Parlamentskorrespondenz Nr. 747 vom 27.06.2023

Umweltausschuss: ÖVP und Grüne vertagen Initiativen der Opposition

SPÖ, FPÖ und NEOS thematisieren Bodenverbrauch, erneuerbare Energien, Lebensmittelverschwendung und Klimaschutzgesetz

Wien (PK) – Nachdem im letzten Umweltausschuss nicht die vollständige Tagesordnung behandelt werden konnte, nahmen die Abgeordneten die Debatte der offenen Punkte im heutigen Umweltausschuss wieder auf. Alle Tagesordnungspunkte – 15 Forderungen der Opposition – wurden durchgehend mit der Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen vertagt.

Die SPÖ thematisierte in ihren Anträgen den Windkraftausbau, den klimafreundlichen Güterverkehr, die Kreislaufwirtschaft, Lebensmittelverschwendung, die Flächenversiegelung sowie die Wasserentnahme aus Gewässern für Feuerwehr-Übungen.

Im Mittelpunkt der freiheitlichen Forderungen standen die Lebensmittelverschwendung, der Erhalt des Weltkulturerbes Fertö-Neusiedler See sowie die Nutzung von Klärschlamm als Rohstoffquelle

Die NEOS drangen auf die Umsetzung ihrer Forderungen zu Flächenversiegelung, zur Erhöhung des CO2-Preises bei gleichzeitiger Steuerentlastung, zur Vorlage eines neuen Klimaschutzgesetzes und eines Klimatransparenzgesetzes, zur Speicherung von bereits freigesetztem CO2 sowie zu Sanierungen.

SPÖ: Akzeptanz des Windkraftausbaus durch Einführung einer Gemeindeabgabe

Zur Gewährleistung der Akzeptanz des Windkraftausbaus in den Standortgemeinden fordert Andreas Kollross (SPÖ) die Einführung einer jährlichen Gemeindeabgabe mittels Entschließungsantrag (3257/A(E)). Bisher sei es Praxis gewesen, dass Standortgemeinden im Rahmen der Flächenwidmung Vereinbarungen mit den Anlagenbetreibern abgeschlossen haben. Darin wurden etwa finanzielle Zuwendungen für Energieeffizienz- und Klimaschutzmaßnahmen abgemacht. Mit der Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes werde dies aber im Fall einer vorhandenen Eignungszone erschwert.

Im Zuge der UVP-Novelle sei neben der Beschleunigung der Verfahren auch die Stärkung des Gestaltungsspielraums der Gemeinden gelungen, berichtete Astrid Rössler (Grüne). Der Antragstext klinge so, als ob man sich eine Widmung kaufen könne, kritisierte sie und mahnte die dementsprechende Verantwortung der Gemeinden hier ein. Dies wies Alois Schroll (SPÖ) als Unterstellung einer strafrechtlichen Tat zurück. Es sei wichtig, dass alle Menschen in den Gemeinden bei solchen Projekten abgeholt würden, meinte er.

SPÖ setzt sich für klimafreundlichen Güterverkehr ein

Maßnahmen zur Erhöhung des klimafreundlichen Güterverkehrs fordert SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr in einem weiteren Entschließungsantrag (3348/A(E)). Sie fordert darin eine flächendeckende LKW-Maut auf allen Straßen und die Festlegung von Warenverkehrszielen, die bei Transporten über 500 km einen Schienenanteil von mindestens 80 % vorsehen sollen. Zudem sollen Betriebsstätten mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen an das Schienennetz angeschlossen und die "City-Logistik" bis 2030 auf emissionsfreien Transport umgestellt werden.

Eine flächendeckende LKW-Maut wäre schwer umzusetzen und ein Wettbewerbsnachteil für die Wirtschaft, meinte Manfred Hofinger (ÖVP). Eine Umsetzung wäre sehr wohl möglich, entgegnete Julia Herr (SPÖ) mit Verweis auf die Schweiz. Grundsätzlich seien die Grünen für Maßnahmen, die eine höhere Kostenwahrheit ermöglichen, meinte Hermann Weratschnig (Grüne), gab aber auch zu bedenken, dass eine LKW-Maut nicht das Allheilmittel sei. Oft seien Fahrverbote ein wirksames Steuerungsmittel. Das grundsätzliche Ziel des Antrags unterstützte Michael Bernhard (NEOS), bemängelte aber, dass eine solche Maßnahme die Inflation antreiben würde.

SPÖ: Bessere Regelung für die Wasserentnahme aus Gewässern für Feuerwehr-Übungen

Eine bundesweite Regelung zur Löschwasserentnahme bei Feuerwehr-Übungen fordert Elisabeth Feichtinger (SPÖ) mittels Entschließungsantrag (3114/A(E)). Dies soll zu einer Verwaltungsvereinfachung für die Feuerwehren führen. Aktuell müssten diese bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft für Saugstellen in Bächen, Seen und Flüssen um Genehmigung ansuchen. Nur im Einsatzfall seien sie von dieser Genehmigungspflicht ausgenommen. Wenn vorab keine Genehmigung eingeholt werde, könnten nach dem Wasserrecht Berechtigte jedes Mal die Feuerwehren klagen, kritisiert Feichtinger.

Dieses Problem sei seitens der Feuerwehren noch nicht an sie heran getragen worden, hinterfragten Ernst Gödl (ÖVP) und Joachim Schnabel (ÖVP) die Forderung. Zudem werde gerade eine Studie erstellt, die Fließgewässer und Rahmenbedingungen für Entnahmen untersucht. Wasser sei ein hohes Schutzgut und es habe einen gewissen Sinn, dass dies durch die Behörden überprüft werde, stimmte Martin Litschauer (Grüne) der Kritik des Koalitionspartners zu. Die Feuerwehren hätten genug Verantwortungsgefühl, um zu wissen, dass sie bei einem niedrigen Wasserstand kein Wasser entnehmen, entgegnete Maximilian Linder (FPÖ) und schloss sich der SPÖ-Forderung an.

SPÖ fordert Kreislaufwirtschaft von Unternehmen

Weiters schlägt Julia Herr (SPÖ) ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft von Unternehmen vor (3345/A(E)). So brauche es ein Vernichtungsverbot von Neuwaren mit begleitenden Kontrollen und eine zeitliche Ausweitung der Hersteller-Gewährleistung, damit Produkte langlebiger und reparierbar produziert werden. Zudem soll ein Zentrum für Kreislaufwirtschaft eingerichtet werden, um die Ressourcen-Kreisläufe sowie den Wissens-Austausch in diesem Bereich zu fördern, neue Geschäftsmodelle zu unterstützen und eine Bestandteil- und Rohstoffbörse einzurichten.

Die Vernichtung von Neuwaren sei eine Ressourcenverschwendung, meinte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Die EU-Kommission habe einen Vorschlag für ein Vernichtungsverbot und zur Reduktion von Verpackungsmüll vorgelegt. Enttäuscht zeigte sich Gewessler von dem Kommissionsvorschlag für ein Recht auf Reparatur. Dieser sei hinter den Erwartungen zurück geblieben. Erfreulich sei hingegen die Einigung auf Ökodesign-Vorgaben für Smartphones. Damit gebe es erstmals Standards für deren Reparatur. Ein Vorschlag zur Kreislaufwirtschaft sei "fast" in der regierungsinternen Koordinierung, berichtete Astrid Rössler (Grüne). Schritte zur Ressourceneffizienz befürwortete auch Martin Litschauer (Grüne). Stolz zeigte sich Lukas Hammer (Grüne) über die Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich der Kreislaufwirtschaft.

SPÖ- und FPÖ-Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung

Die Reduktion von Lebensmittelverschwendung ist sowohl der SPÖ als auch der FPÖ ein Anliegen. So fordern die Sozialdemokrat:innen, den Handel mittels eines Antidiskriminierungsgesetzes zur Abnahme aller Produkte in vertriebsfähiger Form, Größe und Farbe zu verpflichten und die Entsorgung von Lebensmitteln, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, einzudämmen (3346/A(E)).

Die Freiheitlichen hingegen sprechen sich für die Umsetzung von vier zentralen Empfehlungen eines Rechnungshof-Berichts aus (3434/A(E)). Dazu zählen die Datenerhebung zur Lebensmittelverschwendung, die Schaffung der Rahmenbedingungen für Lebensmittelspenden von Unternehmen an soziale Einrichtungen, die Evaluierung der Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle sowie eine Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.

Es brauche sehr konkrete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Akteur:innen in diesem Bereich, erklärte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Es gelte, mit ihnen zu klären, was es in der Praxis brauche, damit die Maßnahmen wirken. Aktuell werde eine Onlineplattform zur Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen vorbereitet. Skeptisch zeigte sich Gewessler zur Umsetzung einer Abnahmepflicht des Handels für jegliches vertriebsfähiges Obst und Gemüse.

Astrid Rössler (Grüne) berichtete von den Maßnahmen seitens der Bundesregierung, Lebensmittelabfälle zu reduzieren und die Weiternutzung auszubauen. Eine Abnahmepflicht und ein Vernichtungsverbot sei nicht umgesetzt, kritisierte Julia Herr (SPÖ) und forderte ein verstärktes Engagement in Zeiten, in denen Ressourcen kostbar seien. Skeptisch zur rechtlichen Umsetzung dieser Maßnahmen zeigte sich Michael Bernhard (NEOS) und sprach sich für eine bessere Regelung des Mindesthaltbarkeitsdatums und von Abschreibungen aus, da oft fraglich sei, was abgegeben werden kann.

FPÖ: Erhalt des Weltkulturerbes Fertö-Neusiedler See

Eine Initiative zum Erhalt des Weltkulturerbes "Fertö-Neusiedler See" setzt FPÖ-Abgeordneter Christian Ries in einem Entschließungsantrag (3338/A(E)). Der Wasserstand des Sees sei mittlerweile "alarmierend" niedrig. Dies habe massive Folgen auf den wichtigen Tourismus. In den vergangenen Jahrzehnten seien zahlreiche Eingriffe in den Wasserhaushalt des Sees vorgenommen worden, die sich jetzt in Zeiten der Wasserknappheit durch ausbleibende Niederschläge katastrophal auswirken. Das Land Burgenland habe zwar eine Gesellschaft gegründet, die unter anderem eine Zuleitung von Wasser zum See prüfen soll. Es scheint aber, dass das Land Burgenland mit dieser Aufgabe überfordert sei, kritisiert Ries und fordert ein Engagement des Bundes. Dies sei auch im Sinne des "Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" notwendig, führt Ries an. Die Republik sei darin rechtlich zum Schutz und Erhalt des Welterbes Neusiedler See verpflichtet.

Es gehe um viel, meinte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Das Sinken des Wasserstands sei ein Beispiel für die Auswirkungen der Klimakrise und habe Folgen für eine ganze Region. Aktuell werde an Lösungen gearbeitet. Diese seien aber nicht "simpel". Die Handlungsmöglichkeiten des Ressorts seien aber angesichts der naturschutzrechtlichen Kompetenz der Bundesländer begrenzt.

Der Intention des Antrags stimmte Julia Herr (SPÖ) zu, wies aber die Kritik am Land Burgenland zurück. Es bestehe dort ein großes Bewusstsein für die Problemsituation. Das Sinken des Wasserstands sei eine konkrete Folge der Klimakrise und habe Folgen auf die Wirtschaft, Ökologie und Lebensrealitäten, meinte Lukas Hammer (Grüne). Österreich und Ungarn arbeiten aktuell an einem Managementplan, berichtete Martin Litschauer (Grüne) und sprach sich nicht nur für den quantitativen sondern auch qualitativen Schutz des Wassers aus. Angesichts der Zunahme an Dürrephasen im Osten Österreichs brauche es nachhaltige Lösungen, um die Lebensgrundlage der Bevölkerung und die Artenvielfalt zu sichern, meinte auch Michael Bernhard (NEOS).

FPÖ: Klärschlamm als Rohstoffquelle nutzen

Klärschlamm soll stärker als Rohstoffquelle genutzt werden und nicht länger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden, fordert FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch (3421/A(E)). Phosphor sei eine essentielle und nicht substituierbare Ressource, die für die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion unverzichtbar sei, argumentiert Rauch. Ziel bei der Bewirtschaftung von kommunalen Klärschlämmen solle daher im Sinne der Kreislaufwirtschaft die Rückgewinnung des darin enthaltenen Phosphors als Ausgangstoff für Düngemittel sein.

Derzeit sei die Abfallverbrennungsverordnung in Ausarbeitung, berichtete Friedrich Ofenauer (ÖVP). Darin seien Filterungsmöglichkeiten aus Klärschlamm Thema. Dies könne eine Chance sein, um die Abhängigkeit von Phosphor-Importen zu reduzieren. Klärschlamm sei immer öfter belastet und eine Ausbringung auf Feldern deswegen zu hinterfragen, erläuterte Peter Schmiedlechner (FPÖ). Die Stadt Wien arbeite aktuell an einer großtechnischen Umsetzung, stimmte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) der Bedeutung von Klärschlamm zu. Die Rückgewinnung habe eine strategische und ökologische Bedeutung, befürwortete auch Michael Bernhard (NEOS) die Initiative.

SPÖ und NEOS wollen Flächenversiegelung reduzieren

Eine bundesweite Leerstandsabgabe zur Reduktion von Bodenversiegelungen und des Ressourcenverbrauchs, fordert Julia Herr (SPÖ) in einem Entschließungsantrag (3347/A(E)). Mit einem durchschnittlichen täglichen Flächenverbrauch von 11,3 Hektar gehöre Österreich zu den europäischen Spitzenreitern. Zwar gebe es das politische Bekenntnis zu einer Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar. Die gesetzten Maßnahmen seien aber nicht ausreichend zum Erreichen dieses Ziels. Eine Leerstandsabgabe könnte hier lenkend eingreifen und die Nicht-Nutzung bereits bestehender Gebäude reduzieren, argumentiert Herr.

Mit der gleichen Intention fordert NEOS-Mandatar Michael Bernhard in einer wieder aufgenommenen Initiative, die Senkung der Flächenversiegelung und des Bodenverbrauchs als Wirkungsziele im Budget aufzunehmen und künftig bei Fördermaßnahmen zu berücksichtigen (559/A(E)).

Auf Bundesebene nutze die Bundesregierung jeden ihr zur Verfügung stehenden Hebel, um den Bodenverbrauch zu reduzieren, meinte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. So sei etwa der Bodenverbrauch ein wichtiger Bestandteil der letzten UVP-Novelle gewesen. Ein Großteil der Kompetenzen in diesem Bereich liege aber bei den Bundesländern. Aus diesem Grund sei deren Beteiligung wichtig, um die Reduktionsziele zu erreichen. Momentan gebe es eine einhellige Ablehnung der Bundesländer zum Vorschlag der Bodenschutzstrategie, hoffte Gewessler auf eine Lösung über den Sommer. Zum Flächenverbrauch erhebe man die Flächeninanspruchnahme sowie die versiegelte Fläche, erläuterte Gewessler gegenüber Gerhard Deimek (FPÖ).

Hinsichtlich einer Leerstandsabgabe verwies Joachim Schnabel (ÖVP) auf die Zuständigkeit der Bundesländer und befürwortete diese. Für den Beschluss einer Bodenschutzstrategie brauche es eine breite Zustimmung der Bundesländer zur Umsetzung von verbindlichen Zielen, meinte Astrid Rössler (Grüne). Wenn sich der europaweit sehr hohe Flächenverbrauch hierzulande so weiter entwickelt, gebe es in 120 Jahren keine landwirtschaftlichen Flächen mehr, betonte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Abhängig von deren Ausgestaltung zeigte sich Michael Bernhard (NEOS) prinzipiell offen für eine Leerstandsabgabe.

NEOS-Anträge zu klimapolitischer Gesetzgebung

Ebenfalls auf der Tagesordnung standen mehrere wieder aufgenommene Anträge der NEOS. Darin fordern sie unter anderem eine deutliche Erhöhung des von der Bundesregierung angesetzten CO2-Preises bei gleichzeitiger Steuerentlastung von Bürger:innen und Unternehmen (1985/A(E)). Damit könne ein klarer ökologischer Lenkungseffekt erzielt werden.

Zudem sprachen sich NEOS erneut für die Vorlage eines neuen Klimaschutzgesetzes aus, das wichtige klimapolitische Innovationen enthalten soll (2749/A(E)) sowie für ein Klimatransparenzgesetz mit eigenem Klimabudget zur klaren Regelung von Verantwortlichkeiten und Schaffung von Planungssicherheit für langfristige Projekte (131/A(E)). Konkret sollen parallel zum Fiskalhaushalt ein jährliches CO2-Budget auf Basis der Emissionsziele bis 2050 festgelegt und politische Verantwortlichkeiten, Berichtspflichten und Sanktionsmöglichkeiten geregelt werden.

Im Zuge der Debatte der wieder aufgenommenen NEOS-Forderung für einen Masterplan zur Speicherung von bereits freigesetztem CO2 (859/A(E)) berichtete Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, dass aktuell ein Gesetz zur geologischen Speicherung durch das Finanzministerium evaluiert werde. Zur NEOS-Initiative für eine einheitliche Begriffsbestimmung der Sanierungsrate (683/A(E)) meinte Gewessler, dass eine solche wünschenswert wäre, dass aber das Commitment der Bundesländer hierfür wichtig wäre. (Schluss Umweltausschuss) pst