Parlamentskorrespondenz Nr. 684 vom 19.06.2023
Wiederaufschwung im Tourismusjahr 2022
Wien (PK) – 2022 verlief für den heimischen Tourismus besser als erwartet, geht aus dem aktuellen Tourismusbericht (III-961 d.B. und III-822-BR/2023 d.B. ) des Wirtschaftsministeriums hervor. Nach den Corona-bedingten Einbrüchen der Urlauberzahlen 2020 und 2021 habe man im Vorjahr mit fast 40 Millionen Gästeankünften und knapp 137 Millionen Nächtigungen beinahe wieder Vorkrisenniveau erreicht. Trotz zahlreicher Herausforderungen wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, steigende Energiepreise und die Inflation sowie der anhaltende Arbeitskräftemangel habe der kleinstrukturierten österreichischen Tourismuswirtschaft 2022 ein unerwartet gutes Ergebnis geliefert, so Wirtschaftsminister Martin Kocher und Tourismus-Staatsekretärin Susanne Kraus-Winkler im Berichtsvorwort. Zentral dafür sei das Durchhaltevermögen der Familienbetriebe gemeinsam mit ihren Mitarbeiter:innen gewesen, unterstützt durch staatliche Corona-Hilfen wie die Kurzarbeitsregelung.
Gästezahlen fast wie vor Corona
Besonders deutlich wurde das Wiedererstarken der Nachfrage unter den internationalen Urlauber:innen, deren Ankünfte sich im Vergleich zu 2021 beinahe verdoppelten und 82,2 % des Volumens vor der Corona-Pandemie erreichten. In der Heimat urlaubende Österreicher:innen werden im Bericht als "stabilisierendes Element" hervorgehoben; ihre Ankünfte machten 2022 sogar 86,1 % des Vorkrisenvolumens aus. Insgesamt verzeichnete der heimische Tourismus im Vorjahr 136,9 Millionen Nächtigungen und 39,8 Millionen Gästeankünfte, wodurch die touristische Nachfrage drei Viertel über dem Wert von 2021 lag.
Deutschland nennen die Verfasser:innen des Tourismusberichts als "wichtigste[n] Quellmarkt im heimischen Tourismus" mit zuletzt 53,4 Millionen Nächtigungen und 39 % der Gesamtnachfrage bzw. 54,5 % des internationalen Aufkommens. Mit 71,6 % der Gäste aus dem Ausland zu 28,4 % inländischen Urlauber:innen ähnelte die Verteilung der Tourist:innen erstmals wieder "dem präpandemischen Verhältnis" (2019: 73,8 % zu 26,2 %), wird im Bericht aufgezeigt, nachdem 2021 der Binnennächtigungsanteil auf 37,2 % angestiegen war. 2022 wurden 38,9 Millionen Nächtigungen von Heimaturlauber:innen in Österreich registriert.
Das Beherbergungsangebot und die Auslastung lagen 2022 ebenfalls bereits fast auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie. So standen österreichweit im Tourismusjahr 2021/22 (November 2021 bis Oktober 2022) in ca. 68.600 Beherbergungsbetrieben (ohne Campingplätze) rund 1,15 Millionen Betten zur Verfügung, womit sich zum Vergleichszeitraum 2020/21 die Kapazitäten um 1,2 % (verfügbare Betten) bzw. 1,6 % (Betriebe) steigerten. Vor Beginn der Pandemie 2018/19 betrug der Zuwachs in beiden Bereichen 1,7 %.
Volkswirtschaftsmotor Tourismus
Volkswirtschaftlich spielt der Tourismus dem Bericht zufolge nach wie vor eine wichtige Rolle in Österreich. Angeführt werden für 2022 noch auf Schätzungen beruhende Zahlen zur direkten und indirekten Wertschöpfung aus dem Tourismus, die sich zusammen auf 6,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen. Die Tourismusausgaben der in- und ausländischen Gäste in Österreich dürften 2022 im Vergleich zu 2021 um ca. 87 % auf 35,9 Mrd. € gestiegen sein, was nur noch um 5,3 % unter dem Vorkrisenniveau von 2019 liegt. Die daraus resultierenden direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte beliefen sich demnach auf 27,9 Mrd. € (+92 % laut Schätzung). Als direkte Wertschöpfung weist der Bericht 20 Mrd. € aus. Dabei wird unterstrichen, dass der Tourismuskonsum neben der unmittelbaren Beschäftigung in den typischen Branchen auch Arbeitskräftebedarf in allen anderen Wirtschaftszweigen bewirkt,
Probleme: Personalmangel und Teuerung
In ihrem Vorwort zum Tourismusbericht 2022 verweisen Minister Kocher und Staatssekretärin Kraus-Winkler auf den verstärkten "Personaldruck", unter dem der Fremdenverkehr in Zeiten des allgemeinen Arbeitskräftemangels und der steigenden Nachfrage stehe. 217.472 Personen waren 2022 laut Bericht im heimischen Tourismus beschäftigt, das sind um 30.755 Beschäftigte (+16,5 %) mehr als 2021, wiewohl der Wert noch um 1,3 % unter jenem von 2019 liegt. Dennoch bestanden laut Bericht in der zweiten Jahreshälfte 2022 in Beherbergung und Gastronomie erstmals mehr Beschäftigungsverhältnisse als vor Ausbruch der Pandemie. Gemessen an Vollzeitäquivalenten machten Mitarbeiter:innen im Tourismusbereich 7,8 % aller Erwerbstätigen aus. Auffallend bei der Beschäftigungsstruktur ist der Anteil von 55 % sowohl bei weiblichen als auch bei ausländischen Mitarbeiter:innen.
Mit 14.767 offenen Stellen war die Nachfrage nach Arbeitskräften 2022 überdurchschnittlich hoch (48,3 % über 2021), gleiches gilt für die Zahl offener Lehrstellen (2.264, 37,5 % über 2021). Die Arbeitsmarktpolitik versucht daher, durch überregionale Vermittlungen den dringenden Bedarf an Arbeitskräften in Tourismusregionen zu decken. Gemeinsam mit Tourismusbetrieben wurden etwa Qualifizierungsangebote ins Leben gerufen, bei denen Praktikumsteile an Orten mit großer Nachfrage zu absolvieren sind. In einigen Bundesländern seien zudem "Welcome"-Strukturen im Aufbau, um überregional vermittelte Arbeitskräfte bei Aspekten des täglichen Lebens wie Wohnen und Kinderbetreuung zu unterstützen, so das Wirtschaftsministerium. Mit dem seit 1.1.2022 erleichterten Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte für langjährig in Österreich beschäftigte "Stammmitarbeiter/innen" will die Regierung die Tourismusbranche beim Erhalt von Personal unterstützen. Zudem soll es "Modernisierungsinitiativen" bei der Ausbildung für die Arbeit in der Tourismuswirtschaft geben.
Die steigende Inflation – für 2022 gibt der Bericht 8,6 % an – ging auch am Tourismus nicht spurlos vorüber, besonders hinsichtlich der Energiekosten, die gefolgt von Verkehr und Verpflegung als "größter Preistreiber" bezeichnet werden. 2022 betrug die Teuerungsrate in der Gastronomie 8,5 %, bei Gütern und Dienstleistungen des Freizeit- und Kulturbereichs +3,8 %. Allein Wohnungsmieten in der Freizeitwirtschaft blieben mit + 0,8 % annähernd stabil. Für Ende 2022 vermerken die Ersteller:innen des Berichts, angesichts der insgesamt höheren Lebenserhaltungskosten würden sich wohl Einschränkungen der Reisetätigkeit bei vielen Haushalten bemerkbar machen. Konkrete Zahlen weist der Bericht dazu allerdings keine aus.
Optimistisch für 2023
Im Ausblick auf das laufende Tourismusjahr 2023 hält das Wirtschaftsministerium fest, trotz weiterhin bestehender globaler Unsicherheiten sei kein neuerlicher Einbruch der Tourismusbranche wie während der Corona-Pandemie zu erwarten. Aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen würden allerdings Reisen vermehrt in die Nebensaisonen verlagert. Beobachtet würden außerdem kürzere Aufenthaltsdauern und geringere Urlaubsbudgets. Ungeachtet dessen gebe es in Branchenumfragen Hinweise darauf, dass Urlauber:innen vermehrt auf die Qualität und das Serviceniveau bei ihren Reisen achten. Immer häufiger würden dabei Nachhaltigkeitskriterien ins Treffen geführt. Hinsichtlich der Nächtigungsbilanz 2023 geht man besonders beim Sommertourismus in Österreich von einer "insgesamt überdurchschnittlichen Dynamik" im Vergleich zum dritten Quartal 2019 aus, die vor allem auf die Rückkehr ausländischer Gäste zurückgeführt wird.
Umweltschutz wichtig für Tourismus
In den 1990er Jahren führte Österreich als weltweit erstes Land ein "Umweltzeichen" für touristische Betriebe ein und erweiterte diese Nachhaltigkeitszertifizierung auf Reiseangebote, Events und Messen sowie Kulturbetriebe aus der Branche. 2022 trugen 504 Standorte das Österreichische Umweltzeichen.Maßnahmen, die das touristische Angebot nachhaltiger machen, sollen eben zum Erhalt der für diesen Wirtschaftszweig bedeutenden Naturlandschaft Österreichs beitragen. Dazu gehören Möglichkeiten der klimafreundlichen Anreise, der Fokus auf Radtourismus und die Umformung des Wintersports zum "Wintererlebnis". Der Anteil erneuerbarer Energieträger im Bereich Gastronomie und Beherbergung ist laut Bericht von 36 % im Jahr 2008 auf 54 % im Jahr 2019 gestiegen. Die gewerbliche Tourismusförderung setze bei derartigen Investitionen klare Schwerpunkte, auch wenn der Tourismus nur für 1,6 % des Gesamtenergieverbrauchs Österreichs verantwortlich sei, wird auf eine Analyse des Umweltbundesamts verwiesen. Zur nachhaltigen Entwicklung des Tourismus in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht werden im "Plan T-Masterplan für Tourismus" zahlreiche Projekte vom Wirtschaftsministerium erarbeitet, von denen einige im Bericht exemplarisch dargestellt sind – etwa die Vereinfachung des Meldevorgangs durch das "digitale Gästeblatt". (Schluss) rei