Parlamentskorrespondenz Nr. 397 vom 12.04.2023

Forschungsausschuss: Unternehmen erhalten Kostenersatz für verpflichtende Teilnahme am öffentlichen Warnsystem

Anträge der Opposition zu E-Fuels, Stärkung der Fachhochschulen, Verknüpfung von Registerdaten und Open-Source-Lösungen

Wien (PK) – Unternehmen im Bereich der Telekommunikation, die zur Teilnahme an der Umsetzung des geplanten öffentlichen Warnsystems verpflichtet sind, sollen einen Kostenersatz für unbedingt erforderliche Investitionen sowie für im Betrieb anfallende Aufwendungen beantragen können. Der Forschungsausschuss sprach sich heute einstimmig für eine entsprechende Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) aus, die von den Koalitionsparteien beantragt worden war. Der auf Seiten der Telekom-Unternehmen anfallende Aufwand wird auf rund 6,83 Mio. € geschätzt.

Im Falle von drohenden oder sich ausbreitenden größeren Notfällen und Katastrophen können Behörden Mobilfunkbetreiber künftig auffordern, den Endnutzern über textbasierte Nachrichten öffentliche Warnungen oder damit im Zusammenhang stehende Aufrufe zu übermitteln. Dafür brauche man weder Zugang zu einer App, zu SMS oder Messenger-Diensten, erläuterte Staatssekretär Florian Tursky, die Information erfolge über Push-Nachrichten.

Weiters auf der Agenda des Ausschusses standen eine Reihe von Anträgen der Oppositionsfraktionen, die ein weites Spektrum an Themen von der Forschungsförderung über Fragen der Digitalisierung und des Netzausbaus bis hin zur Entwicklung alternativer Kraftstofftechnologien abdeckten. Fast alle Initiativen wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.  

Unternehmen erhalten Kostenersatz für Teilnahme am öffentlichen Warnsystem

Durch den von den Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) und Süleyman Zorba (Grüne) vorgelegten Initiativantrag zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes, sollen all jene Unternehmen einen Kostenersatz erhalten, die zur Teilnahme an der Etablierung eines öffentlichen Warnsystems verpflichtet sind (3236/A). Förderfähig sollen demnach Anschaffungskosten, Einrichtungskosten, Netzanpassungskosten und Lizenzkosten sein.

Der Gesetzesvorschlag wurde in der Fassung eines Abänderungsantrags von ÖVP und Grünen, durch den auch die Finanzierung des laufenden Betriebs sichergestellt wird, einstimmig angenommen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die verpflichteten Unternehmen, soweit es technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, nach der Herstellung des Warnsystems auch dessen unterbrechungsfreien Betrieb und Verfügbarkeit laufend gewährleisten können. Gleichermaßen soll der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR), die im Fall von Warnungen von den jeweiligen Behörden unverzüglich zu informieren ist, die zusätzlich entstandenen Personal- und Sachaufwendungen ersetzt werden. Da außerdem Behörden der Länder am öffentlichen Warnsystem beteiligt sind, soll auch diesen im Fall der Bereitstellung von notwendigen Systemkomponenten für die Vernetzung mit den Mobilfunkbetreibern der zusätzliche Aufwand abgegolten werden.

Auf eine Frage der Abgeordneten Melanie Erasim (SPÖ) stellte Staatssekretär Florian Tursky fest, dass bei der Zustellung der Nachrichten keine Kosten für die Endnutzer:innen anfallen würden. Es würden alle jene Personen informiert, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Netz eingeloggt seien, also z.B. auch Tourist:innen.

FPÖ: Forschung zu erneuerbaren synthetischen Kraftstoffen und Brennstoffzellentechnologie unterstützen

FPÖ-Abgeordneter Gerhard Deimek weist darauf hin, dass immer mehr Länder und große Unternehmen auf synthetische und regenerative Kraftstoffe setzen. Die Herstellung so genannter E-Fuels mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen wäre laut Deimek auch CO2-neutral. Zur Erreichung der Klimaziele müssten diese Kraftstoffe daher verstärkt eingesetzt werden, ist der Abgeordnete überzeugt. Er fordert daher ein Förderprogramm zur Entwicklung von erneuerbaren Kraftstoffen in Österreich (2644/A(E)).

Kritisch sehen die FPÖ-Abgeordneten Erwin Angerer und Gerhard Deimek den Fokus der geplanten Energiewende auf die E-Mobilität. Sie argumentieren, "grüne Technologien" würden die Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus China stark erhöhen. Die Brennstoffzellentechnologie habe hingegen signifikant höhere europäische Wertschöpfungsanteile, weshalb diese Technologie schon aus rein ökonomischen und geopolitischen Überlegungen viel stärker forciert werden müsse, argumentieren die FPÖ-Abgeordneten. Sie fordern die notwendigen Mittel für ein Förderprogramm zur Forschung und Entwicklung von Brennstoffzellentechnologien ein und setzen sich generell für Technologieneutralität ein (3080/A(E)).

Österreich habe die Chance, im Bereich der Brennstoffzellentechnologie international aktiv zu sein, betonte Gerhard Deimek (FPÖ) in der Debatte. Er hält den Verbrennungsmotor an sich außerdem für einen "technologischen Vorreiter", der mit neuen Kraftstoffen neu aufgestellt werden könnte. Namhafte Persönlichkeiten hätten sich für Forschung in diesen beiden Bereichen ausgesprochen, warb Deimek für die Anträge seiner Fraktion.

ÖVP-Abgeordneter Joachim Schnabel hielt Deimek entgegen, dass im Bereich der Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie bereits viele Forschungsprogramme und -projekte in Österreich auf den Weg gebracht worden seien. Was das geplante Verbot von Verbrennungsmotoren betrifft, zeigte er sich über die vorgesehenen Ausnahmen für E-Fuels erfreut. Es werde aber noch eines deutlich besseren Wirkungsgrads von E-Fuels brauchen, damit diese wirtschaftlich werden, hob er hervor.

Es sei einfach eine physikalische Tatsache, dass die Produktion von E-Fuels mehr Strom verbrauche als man damit erzeugen könne, führte Helmut Brandstätter (NEOS) ins Treffen. Ähnlich argumentierte Clemens Stammler von den Grünen, der von einer "absurden Debatte" sprach. Auch beim Einsatz von Wasserstoff gebe es Probleme mit der Effizienz; er eigne sich nur für energieintensive industrielle Bereiche. 

Bundesministerin Leonore Gewessler appellierte für einen realistischen Zugang zum Thema E-Fuels, deren Einsatz prioritär nur im Flugverkehr und in der Schifffahrt Sinn mache. Im Bereich der Brennstoffzellentechnologie gebe es bereits eine Reihe von Programmen, wie z.B. im Rahmen der FFG, informierte sie.

Beide Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

NEOS: Overhead-Kosten bei Finanzierung von Forschungsprojekten stärker berücksichtigen

Die NEOS-Abgeordneten Martina Künsberg Sarre und Helmut Brandstätter sprechen sich für eine höhere Overhead-Finanzierung von Forschungsprojekten zur Stärkung der Grundlagenforschung aus. Bereits im Jahr 2019 habe der Wissenschaftsfonds FWF unter seinen fünf Empfehlungen zur Stärkung des Forschungslandes auch die Einführung für alle FWF-Programme genannt. International seien 25 % Overheads bereits weithin üblich, halten die NEOS-Abgeordneten fest. Sie fordern, eine angemessene Finanzierung von Gemein- bzw. Overhead-Kosten als Teil der Mindestinhalte von Finanzierungsvereinbarungen von Forschungsprojekten im Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG) zu verankern (3031/A(E)). SPÖ-Vertreterin Eva Maria Holzleitner unterstützte den – mehrheitlich vertagten - Antrag, weil davon ein wichtiges Signal an die Universitäten ausgehen würde.

Overhead-Kosten seien schon jetzt als Indikator in den Leistungsvereinbarungen enthalten, replizierte Abgeordnete Eva Blimlinger (Grüne), entsprechende Mittel würden daher direkt an die Universitäten gehen. Sie räumte jedoch ein, dass es im außeruniversitären Bereich noch ein Problem gebe; dafür soll aber eine Lösung gefunden werden.  Bundesminister Martin Polaschek fügte bezüglich der Berücksichtigung von Overhead-Kosten noch hinzu, dass allein im Jahr 2022 rund 70 Mio. € auf diesem Weg an die Universitäten geflossen seien.

NEOS fordern Zugang zu Registerdaten der Ministerien für die Forschung

In einem weiteren - mehrheitlich vertagten - Antrag der NEOS steht die Verknüpfung der Registerdaten im Fokus. Mit der Inbetriebnahme von Austria Micro Data Center (AMDC) im Jahr 2022 sei zwar der Zugang zu Mikrodaten für Wissenschaft und Forschung teilweise ermöglicht worden, das Datenangebot sei jedoch nach wie vor mangelhaft, kritisierte Martina Künsberg-Sarre (NEOS). Eine Novelle des Forschungsorganisationsgesetzes (FOG) ermögliche zwar grundsätzlich den Zugriff auf Registerdaten von Ministerien für die Forschung, doch würden für die meisten Ministerien die erforderlichen Verordnungen fehlen. Notwendig sei daher ein ambitionierter Zeitplan, um eine zeitnahe Verknüpfung der Registerdaten aller Ressorts mit dem AMDC zu gewährleisten (3188/A(E)). Auch Abgeordnete Eva Blimlinger von den Grünen bedauerte die zeitliche Verzögerung, in manchen Bereichen wie etwa dem Gesundheitssektor würden zudem noch Daten fehlen.

Bundesministerin Leonore Gewessler kündigte an, dass die Verknüpfung der Registerdaten in ihrem Ressort noch im heurigen Jahr umgesetzt werden soll.

SPÖ fordert einen dezidierten Fokus auf Open-Source-Lösungen

SPÖ-Abgeordnete Petra Oberrauner will von der Bundesregierung eine stärkere Fokussierung auf digitale Open-Source-Lösungen. Es sei problematisch, dass der Digitalisierungsprozess zum allergrößten Teil auf digitaler Technologie - Software und Hardware - basiere, die nicht in Europa, sondern von wenigen großen IT-Konzernen aus Asien und den USA entwickelt werden, meint die Abgeordnete. Sie fordert Maßnahmen zur Forcierung von Open-Source-Strategien in der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung (3068/A(E)). Notwendig ist laut Oberrauner eine Studie über die Abhängigkeit der österreichischen Bundesverwaltung von einzelnen Softwareunternehmen. Weiters fordert sie eine Open-Source-Strategie mit dem Ziel, den Anteil an Open-Source-Software in der Verwaltung von Kommunen, Ländern und des Bundes zu steigern und Fördermittel für Forschung und Entwicklung im Bereich Open-Source-Software und Open-Source-Hardware.

Staatssekretär Florian Tursky kam ebenso wie die Abgeordneten Süleyman Zorba (Grüne) und Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) auf das Grundlagenpapier zum Thema digitale Souveränität zu sprechen, das einen guten ersten Überblick gebe. Er skizzierte die wichtigen Handlungsfelder, die von den Datenräumen, den Betriebssystemen bis hin zur Produktion der Mikrochips reichen würden. Bei letzterem schneide Österreich im europäischen Vergleich sehr gut ab und liege an der vierten Stelle. Ein wichtiges Projekt sei etwa der European Health Dataspace, wo es um den europäischen Austausch von Gesundheitsdaten gehe. Tursky pflichtete Abgeordneter Petra Oberrauner (SPÖ) bei, dass ein großes Augenmerk auf den Einsatz von Software im Bildungswesen gelegt werden müsse, da auf diese Weise frühe Abhängigkeiten von großen Konzernen entstehen könnten. Es soll daher eine Open-Source-Plattform sowie ein Zertifizierungsverfahren für diese Programme entwickelt werden.

Der Antrag wurde mit ÖVP-Grünen-Mehrheit vertagt.

SPÖ fordert stabile Förderung der angewandten Forschung an Fachhochschulen

Die SPÖ-Abgeordneten Petra Oberrauner und Andrea Kuntzl vermissen in dem von Bundesminister Martin Polaschek vorgestellten Entwurf des Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplans 2023/24 – 2025/26 eine nachhaltige und langfristig gesicherte Forschungsfinanzierung. Die derzeitige, vor allem projektbezogene Form der Forschungsfinanzierung, die starken Schwankungen unterliege, erlaube es den Fachhochschulen nicht, auf Dauer ein attraktives Umfeld für die angewandte Forschung zu bieten, argumentieren die SPÖ-Abgeordneten. Es müssten dringend die gesetzlichen Grundlagen für eine stabile und nachhaltige Forschungsfinanzierung an den Fachhochschulen erarbeitet werden (3260/A(E)). Petra Oberrauner (SPÖ) konnte nicht nachvollziehen, warum die Fachhochschulen noch immer als "Stiefkind" behandelt würden, zumal deren "Return of Investment" angesichts des Fachkräftemangels ein sehr hoher wäre.

Für Eva Blimlinger (Grüne) würden die Fachhochschulen sehr wohl "auf Augenhöhe" behandelt, erst kürzlich habe man eine Sonderdotierung in der Höhe von 14 Mio. € für den Forschungsbereich beschlossen. Ein eigenes Doktoratsprogramm für den Fachhochschulsektor werde es aber auch in Zukunft nicht geben.

Es handle sich bei den Fachhochschulen und den Universitäten um zwei unterschiedliche Sektoren, bekräftigte auch Bundesminister Martin Polaschek. Man habe sich bei der Einführung der FH bewusst dafür entschieden, dass die Republik Österreich Studienplätze aus diesem Bereich zukaufe. Im Gegenzug würden für die Fachhochschulen andere Regeln gelten, informierte der Minister, diese hätten etwa ein "extrem hartes Studienrecht". Zur aktuellen Situation an den Fachhochschulen teilte Polaschek mit, dass über 3.000 Plätze nicht besetzt werden könnten. 

Der Antrag wurde mehrheitlich vertagt.

SPÖ will stärkere Förderung von Nachwuchsforscher:innen aus Ländern des globalen Südens

Die SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits ist der Auffassung, dass die Fördermaßnahmen für ausländische Nachwuchsforscher:innen zu eurozentrisch ausgelegt sind. Damit verliere man das innovative Potenzial aus "weniger entwickelten" Ländern des globalen Südens. Sie forderte eine Strategie, um gezielt mehr Nachwuchsforscher:innen aus Ländern des globalen Südens für österreichische Forschungseinrichtungen zu gewinnen und die Kriterien der Forschungsförderung sowie von Mobilitätsprogrammen daran anzupassen (2883/A(E)). Der Antrag wurde mehrheitlich vertagt.

Abgeordnete Eva Blimlinger (Grüne) wies auf bestehende Stipendienprogramme und Förderungen für Forschungsprojekte hin. Als Beispiel führte sie – ebenso wie Abgeordneter Josef Smolle (ÖVP) - die Zusammenarbeit im Rahmen von Afrika-Uninet an, wo 68 Hochschulen eingebunden seien. Ein Problem bestehe darin, dass nicht so viele Doktorats- und Masterstudien in Englisch angeboten würden.

SPÖ: Kursangebot für digitale Medienkompetenz schaffen und mehr Mittel für Breitbandausbau und offene Netze

Aus Sicht der SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowits, Petra Oberrauner und Petra Tanzler stellen die fortschreitende Digitalisierung des Medienangebots Nutzer:innen vor neue Herausforderungen. Sie erneuern in einem Entschließungsantrag ihre Forderung nach einem flächendeckenden, niederschwelligen und barrierefreien Kursangebot zum Thema "Digitale Medienkompetenz"  (2832/A(E)). Ziel des Angebots müsse es sein, jedes Jahr ein Prozent der Bevölkerung zum Thema Medienkompetenz zu schulen. Da die Vorgabe von einem Prozent schon jetzt überschritten sei, stellte Süleyman Zorba (Grünen) einen Vertagungsantrag, der mehrheitlich angenommen wurde.

Abgelehnt wurde hingegen ein weiterer Entschließungsantrag der SPÖ, in dem mehr Mittel für den Breitbandausbau und ein Förderfokus auf offene Glasfasernetze der öffentlichen Hand gefordert wurden (3067/A(E)). Dabei seien auch ausreichend Fördermittel für die Verlegung bis zum Haus vorzusehen und es müsse sichergestellt werden, dass ein flächendeckender Zugang für die Bevölkerung jeder Region noch vor dem Jahr 2030 möglich wird, betonen die SPÖ-Abgeordneten. 

Die Vertreter:innen von ÖVP und Grünen verwiesen ebenso wie Staatssekretär Tursky auf die umfangreichen Mittel, die bereits jetzt für den Breitbandausbau bereitgestellt würden. Neben der Privatwirtschaft, die über 6 Mrd. € in die Hand nehme, schütte der Bund rund 1,8 Mrd. € aus, um die bestehenden Lücken in der Versorgung zu schließen. (Schluss Forschungsausschuss) sue