

Ein zentraler Punkt des neuen Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetzes ist, dass nicht nur Printmedien, sondern auch reine Online-Medien gefördert werden sollen, sofern sie mindestens 150.000 Unique-User pro Monat haben, der redaktionelle Anteil am Gesamtinhalt zumindest 65 % beträgt und mindestens drei hauptberuflich tätige Journalist:innen beim Medium beschäftigt sind. Zudem sind weitere Kriterien zu erfüllen, die auch für Tages- und Wochenzeitungen sowie für Magazine gelten. Dazu zählen etwa ein breites inhaltliches Informationsspektrum, das etwa Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Ethik, Sport sowie Wissenschaft und Forschung umfasst, überwiegend selbst gestaltete redaktionelle Beiträge (mindestens 60 %), die vorwiegende Verbreitung in Österreich und das Vorhandensein eines letztverantwortlichen Redakteurs bzw. einer letztverantwortlichen Redakteurin. Auch darf der Inhalt nicht nur von lokalem Interesse sein. Tageszeitungen müssen mindestens sechs hauptberuflich tätige Journalist:innen beschäftigen, Wochenzeitungen und Magazine mindestens zwei, um die vorgesehenen Förderungen zu erhalten. Grundsätzlich nicht förderwürdig sind Parteimedien und Nachrichtenagenturen.

Die Höhe der Grundförderung soll laut Entwurf von der Zahl der angestellten Journalist:innen abhängen, wobei bis zu 8.000 € pro Journalist:in und Jahr – bzw. 10.000 € für Auslandskorrespondent:innen – vorgesehen sind. Dazu kommen Bonuszahlungen von jeweils 10 % des Grundbetrags, wenn das geförderte Medium über ein Redaktionsstatut, ein Fehlermanagementsystem, ein Qualitätssicherungssystem bzw. über einen Frauenförderplan verfügt. Konkret legen ÖVP und Grüne in diesem Zusammenhang etwa auf verbindliche Richtlinien zur Richtigstellung von Falschmeldungen und zur Gewährleistung von Quellentransparenz Wert. Auch muss sichergestellt sein, dass Nachrichten auf ihre Herkunft und Wahrheit überprüft werden.

Für diese "Journalismus-Förderung" sieht der Gesetzentwurf ein Fördervolumen von insgesamt 15 Mio. € vor. Dazu kommen – unter dem Titel "Inhaltsvielfalts-Förderung" – 2,5 Mio. € für Medien, die zumindest 20 % ihrer redaktionellen Berichterstattung regionalen bzw. internationalen Themen (inklusive EU-Berichterstattung) widmen.

Um sicherzustellen, dass "demokratiefeindliche" Medien keine Förderungen erhalten, sind etwa Medien, die in der Vergangenheit wiederholt zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe aufgestachelt haben oder wegen bestimmter Delikte wie Verhetzung oder NS-Wiederbetätigung verurteilt wurden, von Förderungen ausdrücklich ausgeschlossen. Gleiches gilt für Medien, die u.a. Gewalt als Mittel der Politik befürworten oder "wiederholt zur allgemeinen Missachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet aufgefordert haben". Diese Kriterien kommen künftig auch bei der allgemeinen und der besonderen Presseförderung gemäß Presseförderungsgesetz zur Anwendung.

Für die Aus- und Weiterbildung von Journalist:innen wollen ÖVP und Grüne künftig Fördermittel in der Höhe von 1,5 Mio. € bereitstellen, wobei der Großteil der Mittel an nicht auf Gewinn ausgerichtete Aus- und Weiterbildungseinrichtungen gehen soll. Aber auch Online- und Printmedien selbst werden dem Entwurf zufolge – etwa zur Abdeckung von Ausbildungskosten für Redaktionsaspirant:innen – Zuschüsse beantragen können. Dazu kommen weiters 700.000 € zur Förderung von Medienkompetenz (etwa für Leseaktionen an Schulen), 250.000 € für Selbstkontrolleinrichtungen wie den Presserat und für Presseclubs sowie 50.000 € für Forschungsprojekte im Medienbereich.

Für die Vergabe der Fördermittel soll laut Gesetzentwurf die KommAustria zuständig sein. Zu ihrer Beratung wird ein fünfköpfiger Fachbeirat eingerichtet, dessen Mitglieder die Bundesregierung jeweils für die Dauer von drei Jahren ernennt. In Kraft treten soll das Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz, vorbehaltlich einer beihilfenrechtlichen Genehmigung durch die EU – am 1. Juli 2023.

Neues Geschäftsmodell für die "Wiener Zeitung"

Ebenfalls ab Mitte dieses Jahres soll das neue Geschäftsmodell für die "Wiener Zeitung" wirksam werden. Die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt soll künftig vorrangig als Online-Medium erscheinen. Zudem wollen ÖVP und Grüne die "Wiener Zeitung GmbH" mit einer Reihe weiterer Aufgaben betrauen, wie der Einrichtung und dem Betrieb einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform (EVI), der praxisnahen Ausbildung von Journalist:innen und der Aufbereitung von Content für staatliche Stellen und staatsnahe Unternehmen. Insgesamt sollen für das neue Geschäftsmodell Fördermittel in der Höhe von 16,5 Mio. € bereitgestellt werden, wobei 7,5 Mio. € auf die "Wiener Zeitung", 6 Mio. € auf die Journalist:innenausbildung (Media Hub Austria) und 3 Mio. € auf die Verlautbarungs- und Informationsplattform entfallen.

Bisher war die Herausgabe der "Wiener Zeitung" durch den Bund im Staatsdruckereigesetz geregelt. Nun soll diese Aufgabe der "Wiener Zeitung GmbH" übertragen werden. Detaillierte Bestimmungen dazu enthält ein neues Bundesgesetz, mit dem ÖVP und Grüne auch die weiteren Aufgaben der GmbH festschreiben wollen (3293/A). Gleichzeitig sollen das Staatsdruckereigesetz und das bisher für amtliche Veröffentlichungen maßgebliche Verlautbarungsgesetz außer Kraft treten.

Anlass für den Umbau ist das geplante Aus für das "Amtsblatt" der "Wiener Zeitung". So werden Unternehmen ab 1. Juli 2023 keine Bilanzen oder Jahresabschlüsse mehr im Blatt veröffentlichen müssen. Auch andere Pflichtveröffentlichungen sollen entfallen. Damit bricht ein Großteil der bisherigen Umsatzerlöse der Wiener Zeitung – 2022 waren es laut Erläuterungen 20,74 Mio. €, bei Gesamteinnahmen von 24,12 Mio. € – weg.

Allerdings werden die in rund 380 Bundesgesetzen verankerten Veröffentlichungs- bzw. Bekanntmachungspflichten nicht vollständig gestrichen. Die entsprechenden Informationen sollen vielmehr – kostenlos – über die EVI-Plattform zugänglich sein. Diese soll künftig als eine Art digitales "schwarzes Brett" des Bundes fungieren und neben den Amtsblatt-Inhalten nicht nur allerlei nützliche Informationen für Bürgerinnen und Bürger barrierefrei bereitstellen – etwa zur aktuellen Rechtslage und zu Serviceangeboten des Staates –, sondern auch den Zugang zu öffentlichen Registern wie beispielsweise dem Vereinsregister, dem Zentralen Melderegister und dem Patentregister erleichtern.

Auch die "Wiener Zeitung" selbst soll künftig vorrangig ein Online-Medium werden und als solches nicht nur über aktuelle (und zeitgeschichtliche) Ereignisse informieren, sondern auch das Interesse an politischen Sachverhalten, kulturellen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen fördern sowie demokratiepolitisches Bewusstsein stärken. "Nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel" ist zwar auch eine Printausgabe vorgesehen, Details dazu enthält das Gesetz jedoch nicht. Lediglich in den Erläuterungen ist von zumindest zehn jährlichen Printausgaben die Rede. Das neue Modell ist laut Gesetzentwurf spätestens bis Jahresende 2023 umzusetzen.

Beraten werden soll die Redaktion der "Wiener Zeitung" künftig durch einen fünfköpfigen wissenschaftlichen Beirat, deren Mitglieder vom jeweiligen Bundeskanzler bzw. von der jeweiligen Bundeskanzlerin für die Dauer von zwei Jahren zu bestellen sind. Eine einmalige Wiederbestellung ist möglich. Zudem ist ein neues Redaktionsstatut abzuschließen. Die Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs bzw. der Chefredakteurin des Mediums soll ausschließlich der Geschäftsführung der Wiener Zeitung GmbH obliegen.

Für die Förderung des journalistischen Nachwuchses wird laut Gesetzentwurf der sogenannte "Media Hub Austria" verantwortlich sein. Dieser soll ein zukunftsorientiertes Praxisprogramm für Journalistinnen und Journalisten anbieten, bei dem auch neue digitale Skills vermittelt werden, wobei nicht nur Praxisplätze in der Redaktion der Wiener Zeitung selbst, sondern auch in kooperierenden österreichischen Medienhäusern unterstützt werden können. Außerdem werden die Förderung von Gründerinnen und Gründern im Medienbereich sowie die Vermittlung von Medienkompetenz der Bürger:innen zu den Aufgaben des Media Hub Austria zählen.

Schon jetzt erbringt die Wiener Zeitung für den Bund Content-Leistungen, etwa für die Plattform oesterreich.gv.at (ehemaliges help.gv.at) und das Unternehmensserviceportal. Künftig soll diese Aufgabe die bei der Wiener Zeitung GmbH einzurichtende "Content Agentur Austria" übernehmen. Sie soll im Auftrag von Einrichtungen und Unternehmen des Bundes Informationen im öffentlichen Interesse aufbereiten und über unterschiedliche Kanäle verbreiten. Dabei geht es etwa um Informationen zur Rechtslage und Serviceangeboten des Staates, Handlungs- und Verhaltensempfehlungen oder die Erststellung von Magazinen.

Mehr Transparenz bei staatlichen Inseraten

Eingebracht haben ÖVP und Grüne schließlich eine Novelle zum Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz, die gemeinsam mit begleitenden Gesetzesänderungen für mehr Transparenz bei staatlichen Inseraten sorgen soll (3294/A). Staatliche Stellen und andere unter das Gesetz fallende Rechtsträger werden demnach künftig alle entgeltlichen Inserate und Einschaltungen an die KommAustria melden müssen. Die Bagatellgrenze von 5.000 € und die bisherige Beschränkung der Bekanntgabepflicht auf periodische Medien entfallen. Damit sind künftig etwa auch Beilagen zu Zeitungen, Plakate, Bücher, Schaukästen und Public Screens von der Meldepflicht umfasst. Außerdem werden auch die einzelnen Werbesujets zu veröffentlichen sein, wenn die Gesamtsumme der Aufträge pro Halbjahr den Betrag von 10.000 € überschreitet.

Bei größeren Werbekampagnen ab einem Auftragsvolumen von 150.000 € sieht der Gesetzentwurf weitere Informationen vor. So sollen unter anderem Inhalt, Laufzeit und Budget der Werbekampagne beschrieben und Zielgruppen definiert werden müssen. Zudem ist darzustellen, warum die Kampagne nötig ist und nach welchen Kriterien die Medienauswahl erfolgte. Übersteigt die Kampagne den Betrag von 1 Mio. € ist zusätzlich eine Wirkungsanalyse durchzuführen.

Um die betroffenen Rechtsträger und die KommAustria administrativ zu entlasten, schlagen ÖVP und Grüne vor, auf halbjährliche – statt quartalsweise – Meldeperioden umzustellen. Zudem sollen die meldepflichtigen Institutionen künftig vier – statt wie bisher zwei – Wochen Zeit für die Bekanntgabe der Daten haben. Leermeldungen sollen nicht mehr nötig sein. Dafür wird die KommAustria verpflichtet, die gemeldeten Daten übersichtlicher aufzubereiten. Außerdem wird die Bereitstellungsdauer der Daten zur Erhöhung der Transparenz von zwei auf zehn Jahre verlängert, wobei das konkret für Meldungen ab dem Jahr 2020 gelten wird.

Weitere geplante Änderungen betreffen mehr Transparenz bei Medienförderungen sowie die Ausweitung des für Inserate geltenden Sachinformationsgebots und des "Kopfverbots" auf weitere Rechtsträger. So soll es künftig etwa auch Gemeindeverbänden dezidiert untersagt sein, reine Imagewerbung zu machen. Zudem werden auch Plakate, Citylights und Flugblätter in das Sachinformationsgebot mit einbezogen. Verschärft werden schließlich auch die Strafdrohungen: Wer gegen das Gesetz verstößt, muss in Hinkunft mit einer Verwaltungsstrafe bis zu 50.000 € (derzeit 20.000 €) bzw. 100.000 € im Wiederholungsfall rechnen.

In Kraft treten soll das Gesetz Anfang 2024, wobei für Meldungen des vierten Quartals 2023 noch die alte Rechtslage gelten wird. Da das Gesetzesvorhaben auch Verfassungsbestimmungen betrifft, ist sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig.

SPÖ für Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung

Die SPÖ spricht sich in einem Entschließungsantrag (3299/A(E)) dafür aus, die Wiener Zeitung als Tageszeitung zu erhalten. In Anlehnung an eine Resolution der Blattredaktion regt Abgeordnete Sabine Schatz an, zu diesem Zweck eine Stiftung einzurichten und die nötigen 12 Mio. € für den Fortbestand des Print- und Onlineangebots durch eine Zweckwidmung eines kleinen Teils der geplanten Haushaltsabgabe für den ORF sicherzustellen. 25 Cent des monatlichen Beitrags würden demnach ausreichen. Begründet wird der Antrag von Schatz damit, dass die Wiener Zeitung qualitativ hochwertige Berichterstattung zu den wichtigsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignissen biete und maßgeblich zur Medienvielfalt in Österreich beitrage. (Schluss) gs