Parlamentskorrespondenz Nr. 657 vom 14.06.2023

Nationalrat beschließt Aus für viele Corona-Sonderregelungen

COVID-19 künftig keine anzeigepflichtige Krankheit mehr

Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute die Überführung von COVID-19 vom Pandemie- ins Regelsystem beschlossen. COVID-19 soll damit künftig rechtlich wie alle nicht anzeigepflichtigen Infektionskrankheiten behandelt werden.

Eine Mehrheit gab es auch für eine Verlängerung der Ausnahmeregelung zur Substitutions-Dauerverschreibung sowie für Regelungen, die eine freie Apothekenwahl sicherstellen und Abholfächer für Medikamente ermöglichen. Abgelehnt wurde ein Antrag der Freiheitlichen, der auf Transparenz bei der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen abzielte.

Auch im Zuge der Debatte eingebrachte Anträge für ein Gesundheitsversorgungspaket und einen "Corona-Wiedergutmachungsfonds" blieben in der Minderheit.

COVID-19 wird vom Pandemie- ins Regelsystem überführt

Mit Stimmenmehrheit wurde eine Regierungsvorlage beschlossen, die das Aus für viele Corona-Sonderregelungen bedeutet. Ab Juli wird COVID-19 rechtlich wie alle nicht anzeigepflichtigen Infektionskrankheiten behandelt und damit vom Pandemie- in das Regelsystem überführt. Die Kosten von Testungen werden nur mehr bei Personen mit Symptomen von der Krankenversicherung getragen. Für die Impfsaison 2023/2024 werden zwei Millionen kostenfreie Impfungen ermöglicht. Die Regelungen für COVID-19-Medikamente werden weitgehend beibehalten. Bewährte, während der Pandemie eingeführte Bestimmungen werden beibehalten, andere laufen hingegen aus.

"Heute ist ein guter Tag nach drei Jahren Pandemie", zeigte sich Werner Saxinger (ÖVP) erfreut. Der langersehnte Beschluss könne nach sorgfältiger Vorbereitung nun endlich umgesetzt werden. Eine rechtliche Sonderstellung von COVID-19 sei nicht mehr angemessen. Dennoch werde es das Coronavirus weiter geben, weshalb Regelungen für Tests, Impfungen, Medikamente und Monitoring sinnvoll seien. Die Zeit sei reif, die Corona-Sonderbestimmungen zu beenden. Man tue das aus sachlichen Gründen, wohl überlegt und nicht aus politischem Kalkül. Denn die Gesundheit der Menschen sei nicht für Polit-Spiele geeignet. "Das sei manchen im Saal vor allem ins blaue Stammbuch geschrieben", sagte Saxinger mit Blick auf die FPÖ.

Auch Josef Smolle (ÖVP) sah den Übergang von der Pandemie in den Normalbetrieb positiv. Die starke Grundimmunität der Bevölkerung und die milde Omikron-Variante würden dies ermöglichen. Smolle fand es vernünftig, dass das Testangebot rückgebaut, die kostenlosen Impfungen aber weitergeführt werden.

Ralph Schallmeiner (Grüne) betonte, dass eine Abschaffung aller pandemiebedingter Maßnahmen nicht möglich sei, weil es weiterhin ein Sicherheitsnetz brauche. Deshalb würden Tests bei Verdachtsfällen, Impfungen gegen das Coronavirus und die Virusbeobachtung weiterhin beibehalten. Man gehe also nicht gänzlich schutzlos aus der Pandemie heraus, so Schallmeiner.

Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch betonte die Balance zwischen Vorsicht und Nachlässigkeit. Es sei nicht gut, es in die eine oder andere Richtung zu übertreiben. Die Meldepflicht und Verkehrsbeschränkungen enden daher, während andere Maßnahmen aufrecht bleiben. Rauch versicherte zudem, dass eine komplette Novellierung des Epidemiegesetzes in Arbeit sei und ein Pandemieplan in den nächsten Wochen vorgelegt werde.

Rudolf Silvan (SPÖ) befürwortete zwar grundsätzlich, dass Sonderregelungen zurückgenommen werden. Aus seiner Sicht greifen die Änderungen aber zu weit. Zumindest für vulnerable Gruppen sollten Gratis-Tests weiter möglich sein, so Silvan. Er unterstrich die Notwendigkeit einer Überarbeitung des Epidemiegesetzes und bat den Gesundheitsminister außerdem, die "schwarz-blaue, katastrophale Sozialversicherungsreform" zurückzunehmen. Silvan brachte dazu auch einen Entschließungsantrag ein, mit dem er sich für ein Gesundheitsversorgungspaket einsetzte. Damit sollten die der Österreichischen Gesundheitskasse durch die Sozialversicherungsreform 2018 entzogenen Mittel rückabgewickelt und ein Risikostrukturausgleich geschaffen werden. Außerdem drängte er auch die Ausschüttung der versprochenen Patientenmilliarde und Maßnahmen gegen den Ärtz:innenmangel, etwa eine Verdoppelung der Zahl an Medizinstudienplätzen und eine Quote für Landärzt:innen. Der Antrag blieb in der Minderheit.

Starke Ablehnung zur Regierungsvorlage äußerten die Abgeordneten der FPÖ. Der von den Freiheitlichen gewünschte Normalzustand werde damit nicht wiederhergestellt, sagte Gerhard Kaniak, der insbesondere Parallelstrukturen im Impfwesen und bei der Arzneimittelabgabe kritisierte und Datenschutzbedenken äußerte. Geboten sei eine Neufassung des Epidemiegesetzes, statt darin "herumzudoktern", so Kaniak. Seine Fraktion lehne den Gesetzentwurf daher kategorisch ab. Peter Wurm (FPÖ) vermutete, die anderen vier Parteien würden das Thema Corona "leise sterben lassen". Das werde jedoch nicht funktionieren, sagte Wurm und kündigte weitere Anträge für einen Corona-Untersuchungsausschuss an. Mit einem im Zuge der Debatte eingebrachten Entschließungsantrag erneuerte er zudem die FPÖ-Forderung nach einem "Corona-Wiedergutmachungsfonds" nach niederösterreichischem Vorbild. Der Fonds solle mit Bundesmitteln in der Höhe von 250 Millionen Euro ausgestattet werden und Betroffenen die Kosten für durch die Corona-Pandemie entstandene Schäden ersetzen. Der Antrag fand keine Zustimmung.

Der von Philip Kucher (SPÖ) geäußerten Kritik gegenüber den Freiheitlichen, der Partei gehe es nicht mehr um die betroffenen Menschen wie Risikopatient:innen und ihre Kontaktpersonen stellte sich Dagmar Belakowitsch (FPÖ) entgegen. Sie sei in einer "Koalition mit der Bevölkerung", die Opfer der Corona-Politik geworden sei. Die SPÖ machte sie dafür mitverantwortlich.

Die NEOS würden sich mit dem COVID-19-Überführungsgesetz schwer tun, sagte Fiona Fiedler. Es sei erneut viel Geld im Spiel, wo nicht sicher sei, ob es eine zweckmäßige Verwendung finden werde. Positiv fand sie, dass Menschen mit Symptomen weiterhin kostenlose Tests erhalten und dass die epidemiologischen Monitoringsysteme beibehalten werden.

Substitutions-Dauerverschreibung bleibt möglich

Eine Weiterführung der im Zuge der Corona-Pandemie eingeführten und bewährten Regeln zur Opioid-Substitutionsbehandlung wurde einstimmig beschlossen. Bis zur technischen Verfügbarkeit eines digitalen Verschreibungsprozesses haben damit die behandelnden Ärzt:innen unter bestimmten Voraussetzungen weiter die Möglichkeit, eine Substitutions-Dauerverschreibung mit dem Vermerk "Vidierung nicht erforderlich" auszustellen.

Ralph Schallmeiner (Grüne) bezeichnete die Weiterführung als "sinnvolle und pragmatische Lösung". Die Dauerverschreibung habe sich bewährt, so Werner Saxinger (ÖVP). Fiona Fiedler (NEOS) signalisierte ebenfalls Zustimmung, weil es sich um einen Schritt in die richtige Richtung mit dem Ziel der Digitalisierung handle.

Freie Apothekenwahl, Abholfächer für Medikamente und Impfstoffbeschaffung

Einstimmig beschlossen haben die Abgeordneten von der Regierung vorgeschlagene Regelungen, die die freie Apothekenwahl sicherstellen und Abholfächer für Medikamente ermöglichen sollen. Konkret wird im Apothekengesetz ein Zuweisungsverbot für Verschreibungen von Medikamenten festgelegt und die freie Apothekenwahl explizit gesetzlich verankert. Die Anpassung des Arzneimittelgesetzes ermöglicht es öffentlichen Apotheken, Abholfächer bzw. Abholstationen zur Hinterlegung von rezeptfreien Arzneimitteln für Letztverbraucher:innen einzurichten.

Ralph Schallmeiner (Grüne) sprach von "gescheiten und guten Bestimmungen", die auch von den Betroffenen eingefordert worden waren. Auch Werner Saxinger (ÖVP) und Fiona Fiedler (NEOS) äußerten Zustimmung. Gerhard Kaniak (FPÖ) unterstützte zwar die Änderungen, vermisste aber große, notwendige Novellen und Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln.

FPÖ-Antrag für Offenlegung der Impfstoff-Verträge abgelehnt

Keine Mehrheit konnte die FPÖ mit ihrer Forderung nach einer Offenlegung aller Verträge im Zusammenhang mit der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen finden. Die Freiheitlichen forderten darin völlige Transparenz sowie eine umgehende Auflösung aller noch laufenden Verträge mit den Impfstoff-Herstellern.

Gerald Hauser (FPÖ) warf der Regierung eine intransparente Politik vor. Es gelte, bei den Beschaffungsverträgen endlich Licht ins Dunkel zu bringen. Gesundheitsminister Rauch betonte, Österreich habe auf europäischer Ebene auf eine Überarbeitung der Verträge gedrängt, was auch gelungen sei. (Fortsetzung Nationalrat) kar

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