Parlamentskorrespondenz Nr. 683 vom 16.06.2023

Neu im Innenausschuss

Krisensicherheitsgesetz soll staatliches Krisenmanagement auf neue Beine stellen

Wien (PK) – Eine Vielfalt an Krisenszenarien und zunehmend von globalen Rahmenbedingungen abhängige Gefahrenlage, erfordere die Anpassung des staatlichen Krisenmanagements an die neuen Gegebenheiten und einen gesamtheitlichen Zugang zum Thema Krisensicherheit, heißt es in den Erläuterungen zum neuen, vom Innenministerium vorgelegten Bundes-Krisensicherheitsgesetz (B-KSG) (2084 d.B.). Dieses soll bereits bestehende Gremien und Prozesse des staatlichen Krisenmanagements erstmals gesetzlich definieren und strukturell weiterentwickeln. Konkret vorgesehen sind die Schaffung von ressortübergreifenden Fachgremien, eines Bundes-Krisensicherheitskabinetts und eines Bundeslagezentrums im Innenministerium sowie die Benennung von Kontaktstellen zur raschen Koordination im Krisenfall. Zudem beinhaltet das B-KSG die gesetzliche Definition eines Bundes-Krisenfalls, die Festlegung eines Verfahrens zur Ausrufung und Beendigung einer Krise, die Einrichtung eines/einer Regierungsberater:in im Bundeskanzleramt samt Stellvertreter:in und Beratungsgremium sowie eine Erweiterung der Aufgaben des Bundesheeres. Neben dem Erlassen des B-KSG sieht die Regierungsvorlage dafür Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes, des Wehrgesetzes und des Meldegesetzes vor.

Strukturelle Maßnahmen und Bundeslagezentrum im Innenministerium

Krisenfälle der jüngeren Vergangenheit hätten die Notwendigkeit einer umfassenden Neuausrichtung, Verrechtlichung und Formalisierung bestehender Prozesse und Formate der staatlichen Krisenbewältigung aufgezeigt, wie aus den Erläuterungen zum B-KSG hervorgeht. Es bestehe ein zunehmender Bedarf an einer umfangreichen strukturierten und ressortübergreifenden Abstimmung der relevanten Akteure sowohl im Bereich der Krisenvorsorge als auch in der Krisenbewältigung. Um diesem Bedarf Rechnung zu tragen, sind im B-KSG die Einrichtung von ressortübergreifenden Fachgremien – etwa zu sicherheits-, gesundheits- oder verteidigungspolitischen Angelegenheiten -, eines Koordinationsgremiums und eines Bundes-Krisensicherheitskabinetts zur bestmöglichen Abbildung der politisch-strategischen Ebene vorgesehen.

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung sollen verpflichtet werden, die notwendigen Vorkehrungen und Strukturen für ein effektives Krisenmanagement zu schaffen. Dazu zählen die Erstellung von Krisenplänen und die Benennung permanenter Kontaktstellen, die eine rasche Koordination betroffener Behörden und Einrichtungen in Krisenfällen sicherstellen und auch außerhalb von Krisenzeiten einen regelmäßigen Austausch gewährleisten. Zentral sei die Einbindung sämtlicher relevanter Akteure, vor allem der Länder, des Städtebundes, des Gemeindebundes, der Betreiber kritischer Infrastrukturen, der Einsatzorganisationen und der Nichtregierungsorganisationen. Zudem sollen Berichts- und Auskunftspflichten an den Nationalrat bzw. die zuständigen Ausschüsse festgelegt werden.

Auch die räumlichen und technischen Ressourcen zur Krisenbewältigung hätten sich in den vergangenen Jahre als unzureichend erwiesen. Daher soll mit dem B-KSG auch die dauerhafte Einrichtung eines ressortübergreifenden Bundeslagezentrums für die Bundesregierung im Innenministerium gesetzlich verankert werden. Dieses soll höchsten technischen und internationalen Sicherheitsstandards genügen sowie ausreichend personelle und räumliche Ressourcen zur Bewältigung vielfältiger und komplexer Krisenlagen bieten.

Krisendefinition

Für eine rasche Handlungsfähigkeit im Krisenfall ist laut Erläuterungen außerdem die gesetzliche Definition einer Bundeskrise sowie eines Verfahrens zur Ausrufung und zur Beendigung einer solchen wesentlich. Notwendig sei dies auch, um etwa bei der Katastrophenbekämpfung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Länder einzugreifen. Im Bereich der Krisen und der Katastrophen bestehe verfassungsrechtlich bisher keine allgemeine Regelungskompetenz des Bundes, sondern es liege eine weitgehende Zersplitterung der Bundes und Landeskompetenzen vor.

Angelehnt an andere europäische Rechtsordnungen soll die Feststellung und Beendigung der Krise über den Verordnungsweg erfolgen, wobei zur Krisenfeststellung ein Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats hergestellt werden muss und eine Informationspflicht der Landeshauptleute festgeschrieben ist. Ein Krise liegt laut B-KSG dann vor, wenn eine "Gefahr außergewöhnlichen Ausmaßes" für das Leben oder die Gesundheit der Bevölkerung oder eines großen Personenkreises, für die öffentliche Gesundheit, Ordnung oder Sicherheit, für die nationale Sicherheit, die Umwelt oder für das wirtschaftliche Wohl der Republik vorliegt und deren Abwehr oder Bewältigung unverzügliche Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes dringend erforderlich macht.

Ausweitung der Aufgaben des Bundesheeres und strategische Regierungsberatung

Das Verfassungsgesetz sowie das Wehrgesetz werden durch die vorgesehenen Erweiterung der Aufgaben des Bundesheeres berührt. Vergangene Krisenereignisse, wie insbesondere die COVID-19-Pandemie hätten dargelegt, dass die geltende Verfassungsrechtslage nicht ausreiche, um die Ressourcen des Bundesheeres bestmöglich einsetzen zu können, wie es in den Erläuterungen heißt. Daher sollen die verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben des Bundesheeres dahingehend erweitert werden, dass künftig Assistenzleistungen im Krisenfall sowie Präventionsmaßnamen erbracht werden können. 

Zur Sicherstellung eines gesamthaften strategischen Überblicks umfasst das B-KSG weiters die Einrichtung einer/eines neutralen, von Ressortaufgaben losgelösten Regierungsberaterin bzw. Regierungsberaters sowie einer/eines Stellvertreter:in und eines Beratungsgremiums im Bundeskanzleramt. Damit werde erstmals festgehalten, das die obersten Organe des Bundes gesamtheitlich in Fragen der Krisenvorsorge und –bewältigung, der umfassenden Landesverteidigung, der nationalen Sicherheit und der staatlichen Resilienz beraten werden sollen, wie aus den Erläuterungen hervorgeht.

Eine Änderung des Meldegesetzes soll außerdem im Krisenfall die Durchführung einer Verknüpfungsanfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) zur Erlangung persönlicher Kontaktdaten ermöglichen. (Schluss) wit