Parlamentskorrespondenz Nr. 445 vom 24.04.2023
Bedarf an Zivildienern konnte 2022 zu fast 90 % gedeckt werden
Wien (PK) – Im Jahr 2022 wurden 14.370 Zivildiener einer Zivildiensteinrichtung zugewiesen. Das sind etwas mehr als die Jahre davor (2021: 14.154, 2020: 14.093). Damit konnte der von den Einrichtungen gemeldete Bedarf im Durchschnitt zu 87,7 % abgedeckt werden. Das geht aus dem Zivildienstbericht für die Jahre 2020 bis 2022 hervor, den Bundeskanzler Karl Nehammer vor Kurzem dem Nationalrat vorgelegt hat (III-920 d.B.). Die Zahl der Zivildiener stieg damit nach einem vorübergehenden – insbesondere demographisch bedingten – Rückgang wieder leicht an. Abgegeben wurden 2022 16.380 Zivildiensterklärungen, in 15.932 Fällen wurde eine Zivildienstpflicht festgestellt.
Der größte Teil der Zivildienstleistenden war 2022 erneut im Rettungswesen eingesetzt (39,5 %), gefolgt von der Sozial- und Behindertenhilfe (26,8 %) und der Altenbetreuung (12,2 %). Zu den weiteren Einsatzgebieten zählen u.a. Krankenanstalten, Katastrophenhilfe und Zivilschutz, Kinderbetreuung, inländische Gedenkstätten, Betreuung von Asylwerber:innen und Menschen in Schubhaft, Jugendarbeit sowie Sicherheit im Straßenverkehr. Insgesamt gab es zuletzt 1.530 anerkannte Zivildiensteinrichtungen.
Von den in den Jahren 2021 und 2022 als teiltauglich eingestuften Wehrpflichtigen haben sich laut Bericht rund 500 für den Zivildienst gemeldet. Von diesen traten im selben Zeitraum 191 Personen den Zivildienst bei insgesamt 124 Einrichtungen an. Die übrigen sind für künftige Termine – etwa nach Abschluss ihrer Ausbildung – vorgemerkt.
Schlichtungs- und Strafverfahren
Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu überprüfen, führen die Länder Kontrollen in den Zivildiensteinrichtungen durch. Dabei kommt es auch immer wieder zu Beanstandungen, wie aus den einzelnen Länderberichten hervorgeht. So berichtet das Burgenland etwa, dass Zivildienstleistende in einer Einrichtung zu Malerarbeiten herangezogen worden seien. Auch in anderen Bundesländern wurden gelegentlich Verstöße gegen eine angemessene Beschäftigung registriert. Weitere Unzulänglichkeiten betrafen etwa Diensteinteilungen, eine mangelhafte Beaufsichtigung der Zivildiener und fehlende Aufzeichnungen, wobei die Zahl der wesentlichen Beanstandungen im Berichtszeitraum insgesamt äußerst niedrig war. Nur Tirol sticht mit 42 gemeldeten Fällen hervor, was aber hauptsächlich am unterschiedlichen Aufbau der einzelnen Länderberichte liegen dürfte.
Deutlich größer ist die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren, welche vorrangig die Zivildiener selbst betreffen. Sie reicht von drei im Burgendland bis 949 in Niederösterreich. Anlass dafür waren unter anderem ungerechtfertigtes Fernbleiben vom Dienst, notorische Unpünktlichkeit, das Nichtbefolgen von Weisungen und andere Dienstpflichtverletzungen. Ebenso führten Ungereimtheiten bei Krankenstandsmeldungen zu Strafverfahren. Die Zivildiensteinrichtungen haben auch die Möglichkeit, Krankenstandsüberprüfungen zu veranlassen, wobei die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit stark schwankt. So meldete Wien etwa null diesbezügliche Überprüfungen im Berichtszeitraum, Niederösterreich hingegen 56.
Formelle Schlichtungsverfahren zwischen Zivildienern und Zivildiensteinrichtungen gab es – abseits von Wien – nur wenige. Wie Oberösterreich und die Steiermark berichten, habe man des Öfteren aber "mediatorisch" zwischen Vorgesetzten und Zivildienern vermittelt. In Wien wurden in den drei Berichtsjahren insgesamt 38 Schlichtungsverfahren durchgeführt: Sie betrafen etwa den Einsatzbereich der Zivildiener, die Erstellung und Änderung von Dienstplänen, den Umgang von Vorgesetzten mit Zivildienern sowie Unstimmigkeiten hinsichtlich der Verpflegungsbemessung und von finanziellen Ansprüchen. Alle Schlichtungsverfahren wurden zufriedenstellend gelöst.
In 1.313 Fällen mussten laut Bericht an Zivildiener geleistete Zahlungen wieder zurückgefordert werden, etwa weil der Zivildienst unterbrochen wurde, es zu einer vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst kam oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine Wohnkostenbeihilfe wegfielen. 82.086 € dieser Forderungen waren Ende 2022 – also am Ende des dreijährigen Berichtszeitraums – noch offen. Dazu kommen 29.849 € aus vorangegangenen Jahren. In allen Fällen seien rechtliche Schritte eingeleitet worden, um eine Verjährung der Forderungen zu vermeiden, heißt es im Bericht.
Für Empfehlungen an das für Zivildienst zuständige Regierungsmitglied gab es laut unabhängigem Beirat für Zivildienstbeschwerdeangelegenheiten keinen Anlass. Es haben sich zwar in allen drei Berichtsjahren einzelne Zivildiener und außenstehende Personen an den Beirat gewendet, in keinem Fall lagen aber die Voraussetzungen zur Beschwerdeführung vor, wird im Bericht ausgeführt. Insbesondere hatten es die Betroffenen verabsäumt, sich zuvor an die Schlichtungsstelle des jeweiligen Bundeslandes zu wenden. Auch bei der Volksanwaltschaft wurde 2020 bis 2022 kein formales Beschwerdeverfahren in Zivildienstangelegenheiten geführt.
COVID-19-Pandemie sorgt für erstmalige Ausrufung des außerordentlichen Zivildienstes
Eine Besonderheit im Jahr 2020 war, dass erstmalig seit dem 45-jährigen Bestehen des Zivildienstes in Österreich der außerordentliche Zivildienst ausgerufen wurde. Auslöser dafür war die COVID-19-Pandemie. Nur zwei Wochen nach der Ausrufung, am 1. April, traten die ersten Zivildienstpflichtigen den außerordentlichen Zivildienst an.
Insgesamt leisteten zwischen April und Juli 2020 rund 4.500 Zivildienstleistende einen außerordentlichen Zivildienst. Davon waren 3.058 Personen ehemalige Zivildiener, die sich freiwillig gemeldet hatten. Zusätzlich wurden 1.440 Zivildienstleistende, deren ordentlicher Zivildienst Ende März geendet hätte, mit 1. April 2020 für drei Monate zum außerordentlichen Zivildienst zugewiesen. Eingesetzt wurden die Betroffenen insbesondere im Rettungswesen, in der Sozial- und Behindertenhilfe, in der Altenbetreuung, in Krankenanstalten, im Zivilschutz, in der Krankenbetreuung und in der Gesundheitsvorsorge. Gleichzeitig wurden Zivildiener, die in aufgrund der Corona-Pandemie vorläufig geschlossenen Einrichtungen tätig waren, zu Einrichtungen in diesen Sparten versetzt. Ende Juli 2020 wurde der außerordentliche Zivildienst beendet.
Plakolm: Zivildienst ist Türöffner für ehrenamtliches Engagement
Die außerordentlichen Zivildienstleistenden hätten dazu beigetragen, wichtige Leistungen im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich aufrechtzuerhalten, das Personal zu entlasten und die Lebensqualität der Klient:innen zu verbessern, wird im Bericht festgehalten. Das betont auch die für den Zivildienst zuständige Staatssekretärin Claudia Plakolm. Der Zivildienst sei ein unverzichtbarer Teil des österreichischen Sozial- und Gesundheitssystems, bekräftigt sie im Vorwort des Berichts. Plakolm weist überdies darauf hin, dass der Zivildienst auch ein Türöffner für ehrenamtliches Engagement ist und in einigen Fällen sogar die Berufswahl junger Männer beeinflusst.
Was zuletzt beschlossene gesetzliche Maßnahmen betrifft, wird im Bericht unter anderem auf die deutliche Erhöhung der Grundvergütung für Zivildiener und die Bereitstellung des Klimatickets für Zivildiener verwiesen. Zudem informiert der Bericht über die Angebote der Zivildienstagentur und die finanzielle Gebarung des Zivildienstes. 2022 wurden demnach 54,97 Mio. € für den Zivildienst ausgegeben und 3,89 Mio. € eingenommen. (Schluss) gs