Parlamentskorrespondenz Nr. 682 vom 16.06.2023
Neu im Verfassungsausschuss
Wien (PK) – Die Regierung hat dem Nationalrat ein ORF-Paket (2082 d.B.) vorgelegt, mit dem unter anderem die Finanzierung des ORF auf neue Beine gestellt werden soll. Zudem wird der ORF mehr Möglichkeiten im digitalen Bereich bekommen, etwa was die Bereitstellung reiner Online-Angebote und die längere Abrufdauer von Sendungen in der Mediathek betrifft. Im Gegenzug sind eine Reduktion der Textmeldungen auf orf.at und stärkere Werbebeschränkungen vorgesehen. Außerdem wird der ORF zu Sparmaßnahmen und zu mehr Transparenz verpflichtet. Der Spartensender Sport+ bleibt bis Ende 2026 in der derzeitigen Form erhalten, auch das Radiosymphonieorchester ist vorerst abgesichert.
ORF-Beitrag wird mit monatlich 15,3 € festgelegt
Anlass für die vorgesehene Umwandlung der bisherigen ORF-Gebühr in eine Haushaltsabgabe ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Dieser hatte es in seinem Erkenntnis als Ungleichbehandlung gewertet, dass Zuschauer:innen, die kein klassisches Empfangsgerät haben, sondern ORF-Programme ausschließlich streamen, keine GIS-Gebühr zahlen müssen. Künftig werden in diesem Sinn alle Haushalte, anknüpfend an den Hauptwohnsitz, zahlungspflichtig sein, wobei die bestehenden Befreiungen – etwa für Sozialhilfe-Empfänger:innen, Pflegegeldbezieher:innen und Studierende – grundsätzlich aufrecht bleiben. Zudem werden auch Lehrlinge vom ORF-Beitrag befreit. Die Rechtsgrundlagen für die Befreiung werden allerdings mittelfristig adaptiert und das Fernmeldegebührengesetz mit Ende 2025 außer Kraft gesetzt. Zuständig für die Einhebung des Beitrags wird die ORF-Beitrags Service GmbH sein, die aus der GIS hervorgeht.
Die Höhe des ORF-Beitrags wird für die Jahre 2024 bis 2026 mit monatlich 15,3 € festgelegt, was deutlich weniger als die bisherigen 18,59 € ist. Gleichzeitig verzichtet der Bund künftig auf den Kunstförderungsbeitrag, der bisher gemeinsam mit der GIS-Gebühr eingehoben wurde. Der daraus resultierende Einnahmenausfall für den Kulturbereich wird aus dem Budget ersetzt. Weiterhin möglich bleibt die Einhebung von Landesabgaben mit dem ORF-Beitrag, wobei die Höhe derzeit je nach Bundesland variiert und einige Bundesländer explizit darauf verzichten. In weiterer Folge wird der ORF-Stiftungsrat für die Festlegung der Höhe des ORF-Beitrags zuständig sein, basierend auf einem entsprechenden Antrag des Generaldirektors und nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erfordernisse.
Unternehmer werden für jede Gemeinde, in der sie zumindest eine Betriebsstätte haben, einen Beitrag leisten müssen, wobei die Höhe gestaffelt ist und von der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer abhängt. So sind etwa bis zu einer Bemessungsgrundlage von 1,6 Mio. € ein ORF-Beitrag, bis 3 Mio. € zwei ORF-Beiträge und über 90 Mio. € fünfzig ORF-Beiträge zu zahlen. Maximal werden Unternehmen 100 ORF-Beiträge vorgeschrieben. Eine Befreiung von der Kommunalsteuerpflicht löst auch eine Befreiung vom ORF-Beitrag aus.
Sport+ und Radiosymphonieorchester bis Ende 2026 gesichert
Da der neue ORF-Beitrag nicht der Umsatzsteuer unterliegt und der ORF somit künftig keine Möglichkeit mehr hat, einen Vorsteuerabzug geltend zu machen, sieht der Gesetzentwurf darüber hinaus Kompensationszahlungen an den ORF in zweistelliger Millionenhöhe vor, die allerdings an zahlreiche Auflagen geknüpft sind. So wird der ORF etwa dazu verpflichtet, den Spartenkanal Sport+ bis Ende 2026 linear via Satellit auszustrahlen und die Berichterstattung über Randsportarten bzw. regionale Sportevents in seinen "Hauptprogrammen" bis Ende 2028 sukzessive auf jährlich 75 Stunden auszuweiten. Auch muss das Angebot an barrierefrei zugänglichen Sendungen und an Sendungen in Volksgruppensprachen erhöht werden sowie der Anteil an Eigen- und Koproduktionen im Spartenprogramm ORF III kontinuierlich steigen. Ebenso ist der Fortbestand des Radiosymphonieorchesters bis Ende 2026 sicherzustellen. Ab 2027 soll das Sport-Spartenprogramm online bereitgestellt werden.
Für den Fall, dass der ORF in einem Kalenderjahr weniger als 8 Mio. € für das Film-Fernseh-Abkommen zur Verfügung stellt, ist der Differenzbetrag von den ORF-Gebühren direkt einzubehalten.
Sparauflagen für den ORF
Ergänzend zu den oben genannten Auflagen ist der ORF angehalten, durch Strukturmaßnahmen Kosten substantiell und nachhaltig zu senken. Das betrifft sowohl die operativen Personalkosten als auch die Sachkosten. Zudem soll die Produktionseffizienz durch innovative Produktionsmethoden gesteigert werden. Geprüft wird die Umsetzung dieser Vorgaben durch die KommAustria.
Unabhängig davon sieht der Entwurf auch gesetzliche Eingriffe in Ansprüche von ORF-Mitarbeiter:innen vor. Das betrifft etwa die Begrenzung besonders hoher Abfertigungen und das schrittweise Aus für die Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage bis Ende 2026, wobei es Übergangs- und Ausgleichsregelungen gibt. Gleichzeitig wird der Pensionssicherungsbeitrag teilweise angehoben, was zu einer Kürzung von Sonderpensionen führt.
Transparenzbericht mit Offenlegung von Gehältern
Gesetzlich vorgeschrieben wird dem ORF auch die jährliche Vorlage eines Transparenzberichts. Darin sind unter anderem die Bruttogehälter für ORF-Mitarbeiter:innen darzustellen, und zwar aufgegliedert nach bestimmten Einkommenskategorien sowie nach Arbeitgeber, Altersgruppen und Geschlecht. Bei Brutto-Jahresgehältern über 170.000 € sind auch die Namen der betreffenden Personen anzugeben und Einnahmen aus Nebenbeschäftigungen anzuführen. Ebenso müssen u.a. Werbe- und Sponsoringeinnahmen, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Programmen und den einzelnen Online-Angeboten, Ausgaben für Eigenmarketing, Reichweiten und Ausgaben für Beraterverträge im Transparenzbericht angeführt werden.
Erweiterung des digitalen Angebots
Um den ORF, wie es in den Erläuterungen heißt, "konkurrenzfähig zu halten", wird ihm eine Ausweitung des Online-Angebots ermöglicht. So ist es dem ORF künftig etwa gestattet, Videos und Audiobeiträge in bestimmtem Umfang ausschließlich für das Online-Angebot zu produzieren und Sendungen schon vor der Ausstrahlung online zur Verfügung zu stellen. Außerdem entfällt die Sieben-Tages-Frist für die Mediathek.
Ausschließlich online bereitgestellt werden dürfen künftig etwa Sendungen aus den Bereichen Information, Kultur und Sport, letzteres allerdings auf Sportarten und Sportbewerbe beschränkt, denen in der österreichischen Medienberichterstattung üblicherweise kein breiter Raum zukommt. Online-only-Nachrichtensendungen dürfen dabei die Dauer von 20 Minuten und einzelne Nachrichtenbeiträge die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten. Außerdem ist die Anzahl von Online-only-Sendungen auf maximal 80 pro Woche beschränkt. Ausnahmen gibt es für Live-Sportübertragungen. Das Gesetz sieht außerdem einen eigenen Online-Kinderkanal mit einem qualitativ hochstehenden und pädagogisch wertvollen Sendungs-Mix vor.
Bis zu 24 Stunden vor der Ausstrahlung online angeboten werden dürfen Eigen- und Co-Produktionen aus den Kategorien Information, Kultur, Unterhaltung und Sport. Nachrichtensendungen sind davon allerdings ausdrücklich ausgenommen.
Wie lange Sendungen künftig in ORF-TVthek abrufbar sein werden, hängt von der Art der Sendung ab. So dürfen etwa Eigen- und Co-Produktionen des ORF sechs Monate bereitgestellt werden. Für Nachrichtensendungen und Sportübertragungen im Bereich des Premiumsports gilt eine Frist von 30 Tagen. Zeitlich unbegrenzt verfügbar gemacht können Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten, Dokumentationen und Kindersendungen.
Beschränkungen für orf.at
Im Gegenzug muss der ORF die Textmeldungen auf der Überblicksseite von orf.at, der sogenannten "blauen Seite", auf maximal 350 pro Woche reduzieren. Diese sind außerdem auf "nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung zur Vermittlung des wesentlichen Informationsgehalts" beschränkt und dürfen nicht mehr als 30 % des Angebots umfassen. Die übrigen 70 % sind audiovisuellen Beiträgen wie Videos vorbehalten. Gleichzeitig wird klargestellt, dass sich das Online-Angebot des ORF von jenem privater Medienunternehmen deutlich zu unterscheiden hat. Gesonderte Überblicksberichterstattung auf Bundesländerebene ist laut Entwurf zulässig, allerdings eingegrenzt auf 80 Meldungen pro Bundesland und Kalenderwoche.
Vorgesehen sind überdies weitere Werbebeschränkungen für den Online- und Radio-Bereich sowie ein Verbot von Behavioral- und Geo-Targeting, also maßgeschneiderter Online-Werbung.
Angebot für Dritte
Auf seiner Online-Plattform hat der ORF, wenn das gewünscht wird und gegen entsprechende Kostenerstattung, auch Programme von privaten Hörfunk- und Fernsehveranstaltern bereitzustellen. Außerdem wird privaten TV-Sendern das Recht eingeräumt, aktuelle ORF-Sendungen ausschnittsweise zu verwenden sowie bestimmte vom ORF ausgewählte Sendungen mit Österreich-Bezug aus den Bereichen Dokumentation, Reportage und Fiktion, deren Erstausstrahlung mindestens fünf Jahre zurückliegt, auszustrahlen. Das diesbezügliche Angebot des ORF muss 1.000 Minuten pro Jahr umfassen, zudem ist die Hälfte der Produktionen jährlich zu erneuern.
In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird festgehalten, dass es notwendig sei, die Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an das digitale Zeitalter anzupassen. Gleichzeitig sei es darum gegangen, das duale Mediensystem zu festigen und auf den Medienstandort Bedacht zu nehmen. Durch eine von ÖVP und Grünen beschlossene Fristsetzung ist sichergestellt, dass das Paket noch vor dem Sommer im Nationalrat zur Abstimmung kommt. (Schluss) gs