Parlamentskorrespondenz Nr. 453 vom 27.04.2023

Nationalrat: Aktuelle Stunde zum Thema Gesundheitsversorgung

SPÖ pocht auf Maßnahmen gegen "Krise in den Spitälern und bei Ärzt:innen"

Wien (PK) – Die SPÖ sieht die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung in Gefahr und warf daher dieses Thema in der heutigen Aktuellen Stunde im Nationalrat auf. Die Kritik richteten die Sozialdemokrat:innen an Bundeskanzler Karl Nehammer, dessen Vertretung in der Sitzung Vizekanzler Werner Kogler übernahm. Im Fokus der SPÖ stand vor allem eine "Krise in den Spitälern und bei Ärzt:innen" aufgrund eines aus ihrer Sicht tiefgreifenden Personalmangels. Gefordert wurden von ihr aber etwa auch eine dringende Verstärkung der Primärversorgungszentren, bessere Arbeitsbedingungen im Pflegebereich, mehr Kassenverträge und eine Verdopplung der Medizinstudienplätze. 

Zu Beginn der Sitzung wurde Maximilian Linder (FPÖ) zum Nationalratsabgeordneten angelobt, nachdem Erwin Angerer (FPÖ) in den Kärntner Landtag wechselte und sein Nationalratsmandat zurückgelegt hat.

Vor der heutigen Nationalratssitzung gab der Hauptausschuss außerdem sein Einvernehmen für drei Verordnungen der Justizministerin.

SPÖ drängt auf Maßnahmen im Gesundheitsbereich

Auf "erschreckende Aussagen" von Ärzt:innen wies Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hin, die ebenso wie Spitäler aufgrund des fehlenden Personals im Gesundheitsbereich Alarm schlagen würden. Immer mehr Stationen und Notaufnahmen würden geschlossen, zudem würde bald eine Pensionierungswelle schlagend, warnte sie. Die versprochene Patientenmilliarde habe "in Wahrheit ein Milliardenloch" in das Gesundheitssystem gerissen, kritisierte Rendi-Wagner. Ähnlich wie Verena Nussbaum (SPÖ) und Rudolf Silvan (SPÖ) pochte sie auf drängende konkrete Maßnahmen, wie etwa den Personalmangel im Gesundheitsbereich zu bekämpfen. Ihre Forderungen zielten unter anderem auf bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich, mehr Kassenverträge für Ärzt:innen, eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze sowie auf eine Stärkung der ambulanten Versorgung wie der Primärversorgungszentren ab.

Kogler: Gemeinsam strukturelle Barrieren überwinden

Vizekanzler Werner Kogler gab Rendi-Wagner insofern recht, als dass die Herausforderungen im Gesundheits- und Pflegesystem schwieriger würden und bekannt seien. Es gelte hier, an mehreren Stellschrauben zu drehen, um vorwärts zu kommen und gemeinsam strukturelle Barrieren zu überwinden. Gesundheitsminister Johannes Rauch versuche jedenfalls, transparente Finanzausgleichsverhandlungen unter Mitwirkung aller Player zu führen. Bedingt durch die Struktur des Gesundheitssystems gebe es in der Gesundheitspolitik von der Ärztekammer über die Länder auch eine Reihe weiterer Player, so Kogler.

Grundsätzlich habe Österreich ein gut funktionierendes Gesundheitssystem über dem OECD-Schnitt, so Kogler. Klar sei aber auch, dass es eine Entlastung etwa im stationären Bereich brauche. Daher sei eine Stärkung und ein Ausbau der Primärversorgungszentren ein Anliegen, was jetzt in beschleunigtem Maße auch passiere. Thema bei den Finanzausgleichsverhandlungen sei unter anderem auch, die Pflegeeinrichtungen zu stärken, um damit die Spitäler zu entlasten. Aus Sicht des Vizekanzlers müssen alle medizinischen Berufe attraktiver werden; zudem werde es in dem Bereich für Kräfte aus dem Ausland eine "Willkommenskultur" brauchen.

Debatte um verteilte Kompetenzen und Maßnahmen

Im Rahmen der verteilten Kompetenzen im Gesundheitsbereich helfe die Bundesregierung, wo sie könne, meinte Josef Smolle seitens der ÖVP. So sei der Bund etwa bei der Zuzahlung bei den Gehältern in der Pflege "in Vorleistung gegangen". Es gebe in Österreich ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem, so Smolle. Der Personalstand sei sowohl in den Spitälern, als auch in der Pflege gestiegen. Dennoch gelte es, sich den Problemen zu stellen. Er wies unter anderem auf Maßnahmen wie das Pflegestipendium hin. Auch der Ausbau der Medizinstudienplätze laufe bereits an, ebenso wie die Attraktivierung der betreffenden Berufe sowie der Ausbau der Primärversorgungszentren. Zu den Finanzausgleichsverhandlungen sei er optimistisch, so Smolle, hier würden die Gespräche mit allen Stakeholdern vorangebracht. Auch Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) sagte, dass es Verbesserungen brauche. So sprach sie sich etwa für bessere Kassenverträge vor allem im Hinblick auf den ländlichen Raum, aber auch für psychotherapeutische Versorgung als Kassenleistung aus. Bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich würden alle eingebunden, man sei auf einem guten Weg.

Ähnlich wie Scheucher-Pichler wies Ralph Schallmeiner (Grüne) auf die Verantwortung auf Ebene der Bundesländer hin, etwa was gesperrte Spitalsbetten in Wien betreffe. Die Bundesregierung übernehme sehr wohl Verantwortung, indem sie Strukturreformen angehe. Zur Forderung einer Verdopplung der Studienplätze wandte er ein, dass es dann auch noch die Facharztausbildung brauche, wo wiederum die Verantwortung, die Plätze zu besetzen, bei den Bundesländern liege. Bedrana Ribo (Grüne) unterstrich, dass bereits massiv in die Pflegeausbildung investiert worden sei. Sie selbst sei zwar kein Fan der "Pflegelehre", die nun präsentiert worden sei, aber es gelte, alle Ausbildungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Was die benötigten Pflegekräfte aus dem Ausland betrifft, werde die Rot-Weiß-Rot–Karte für Verbesserungen sorgen. Wichtige Säulen in der Pflege stellen ihr zufolge auch Community Nurses sowie pflegende Angehörige dar. Insgesamt müssen aus ihrer Sicht sowohl der Bund, aber auch die Bundesländer und alle Parteien Verantwortung im Gesundheitsbereich übernehmen.

Gerhard Kaniak (FPÖ) bezeichnete es als erschütternd, wie die Bundesregierung mit Arzneimittelmangel, gesperrten Abteilungen in Spitälern und ewigen Wartezeiten auf Terminen umgehe. Die Corona-Maßnahmen sowie die Untätigkeit der Bundesregierung habe die Situation nun eskalieren lassen. Kaniak nannte eine Reihe von Oppositionsvorschlägen, die allesamt "in Bausch und Bogen" vertagt worden seien, etwa zur Stärkung im niedergelassenen Bereich, zur Arzneimittelversorgung oder zur Pflege. Auch zum Personalmangel gebe es Vorschläge, die er vorgestellt habe, so Kaniak. Gerald Hauser (FPÖ) sieht das Gesundheitssystem "lichterloh brennen", die Situation spitze sich weiter zu. Auch er warf der Bundesregierung eine vollkommen falsche Corona-Politik vor und forderte etwa, das für Impfungen vorgesehene Geld umzuwidmen.

Auch Fiona Fiedler (NEOS) sieht Ärzt:innen, Pfleger:innen und das gesamte medizinische Personal am Limit. Warum genau dieses Thema von der SPÖ komme, erschließe sich ihr aber insofern nicht, als es die Probleme schon vor Corona bzw. vor dieser Bundesregierung gegeben habe. Eine Studienplatzverdopplung werde das Problem nicht lösen, vielmehr gebe es ein Verteilungsproblem und daher kein quantitatives, sondern ein qualitatives Thema. Es brauche strukturelle Veränderungen und Sicherheit für Patient:innen, so Fiedler, die auch dringenden Handlungsbedarf zur Psychotherapie auf Kassenkosten ortet. Auch aus Sicht von Gerald Loacker (NEOS) kommt das Geld nicht bei den Patient:innen an, sondern "versickere" in den Strukturen.

Hauptausschuss: Anhebung der Zuschläge für Notar:innen und Rechtsanwält:innen

Einstimmig gab der Hauptausschuss vor Beginn der Nationalratssitzung sein Einvernehmen für zwei Verordnungen der Justizministerin über die Festsetzung eines Zuschlags zu den im Notariatstarifgesetz (226/HA) bzw. im Gerichtskommissionstarifgesetz (227/HA) angeführten festen Gebührenbeträgen.

Damit die Entlohnung von Notar:innen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht, wird ein Zuschlag von 30 % bzw. 33 % zu den im Notariatstarifgesetz angeführten festen Gebührenbeträgen und von 30 % zu den im Gerichtskommissionstarifgesetz angeführten festen Gebührenbeträgen festgelegt. Die bisher geltenden Zuschläge von 20 % waren im Jahr 2010 in Kraft getreten. Seitdem haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich verändert, wird die Anhebung begründet. Beide Verordnungen treten mit 1. Mai 2023 in Kraft.

Auch der Zuschlag zu den im Rechtsanwaltstarifgesetz angeführten festen Beträgen wird erhöht, um die Entlohnung von Rechtsanwält:innen an die aktuelle wirtschaftliche Lage anzupassen. Die entsprechende Verordnung der Justizministerin (225/HA) hat der Hauptausschuss ebenfalls einhellig gebilligt. Ab 1. Mai 2023 wird der Zuschlag 20 % betragen.

SPÖ und NEOS stimmten den Verordnungen zu, bemängelten allerdings, dass die Anhebungen viel zu lange gedauert hätten, was für den Rechtsstaat problematisch sei.

Auch laut Justizministerin Alma Zadić sind die Anhebungen höchst an der Zeit. Aktuell arbeite man an einer Anpassung für die Gruppe der Sachverständigen. Die letzte Anhebung liege hier rund 15 Jahre zurück. (Fortsetzung Nationalrat) mbu/keg

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.