Parlamentskorrespondenz Nr. 514 vom 10.05.2023

Pflegelehre: Neue Lehrberufe sollen wachsendem Personalmangel entgegenwirken

Zahlreiche Oppositionsanträge vom Wirtschaftsausschuss vertagt

Wien (PK) – Mit einer Stimmenmehrheit von ÖVP, FPÖ und Grünen sprach sich der Wirtschaftsausschuss heute für die Einführung der sogenannten Pflegelehre aus. Änderungen im Berufsausbildungsgesetz sowie im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz sollen die Möglichkeiten zu einem vierjährigen Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegefachassistenz (PFA) und einem dreijährigen Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegeassistenz (PA) schaffen.

Konfrontiert mit Kritik aus den Oppositionsreihen, die das Modell als "unausgegoren" ansahen, gestand Wirtschaftsminister Martin Kocher ein, dass es "keine Patentlösung" darstelle. Es handle sich jedoch um die Bereitstellung einer notwendigen weiteren Möglichkeit, den Pflegeberuf zu ergreifen und so dem Personalmangel in diesem Bereich entgegenzuwirken.

Zudem wurden zahlreiche Oppositionsanträge mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. So forderte die SPÖ die Bundesregierung auf, über den Finanzausgleich mehr Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen und die Ausbildungsbeihilfe für Lehrlinge zu erhöhen. Für die Schaffung eines zentralen Kompetenzzentrums für ein strategisches Rohstoffmanagement setzte sich die FPÖ ein. Ihre Forderungen nach einer Verlängerung der Schwellenwertverordnung bei öffentlichen Vergabeverfahren für das Jahr 2023 und nach der Abschaffung der CO2-Bepreisung fanden sich erneut auf der Tagesordnung. Den NEOS war eine Reform der Gewerbeordnung in Form von Erleichterungen bei den Gastronomiekonzessionen sowie die Senkung der Kammerumlagen ein Anliegen. Ohne die Stimmen der NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde der Bericht des Wirtschaftsministeriums über die Auszahlungen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds und dem Härtefallfonds für Februar 2023 (III-913 d.B.).

Einführung der Pflegelehre

Laut Regierungsvorlage soll das Berufsausbildungsgesetz sowie das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz dahingehend geändert werden, dass die bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten im Pflegebereich strukturell und inhaltlich erweitert werden (2030 d.B.). Mit der dualen Ausbildung als neue Form der beruflichen Erstausbildung der Sekundarstufe II sollen neue Perspektiven für interessierte Jugendliche und junge Erwachsene mit durchlässigen Bildungspfaden bis hin zum gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege geschaffen werden, so die Erläuterungen. Konkret sind ein vierjähriger Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegefachassistenz (PFA) und ein dreijähriger Lehrberuf mit Lehrabschluss Pflegeassistenz (PA) vorgesehen. Die neuen Lehrberufe sollen entsprechend dem üblichen Verfahren zunächst als Ausbildungsversuche an einzelnen Berufsschulstandorten eingerichtet werden. In einer langfristigen Perspektive rechne man zehn Jahre nach Einführung mit rund 1.000 Lehrlingen pro Jahrgang.

Am Verordnungsweg sollen laut Vorlage unter anderem Bestimmungen zum Schutz der auszubildenden Personen betreffend praktischer Ausbildungsmaßnahmen vor Vollendung des 17. Lebensjahres festgelegt werden. Sonderregelungen sind für die Lehrberufe beispielsweise hinsichtlich Ausbilder:innen, zur Bewilligung von Lehrbetrieben, der Eintragung von Lehrverträgen und zu Lehrabschlussprüfungen vorgesehen.

Ein "unausgegorenes" Modell sah SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter in der Pflegelehre, das nur dazu diene, billige Arbeitskräfte in diesem Bereich zu generieren. Zudem lasse es an Durchlässigkeit vermissen und die Struktur der Berufsschulen sei darauf nicht ausgerichtet. Sinnvoller wäre es laut Matznetter, letztere auszubauen und die Älteren analog zu den Polizeischüler:innen anzustellen und zu bezahlen. Auch Julia Seidl (NEOS) hielt die Pflegelehre für "keine gute Idee" und verwies auf die Situation in Heimen und Spitälern, wo die "Eskalationsschraube" sich immer weiter nach oben drehe. Die Pflegelehrlinge auszubilden sei für die dortigen Mitarbeiter:innen eine nicht zumutbare Zusatzbelastung.

Für Christin Ragger (FPÖ) hingegen stellt die Einführung der beiden Lehrberufe einen "wichtigen Schritt in Richtung Pflegeversorgungssicherheit" dar. Die Schweiz als Vorbild in diesem Bereich demonstriere mit einem doppelt so hohen Versorgungsgrad deren Sinnhaftigkeit. Ragger stimmte Matznetter jedoch hinsichtlich der Durchlässigkeit zu und bemängelte, dass etwa der Zugang über den zweiten Bildungsweg "gekappt" werde. Bedrana Ribo (Grüne) zeigte Verständnis für die Skepsis am Modell, betonte jedoch, dass angesichts der Faktenlage die Politik jede Möglichkeit nutzen müsse, mehr Fachkräfte in die Pflege zu bekommen. Bis 2030 würden dort über 75.000 Menschen benötigt.

Auch Wirtschaftsminister Martin Kocher sah in der Pflegelehre "keine Patentlösung", aber die Schaffung einer weiteren Möglichkeit für junge Menschen, den Pflegeberuf zu ergreifen. Die Ausbildungsversuche würden bereits im Herbst in Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg starten und eine anschließende Evaluierung werde zeigen, wie erfolgreich das Modell funktioniere. Kocher sagte, dass es natürlich darum gehe, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege zu verbessern, wie SPÖ und NEOS aufzeigten. Doch der Bund stelle die Pflegekräfte weder ein, noch führe er die Kollektivvertragsverhandlungen.

FPÖ fordert strategisches Rohstoffmanagement

Zur Sicherung der Rohstoffversorgung in Österreich setzt sich die FPÖ für die umgehende Schaffung eines zentralen Kompetenzzentrums für ein strategisches Rohstoffmanagement ein. Dieses solle sich einer nachhaltigen Rohstoffversorgung in Österreich und damit einer Reduktion der Abhängigkeit Österreichs widmen (2863/A(E)).

Im Ausschuss bezog sich Christian Ragger (FPÖ) auf Deutschland, das aus seiner Sicht als Vorbild dienen könne. Österreich müsse angesichts der angespannten globalen Situation in der Lage sein, eine effektive Rohstoffplanung umzusetzen. Karin Doppelbauer (NEOS) unterstrich die Dringlichkeit der Thematik und plädierten für die Forcierung internationaler Rohstoffpartnerschaften. Laut Doppelbauer böten sich etwa die Mercosur-Staaten hinsichtlich seltener Erden an, was auf EU-Ebene jedoch von Österreich blockiert werde.

Die Intention des Antrags konnte auch Laurenz Pöttinger (ÖVP) teilen. Er sah jedoch ebenso wie Bundesminister Kocher die Zuständigkeit nicht beim Wirtschaftsressort. Diese sei laut Kocher beim Finanzministerium angesiedelt und wirksame Maßnahmen müssten auf EU-Ebene ansetzen. Es gehe um eine Diversifizierung der Versorgungsquellen, um sich insbesondere von China unabhängiger zu machen, so Kocher. Vom FPÖ-Antrag "irritiert" zeigte sich Grünen-Mandatar Martin Litschauer, aufgrund der aus seiner Sicht falschen Schwerpunktsetzung. Die Abhängigkeit von Erdöl, die Chancen der Kreislaufwirtschaft oder die technologischen Möglichkeiten, sich von gewissen Rohstoffen unabhängig zu machen, würden gar nicht vorkommen.

FPÖ für Verlängerung der Schwellenwerteverordnung für Vergaben

Die FPÖ fordert in einem vom Ausschuss wiederaufgenommenen Entschließungsantrag die Justizministerin auf, umgehend die Schwellenwerteverordnung 2018 zu verlängern, um teure Vergabeverfahren zu verhindern und regionale Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen zu unterstützen (3096/A(E)). Da die aktuelle Verordnung nur mehr bis 30. Juni gelte, müsse die Verlängerung rasch erfolgen, argumentierte FPÖ-Abgeordneter Maximilian Linder. Der Antrag der Freiheitlichen wurde auf Antrag von Jakob Schwarz (Grüne) vertagt. Schwarz verwies auf eine im Justizministerium bereits laufende Überprüfung der Verordnung.

Aus Sicht der NEOS wäre das Vergabegesetz insgesamt zu überarbeiten, da es zu komplex sei, aber auch zu viele Umgehungsmöglichkeiten offenlasse, sagte Julia Seidl. Christoph Matznetter (SPÖ) warnte, dass die Uneinigkeit der Koalitionspartner dazu führen könnte, dass die Verlängerung der wichtigen Verordnung nicht zeitgerecht erfolgt. ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger betonte, dass es bereits konstruktive Gespräche mit dem Koalitionspartner gebe. Ausschussobmann Peter Haubner räumte ein, dass es ein klares Bekenntnis zur Verordnung gebe, weshalb er überzeugt sei, dass sie zeitgerecht erfolgen werde. 

FPÖ spricht sich weiterhin gegen CO2-Bepreisung aus

Auch die FPÖ-Forderung nach einer Abschaffung der CO2-Bepreisung (2558/A(E)) wurde ein weiteres Mal in die Warteschleife geschickt. FPÖ-Abgeordneter Walter Rauch meinte, die Steuer sei ein weiterer inflationstreibender Faktor, ohne die gewünschten Lenkungseffekte zu erzielen. Jakob Schwarz (Grüne) hielt ihm entgegen, die CO2-Steuer sei ein Baustein von vielen, um die Klimaziele zu erreichen, und sprach sich für die Vertagung des Antrags aus.

NEOS wollen Vereinfachung der Gewerbeordnung für das Gastgewerbe

Da die Reform der Gewerbeordnung zu langsam vor sich gehe, schlage ihre Fraktion konkrete Schritte vor, sagte NEOS-Abgeordnete Julia Seidl. Im Sinne der Gewerbefreiheit solle die Unterscheidung zwischen der sogenannten kleinen und großen Gastronomiekonzession und die Notwendigkeit des Befähigungsnachweises fallen (3130/A). Selbstverständlich müssten andere Bestimmungen, wie Hygieneauflagen, Jugendschutz oder Sperrstunden weiterhin gelten, sagte Seidl. Christoph Matznetter (SPÖ) sprach sich hingegen für das bestehende System aus, da es eine hohe Qualität der Dienstleistungen sicherstelle. Diese Ansicht vertrat auch ÖVP-Abgeordneter Laurenz Pöttinger, der sich für die Vertagung aussprach.

NEOS fordern Entlastung bei Energiekosten durch Senkung der Kammerumlagen

Die NEOS kritisieren, dass nach den letzten Kollektivvertrags-Abschlüssen aufgrund höherer Lohnkosten die Kammerumlage 2 zusätzliches Geld in die "prallen Kassen" der Wirtschaftskammern spülen werde (2380/A(E)). Laut NEOS-Abgeordneter Julia Seidl wäre eine Begrenzung der Kammerumlagen 1 und 2 ein wichtiger Beitrag zur Senkung der Lohnnebenkosten und würde den Menschen "mehr Netto vom Brutto" sichern. SPÖ-Abgeordneter Matznetter meinte, die Frage, wie die Kammerumlage besser gestaltet werden könnte, wäre eine eingehende Diskussion wert. Nicht mitgehen könne er allerdings bei den Forderungen der NEOS, die die Kammern überhaupt in Frage stellen würden. Carmen

Jeitler-Cincelli (ÖVP) sprach sich für die Vertagung des Antrags aus. Die Mittel der Kammerumlage würde in Form umfangreicher Serviceleistungen, insbesondere bei der Erschließung neuer Märkte, den Unternehmen wieder zugutekommen, argumentierte sie. Daher beneide man in anderen Ländern Österreich um sein bewährtes System der Kammern.

SPÖ fordert mehr Mittel für Kindergärten über Finanzausgleich

Die SPÖ fordert in einem Entschließungsantrag einen rascheren Ausbau der Kinderbetreuung und der Elementarpädagogik und die Bereitstellung der entsprechenden Finanzierung (3312/A(E)). Die Bundesregierung müsse im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen dafür sorgen, dass genügend Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, damit Länder und Gemeinden einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr umzusetzen können. Für SPÖ-Abgeordnete Petra Oberrauner geht es beim Ausbau der Kinderbetreuung neben der Teilnahme von Frauen mit Betreuungspflichten am Arbeitsmarkt auch um die Chancengleichheit aller Kinder auf dem Bildungsweg.

NEOS-Abgeordnete Karin Doppelbauer unterstützte das Anliegen. Österreich habe nach wie vor deutliche Defizite im Bildungsbereich, was die Innovationskraft hemme. Johann Höfinger (ÖVP) sprach sich aufgrund der Tatsache, dass die Finanzausgleichsverhandlungen im Laufen seien und zudem gleichlautende Anträge bereits in anderen Ausschüssen diskutiert würden, für die Vertagung des Antrags aus. Zur Frage eines Rechtsanspruchs auf Betreuung im ersten Lebensjahr sehe er zudem noch keinen Konsens.

SPÖ für Verbesserung der Lehrlingsausbildung und Erhöhung der Ausbildungsbeihilfe

SPÖ-Abgeordneter Maximilian Lercher wies darauf hin, dass Lehrlinge in überbetrieblichen Lehrausbildungen kein Einkommen über einen Kollektivvertrag, sondern eine sogenannte Ausbildungsbeihilfe erhalten. Angesichts der hohen Inflation ist aus Sicht der SPÖ die Erhöhung der Ausbildungsbeihilfe im ersten und zweiten Lehrjahr auf zumindest 500 €, eine jährliche Inflationsanpassung sowie eine 13. und 14. Ausbildungsbeihilfe für Lehrlinge in der überbetrieblichen Lehrausbildung notwendig (3359/A(E)). Hier gehe es nicht zuletzt darum, die Ausbildung der dringend benötigten Fachkräfte sicherzustellen, sagte Lercher. ÖVP-Abgeordnete Jeitler-Cincelli (ÖVP) meinte, aus ihrer Sicht sei es wichtig, dass die Lehrlingsausbildung möglichst in den Betrieben stattfindet. Da der Trend hier in die richtige Richtung weise, spreche sie sich für eine Vertagung des Antrags aus. SPÖ-Abgeordneter Lercher sagte, es gehe hier nicht darum, wo man die Lehrlinge gerne sehen würde, sondern wo sie tatsächlich seien. Für die überbetrieblichen Lehrwerkstätten bestehe Handlungsbedarf. (Schluss) wit/sox