Parlamentskorrespondenz Nr. 500 vom 09.05.2023

Hearing im Finanzausschuss: Breiter Konsens zu Nachschärfung der Annahmeverpflichtungen von Bargeld

Brunner: Österreich setzt sich auf EU-Ebene für Erhalt des Bargelds ein

Wien (PK) – Der Finanzausschuss hielt zum Volksbegehren "Für uneingeschränkte Bargeldzahlung", das von 530.938 Menschen unterschrieben worden ist, ein öffentliches Expert:innen-Hearing ab. Darin wurde mit den Experten bzw. Expertinnen Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation, Friedrich Schneider (em. Professor der Johannes-Kepler-Universität Linz), Matthias Schroth von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Brigitte Unger (Universität Utrecht sowie OeNB-Generalrätin) und Gabriele Zgubic von der Arbeiterkammer Wien über die Forderung, Bargeldzahlungen verfassungsgesetzlich zu verankern beraten. Ziel des Volksbegehrens ist der Erhalt der Bargeldzahlung, und zwar, wie die Initiator:innen fordern, "ohne Beschränkung" (1794 d.B.).

In den Antworten der Expert:innen auf die Fragen der Abgeordneten kam zum Ausdruck, dass die Möglichkeit, mit Bargeld zu zahlen, für die Österreicher:innen von großer Bedeutung ist. Hervorgehoben wurde unter anderem, dass keine aktuelle Rechtslage für eine Annahmeverpflichtung von Bargeld besteht. Die Expert:innen sprachen sich dafür aus, die Regelungen in diesem Bereich neu zu denken. Ein Ausschussantrag der FPÖ zum Schutz des Bargeld blieb in der Minderheit.

Finanzminister Magnus Brunner betonte, dass grundsätzlich die Wahlfreiheit in allen Lebensbereichen erhalten werden müsse. Das gelte auch für den Zahlungsverkehr. Aus seiner Sicht müsse daher Bargeld jedenfalls als gesetzliches Zahlungsmittel erhalten bleiben. Daher gebühre den Initiator:innen des Volksbegehrens Dank für ihre Initiative zu diesem wichtigen Thema. Österreich bekenne sich klar zum Erhalt des Bargelds und setze sich dafür auch auf EU-Ebene ein. Nicht alle EU-Mitgliedsstaaten würden diese klare Haltung teilen, stellte der Finanzminister fest. Gewisse Herausforderungen sah Brunner bei der Festlegung von Annahmeverpflichtungen. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass gesetzliche Ausnahmeregelungen für die Problemfälle, die seitens der Abgeordneten angesprochen wurden, möglich sein werden.

ÖVP: Bargeld liefere Planungssicherheit und persönliche Freiheit

Peter Haubner (ÖVP) bekannte sich zum Bargeld als persönliche Freiheit. Es liefere Planungssicherheit und Kinder lernen damit den Umgang mit Geld, betonte er. Wichtig sei das Bargeld auch in sozial schwächeren Schichten, so Haubner. Für ÖVP-Abgeordnete Angela Baumgartner besteht ein grundlegendes Bedürfnis der Bevölkerung, die Möglichkeit zur Barzahlung zu erhalten.

SPÖ: Annahmepflicht von Bargeld nicht gesichert

Kai Jan Krainer (SPÖ) interessierte sich für die Sicherstellung der Bargeldversorgung ebenso wie für Geldwäsche und Datenschutz. Bargeldlose Zahlungen dürfen nicht zu gläsernen Menschen führen, unterstrich er. Zur Annahmeverpflichtung von Bargeld hielt er fest, dass dies nur bedingt rechtlich verankert sei. In der Praxis gebe es nachvollziehbare Einschränkungen, beispielsweise bei den Taxis. Obwohl Krainer Verständnis für bestimmte Bereiche zeigte, sprach er sich in anderen Bereichen für eine stärkere Annahmepflicht aus. "Niemand will einem Sechsjährigen eine Kreditkarte in die Hand drücken", sprach sich Krainer für den Erhalt von Bargeld aus.

Christoph Matznetter (SPÖ) wies darauf hin, dass es Personengruppen gebe, die auf Bargeld angewiesen seien. Das Notenbankgesetz sehe zwar die Annahmepflicht für Bargeld vor, aber trotzdem sei diese nicht immer gesichert. Probleme gebe es oft mit größeren Banknoten oder auch mit Kleinstbeträgen. Hier sei die Frage, wie gesetzlich nachgeschärft werden könnte. Auch die Wiedereinführung einer Buchung von Beträgen auf eine Bankomatkarte, um so kleinere Beträge anonym bezahlen zu können, sei überlegenswert.

FPÖ für Schutz des Bargelds und uneingeschränkte Bargeldzahlung

Mittels Ausschussantrag machte sich die FPÖ für den Schutz des Bargelds und die uneingeschränkte Bargeldzahlung stark. Darin forderten die FPÖ-Mandatare den Bestand der Cent- und Euro-Bargeldmünzen zu erhalten. Im Zuge der Abschaffung von Cent-Bargeldmünzen dürfe keine Aufrundung von Preisen erfolgen, so der weitere Appell. Es bestehe Einigkeit zum Erhalt des Bargelds, unterstrich Hubert Fuchs. Von Finanzminister Brunner forderte Fuchs das Bekenntnis zum Erhalt des Bargelds auch auf rechtlicher Ebene. Die Rechtslage zum Annahmezwang sei "weitgehend unklar", so Fuchs, der sich für eine Nachschärfung stark machte.

Auch Fraktionskollege Peter Wurm forderte gesetzliche Regelungen. Er sah genug Fakten auf dem Tisch, die gegen eine Abschaffung von Bargeld sprechen. Der oft behauptete enge Zusammenhang von Bargeld und organisierter Kriminalität bzw. Korruption sei aus seiner Sicht nicht nachweisbar. Derzeit sei jedenfalls ein "Umerziehungsprozess der Bevölkerung" in Richtung bargeldloser Zahlung zu bemerken. Für Wurm ist wichtig, einen Kontrahierungszwang zu schaffen, eine Verpflichtung zur Annahme von Bargeld. Diese könnte aus seiner Sicht auch einfach gesetzlich geregelt werden. Grundsätzlich werde die FPÖ daher weiter auf gesetzlichen Regelungen beharren. Fraktionskollege Gerhard Kaniak wies darauf hin, dass es aus Gründen der Krisenvorsorge sinnvoll sei, die Infrastruktur für Bargeldzahlung nicht abzubauen.

Grüne bekennen sich zu Obergrenzen

Nina Tomaselli (Grüne) bekannte sich zu Obergrenzen, sprach sich aber für die Wahlfreiheit des Zahlungsmittels aus. Obwohl der digitale Zahlungsverkehr während der Pandemie gestiegen sei, führe dies nicht zu einer Schwächung des Bargelds, betonte Tomaselli. Elektronische Zahlungsmittel seien praktisch, aber nicht für alle Menschen geeignet. "Es gibt keine Diskussion über die Abschaffung des Bargelds", unterstrich Tomaselli und war überzeugt, Bargeld wird nicht abgelöst, es wird durch weitere Zahlungsmethoden ergänzt. In 18 EU-Mitgliedstaaten gebe es bereits Bargeld-Obergrenzen, erörterte sie.

Ulrike Fischer (Grüne) machte auf Personengruppen aufmerksam, die über kein Konto bzw. keine Bank- oder Kreditkarte verfügen. Insbesondere vulnerable Gruppen stelle der Zwang zu digitaler Bezahlung vor große Probleme. Die Frage sei, welche gesetzlichen Regelungen benötigt werden, etwa für die Annahmepflicht von Bargeld, aber auch für den Zugang zu Bankomaten.

NEOS gegen Bargeld-Obergrenzen

Die NEOS können die Bedenken und Sorgen des Volksbegehrens nachvollziehen, unterstrich Karin Doppelbauer. Im Gegensatz zur FPÖ wollen die NEOS die Sicherung des Bargeld jedoch nicht im Verfassungsrang absichern. Da Bargeld ein wesentlicher Ausdruck der Freiheit ist, sind die NEOS gegen Bargeld-Obergrenzen. Damit würde "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", warnte sie. NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker fand es bedenklich, dass digitale Zahlungsmittel erlauben, das Handeln von Menschen in allen Lebensbereichen nachzuverfolgen. Wenn man die Struktur für Bargeldzahlungen erhalten wolle, müsse man auch andere Bereiche im Auge behalten, etwa die Ladenschlusszeiten, die in Österreich sehr streng seien, oder die Frage, wie man die administrativen Kosten für Bargeld gering halten könne.

Lausecker für Annahmeverpflichtung mit Ausnahmen

Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation sprach sich für eine Annahmeverpflichtung der Unternehmen mit Ausnahmen aus. Die vermehrte Gründung von bargeldlosen Filialen führe zu einem Dominoeffekt, warnte er, da Unternehmen damit Personalkosten sparen. Er befürchtete auch ein "Schröpfen" der österreichischen Verbraucher:innen durch amerikanische Kartenunternehmen. Die Unternehmen Visa und Mastercard würden durch Kampfpreise versuchen, Anbieter anzulocken. Entgegen des politischen Willens würde sich der Markt in eine andere Richtung entwickeln, warnte er. Lausecker erkannte eine aktuelle Tendenz, Menschen zur Annahme digitaler Bezahlungsmittel zu drängen und damit die Abschaffung des Bargelds vorzubereiten. Ein wichtiger Faktor sind aus seiner Sicht dabei die betriebswirtschaftlichen Überlegungen von Unternehmen, da diese mit digitalen Zahlungsmethoden ihre Gewinnspanne erhöhen könnten.

Schneider: Österreich für Geldwäsche nicht attraktiv

Friedrich Schneider stand Bargeld-Obergrenzen skeptisch gegenüber. Die Deklarationspflicht sei in Österreich bereits relativ streng, sagte der emeritierte Professor an der Johannes-Keppler-Universität. Laut Schneider wird in Österreich Bargeld in Höhe von 900 Mio. € bis knapp über 1 Mrd. € gewaschen. Bei der Berechnung gebe es aber potentiell hohe Ungenauigkeiten. Jener Bereich, wo die höchsten Bargeldbeträge regelmäßig fließen, sei der Gebrauchtwagensektor. Die Geldwäscherichtlinien seien streng, Händler können nur mit Nachweis das Geld bei der Bank einzahlen, führte er aus. Österreich sei daher kein attraktives Land, um Geld zu waschen. Obwohl Bargeld beim Pfusch verwendet werde, sei Bargeld nicht kausal für Pfusch, so Schneider. Bargeld werde keinen wesentlichen Beitrag zum Bestehen der Drogenkriminalität leisten, prognostizierte Schneider ein schrittweises Umsteigen der Mafia auf bargeldlose Zahlungen.

Zudem hielt Schneider fest, dass seit längerem eine Änderung der Zahlungsgewohnheiten feststellbar sei. Die Frage, wie man in einer Krisensituation, wie einem Blackout, den Zahlungsverkehr aufrechterhalten könnte, sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Das Argument, dass Bargeld Korruption und mafiöse Strukturen unterstütze, wollte Schneider nicht gelten lassen. Solche Strukturen würden auch andere Faktoren benötigen und seien nicht allein Folge des Zugangs zu Bargeld.

Schroth: OeNB für Annahmeverpflichtung

Bei Zahlungen unter 50 Euro sei Bargeld in Österreich das günstigste Zahlungsmittel für Händler, betonte Matthias Schroth. Dies gelte auch für Großunternehmen wie SPAR. Anders sei dies bereits in Ländern wie den Niederlanden. Bargeld diene rein der Zahlung; hinter allen anderen Zahlungsmittel stehen Unternehmen, die Gebühren verlangen, unterstrich der Experte. Auf Basis der weiterhin guten Infrastruktur bei den Bankomaten, liege die Barzahlungsrate in Österreich zwischen 66 und 70 %, führte Schroth aus.

Matthias Schroth sprach sich als Vertreter der OeNB für eine Annahmeverpflichtung mit bestimmten Ausnahmen aus, etwa was die Menge des Wechselgeldes betreffe, das bereitgehalten werden müsse. Die Frage sei allerdings, wie eine solche Regelung durchgesetzt werden könne. Einige Länder würden daher auch Strafzahlungen vorsehen. Auch datenschutzrechtliche Fragen müssten auf längere Sicht gelöst werden. Die Nationalbank unterstütze auch Überlegungen, wie Bargeld in Krisensituationen gesichert werden könnte. Tatsache sei, dass digitale Zahlungsformen Banken höhere Gewinne bringen, während Bargeld in Österreich sehr günstig abgegeben werde.

Unger warnte vor Bargeld ohne Obergrenzen

Brigitte Unger warnte mit Blick auf die Mafia vor Bargeld ohne Obergrenzen. "Wenn die Mafia einmal wo sitzt, dann pickt sie", erörterte die Expertin die Schwierigkeiten, eine ansässige Mafia aus einem Land zu verdrängen. Aus Sicht der Finanzwissenschaftlerin bedürfe es unterschiedlicher rechtlicher Ansätze um Drogenkriminalität, Terrorismusfinanzierung und Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Unger hielt es für sinnvoll, die Frage einer Wiedereinführung der von Abgeordnetem Matznetter angesprochenen Quick-Pay-Funktionen wieder aufzugreifen. Was Bargeldobergrenzen betreffe, sehe sie diese pragmatisch. Die von der EU derzeit diskutierte Grenze von 10.000 € halte sie für sinnvoll. Was die Verbindung zur organisierten Kriminalität betreffe, so gebe es sehr wohl kriminologische Studien, die auf den engen Zusammenhang von Drogengeschäften und Bargeld hinweisen. Zweifellos sei es wichtig, dass Grundbedürfnisse mit Bargeld abgedeckt werden können. Eine Neuregelung der Annahmepflicht sei jedenfalls sinnvoll, meinte Unger.

Zgubic: Nachschärfungen bei Annahmeverpflichtung erforderlich

Gabriele Zgubic von der Arbeiterkammer Wien machte sich dafür stark, dass der kostenfreie Zugang zu Bargeld sichergestellt wird. Dazu sollten auch gesetzliche Regelungen, etwa zur Festlegung einer bestimmten Bankomatdichte, überlegt werden. Auch sie sprach sich für die Nachschärfung der Annahmeverpflichtung aus.

In einer abschließenden Erklärung appellierte der Bevollmächtige des Volksbegehrens, Josef Binder, an die Abgeordneten, der von ihnen eingegangenen Verpflichtung zu entsprechen, die Interessen der Bürger:innen zu wahren und ihre Anliegen zu vertreten. Der Erfolg des Volksbegehrens, der mit einem sehr kleinen Budget erreicht werden konnte, zeige deutlich das hohe Interesse der Bürger:innen an der Sicherung des Zugangs zu Bargeld. Die Politik der europäischen Notenbankchefin Christine Lagarde richtet sich aus Sicht Binders klar gegen dieses Interesse. Das Recht auf Bargeld müsse daher in der Verfassung verankert werden, unterstrich er nochmals eine zentrale Forderung des Volksbegehrens. (Schluss Finanzausschuss) gla/sox