Parlamentskorrespondenz Nr. 509 vom 10.05.2023

Pflege-Enquete: Strategien für gesundes Altern vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft

Bundesratsfraktionen plädieren für attraktivere Arbeitsbedingungen und Aufwertung des Berufsbildes in der Pflege

Wien (PK) – Im letzten Teil der Enquete des Bundesrates zum Thema Pflege zogen die Vorsitzenden der Bundesratsfraktionen ein Resümee der heutigen Beiträge der Redner:innen und Expert:innen, deren Problemanalysen zahlreiche Parallelen aufwiesen. Die Schlüsselfrage werde in der ausreichenden Rekrutierung von Personal liegen, waren sich alle einig, ohne gezielte Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland werde es aufgrund der demographischen Entwicklung wohl nicht gehen. Parallel dazu müssten aber die Rahmenbedingungen deutlich verbessert und das Berufsbild attraktiviert werden. Vor den Stellungnahmen der Bundesrät:innen und der anschließenden allgemeinen Diskussion hielt noch der Inhaber der John Harris-Fitnesszentren Ernst Minar einen Vortrag mit dem Titel "Gesunde Jahre bis ins hohe Alter", in dem er die zahlreichen positiven Effekte von regemäßiger Bewegung vor allem auf die Gesundheit von älteren Personen hervorhob.

Minar: Bewegung ist das beste Medikament und kann Krankheiten verhindern

Für Ernst Minar, der seit vielen Jahren mehrere Fitnesszentren betreibt, stellt Bewegung das beste Medikament dar. Er plädierte in seinem Vortrag für Training bis ins hohe Alter, wobei Schwimmen die meisten Vorteile bringe. Viele Krankheiten könnten durch regelmäßiges Fitnesstraining vermieden werden, war er überzeugt.  Er hielt dies für noch wichtiger als den Faktor Ernährung. Dabei reiche es schon aus, drei Mal pro Woche zügig spazieren zu gehen, um etwa das Risiko, an Demenz zu erkranken, deutlich zu verringern. Minar richtete daher einen Appell an die Politik und die Bevölkerung, aktiv zu werden. Während 12 % der Österreicher:innen ins Fitnesscenter gingen, liege die Zahl in den nordischen Ländern bei 24 %. Minar vertrat auch die Auffassung, dass Menschen nach einer Operation möglichst früh aufstehen und sich wieder bewegen sollten. Damit würden Muskeln aufgebaut und das Immunsystem gestärkt. Da Schwimmen besonders gesund und gelenkschonend sei, sollte dies vom Staat auch entsprechend gefördert und der Besuch von Schwimmbädern steuerlich bevorzugt werden.

Ähnliche Problemanalysen, unterschiedliche Lösungsansätze

Das österreichische Gesundheitswesen sei zwar gut im Heilen, aber bei der Prävention hinke es hinterher, urteilte der Vorsitzende der ÖVP-Bundesratsfraktion Karlheinz Kornhäusl. In den Spitälern gebe es zahlreiche Herausforderungen und Probleme, ebenso wie bei den pflegenden Angehörigen. Obgleich die Regierung in den letzten Jahren gute und wichtige Maßnahmen gesetzt habe, müsse nun die Prävention ausgebaut werden. Von der Pflegelehre erwarte er sich, dass man damit auch junge Leute für die Arbeit am Menschen begeistern könne. Da dies nicht ausreichen werde, müssen seiner Meinung nach aber auch zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden.

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ/W) richtete ihren Dank an alle Pfleger:innen, die mit Herzblut und Engagement ihre Arbeit machen. Kranke Menschen hätten ein Recht auf bestmögliche Versorgung, daher müssten dringend Lösungen für den akuten Personalmangel gefunden werden. Um das Berufsbild zu attraktiveren, müsse vor allem bei den Arbeitsbedingungen angesetzt werden. Außerdem machte sie sich dafür stark, dass mehr Männer den Pflegeberuf ergreifen. Wichtig wäre zudem ein großflächiger Ausbau der mobilen Dienste. Die Appelle an gesunde Ernährung und Fitness seien zwar richtig, aber viele Menschen könnten sich aufgrund der Teuerung kaum mehr etwas leisten.

Von einem dringenden Handlungsbedarf in vielen Bereichen der Pflege sprach auch Andrea Schartel (FPÖ/St). Betroffene sollten nicht leiden müssen, nur weil etwa die Ressourcen für Krankentransporte nicht vorhanden seien. An finanzieller Unterstützung fehle es etwa auch bei Inkontinenzprodukten oder Krankenbetten für die häusliche Pflege. Eine Stärkung wünschte sie sich zudem für die Versorgung im allgemeinmedizinischen Bereich, zumal die Hausärzt:innen die wichtigsten Partner:innen von zu Pflegenden und pflegenden Angehörigen seien. Viel abgewinnen konnte Schartel auch der Ermöglichung von stundenweisen Betreuungsformen, da sich die Mehrheit der Bevölkerung eine 24-Stunden-Betreuung nicht leisten könne.

Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) befasste sich mit der Situation von Menschen in stationärer Pflege, die oft unter mangelnder Selbstbestimmung leiden würden. Früher habe es den gesellschaftlichen Anspruch nach Autonomie gegeben, nun würde es bei der stationären Pflege in eine andere Richtung gehen, bedauerte sie. Nicht die Institutionen müssten sich an die Menschen anpassen, sondern die Menschen an die Institutionen. Es müssten wieder vermehrt die Bedürfnisse der Pflegenden in den Mittelpunkt gerückt und Begegnungen auf Augenhöhe sichergestellt werden. Die Menschen hätten das Recht, trotz Krankheit und Gebrechen ein lebenswertes Leben zu führen, appellierte sie an die Achtung der Menschenwürde.

Vorschläge für ein gesundes Altern: Von einer guten allgemeinmedizinischen Versorgung bis hin zur täglichen Bewegungseinheit an den Schulen

Durch die regelmäßige Ausübung von sportlichen Aktivitäten könnte man sich im Gesundheitswesen viele Ausgaben ersparen, führte SPÖ-Sportsprecher Maximilian Köllner im Rahmen der allgemeinen Diskussion ins Treffen. Ein besonderes Anliegen war ihm Schwimminfrastruktur, die in Österreich nicht ausreichend sei. Da Sport die Basis dafür legen könne, in Würde zu altern, sollten die Bewegungsangebote noch viel stärker forciert werden, forderte er. Aus diesem Grund müsse die tägliche Bewegungseinheit in den Schulen endlich flächendeckend umgesetzt werden.

Aufgrund des massiven Personalmangels würden österreichweit tausende Betten leer stehen, zeigte Silvia Rosoli von der Bundesarbeiterkammer auf. Um das dafür nötige Personal zu bekommen und vor allem zu halten, bedürfe es Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen, betonte sie. Aus Sicht von Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP/T) brauche es vor allem einen Schulterschluss zwischen allen Beteiligten, damit die Kräfte gebündelt werden können. Senior:innen wollen im Pflegefall daheim betreut werden, unterstrich sie, deshalb sei die Entwicklung von neuen Wohnformen erforderlich. Walter Marschitz von der Sozialwirtschaft Österreich) machte sich angesichts der Verdoppelung der zu pflegenden Menschen bis 2060 für die Rekrutierung von ausländischem Pflegepersonal stark. Laut ÖVP-Abgeordnetem Josef Smolle (ÖVP) müsse eine gute allgemeinmedizinische Versorgung gewährleistet werden. Weitere wichtige Eckpunkte seien eine gesunde Ernährung, Maßnahmen zum Erhalt der psychischen Gesundheit sowie ein aktives Sozialleben, meinte Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) .

Abgeordnetem Ernst Gödl (ÖVP) war es ein Anliegen, die positiven Seiten in der Debatte hervorzukehren. In Österreich würde vieles gut funktionieren und es gebe zahlreiche Menschen, die den Pflegeberuf mit Freude ausüben. Die Europäische Kommission sehe sich die Pflegesituation in Österreich genau an und gebe länderspezifische Empfehlungen ab, konstatierte Tim Joris Kaiser von der EU-Kommission. Positiv werde vor allem die nun eingeleitete Pflegereform gesehen. (Schluss Pflege-Enquete) gla/sue

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Enquete wurde live in der Mediathek des Parlaments  übertragen und ist dort als Video-on-Demand abrufbar.

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